Bundestagswahlen Parteien in Deutschland drücken aufs Tempo

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30.9.2021 - 20:20

Vier Tage nach der Bundestagswahl werden Terminplan und Aufstellung für Beratungen über die nächste Bundesregierung konkreter. Ampel oder Jamaika, SPD oder Union: Bis zu einem Ergebnis dürfte es dauern.

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Vor den ersten grösseren Gesprächsrunden über eine Ampel-Koalition oder ein Jamaika-Bündnis drücken Spitzenvertreter der beteiligten Parteien aufs Tempo.

Alle wollten, «dass sich das nicht ewig lange hinzieht», sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Donnerstag nach der konstituierenden Sitzung der Bundestagsfraktion in Berlin. «Wir wollen möglichst schnelle Sondierungen, um herauszufinden, kann das was werden. Und dann soll in die Tiefe verhandelt werden.» Zugleich äusserte sie sich skeptisch zu einer Koalition unter Führung der Union. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und CDU-Vize Jens Spahn machten dagegen erneut deutlich, dass sie auf die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung für die Union setzen.

Göring-Eckardt betonte, die Übereinstimmungen mit der SPD seien am grössten. Aber auch mit der FDP gebe es Schnittmengen etwa beim Thema Bürgerrechte. Ziemiak sagte, die Union glaube, dass es Sinn mache darüber zu sprechen, ein «Zukunftsbündnis» zu schmieden, das die gesellschaftliche Breite abbilde und Brücken baue. Es könnte eine Koalition für Nachhaltigkeit sein. Er nannte den Klimaschutz sowie Nachhaltigkeit in der Staatsfinanzierung, der Frage des modernen Staates und bei der Digitalisierung.

Vier Tage nach der Bundestagswahl wurden Terminplan und Aufstellung für die Sondierungsgespräche immer klarer. Zunächst wollen Grüne und FDP an diesem Freitagvormittag bei einem erneuten Gespräch erste inhaltliche Fragen vertiefen. Im Anschluss werde es gegen 13.00 Uhr Statements von Vertretern der jeweiligen Parteiführung geben, teilte die FDP mit. Am Sonntagnachmittag will die SPD mit der FDP über eine Ampel-Regierung (SPD, Grüne, FDP) beraten. Danach sind von 18.30 Uhr an Gespräche zwischen Union und FDP geplant. Am Abend wollten SPD und Grüne miteinander reden. Am Dienstagvormittag (11.00 Uhr) will die Union mit den Grünen die Chancen für ein Jamaika-Bündnis (CDU/CSU, Grüne, FDP) ausloten.

Grüne und FDP hatten die Gespräche zur Regierungsbildung am Dienstag mit einem Vierer-Treffen und einem viel diskutierten Selfie bei Instagram eingeleitet. Die Union war bei der Bundestagswahl auf den historischen Tiefpunkt von 24,1 Prozent gestürzt. Die SPD wurde mit 25,7 Prozent stärkste Kraft. Die Grünen kamen auf Platz drei mit 14,8 Prozent, gefolgt von der FDP mit 11,5 Prozent.

Die Grünen gehen mit einem zehnköpfigen Team in die Gespräche. Ihm gehören neben Vertretern der Partei- und Fraktionsführung Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die bisherige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sowie der Europaabgeordnete Sven Giegold an.

Die FDP schickt ebenfalls ein zehnköpfiges Team in die Gespräche. An der Spitze stehen der Bundesvorsitzende Christian Lindner und Generalsekretär Volker Wissing. Aufgrund eines «kleinen operativen Eingriffes», der wegen des Wahlkampfes verschoben worden sei, könne Parteivize Wolfgang Kubicki zunächst nicht teilnehmen, hiess es.

Die CDU zieht mit einer zehnköpfigen Mannschaft in die Sondierungen. Neben Partei-Chef Armin Laschet, Ziemiak sowie Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sollen der Gruppe die fünf Parteivizes Julia Klöckner, Silvia Breher, Volker Bouffier, Jens Spahn und Thomas Strobl angehören. Auch die Ministerpräsidenten Daniel Günther und Reiner Haseloff sollen dabei sein. Günther führt in Schleswig-Holstein ein Jamaika-Bündnis, Haseloff hat in Sachsen-Anhalt gerade erst eine Koalition mit SPD und FDP gebildet.

Nicht alle Mitglieder des CDU-Präsidiums stellten sich hinter die Gespräche der Union mit Grünen und FDP. Ziemiak sagte: «Es gab auch andere Stimmen, die gesagt haben: Nein, wir finden, jetzt sollten die anderen erstmal miteinander sprechen.» So habe Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer «eine etwas andere Sichtweise» geäussert. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur war er der Einzige, der sich in der Sitzung negativ zu Wort meldete.

Aus CSU-Kreisen hiess es, es gebe Unverständnis über das «Riesen-Sondierungsteam» der CDU. Die «Rheinische Post» berichtete, es herrsche in der CSU grosses Kopfschütteln über schwierige Absprachen mit der CDU. Für die CSU sollen neben Parteichef Markus Söder CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Generalsekretär Markus Blume, CSU-Vize Dorothee Bär und der parlamentarische Geschäftsführer der Landesgruppe, Stefan Müller, verhandeln.

Auch in der CDU wurde das Interesse an einer raschen Regierungsbildung betont. Die CDU wolle keine Minute verlieren, um eine «Zukunftskoalition für Deutschland zu entwickeln», war aus der Partei zu hören. Zuvor hatte es Irritationen über den Zeitplan für die Gespräche der Union mit Grünen und FDP gegeben. Aus der CDU hiess es, der von der FDP vorgeschlagene Termin bereits am Samstag sei wegen Terminkollisionen nicht realisierbar gewesen.

Söder hatte nach dpa-Informationen intern früh mitgeteilt, dass Freitagabend und Samstag von vornherein als Termine ausgeschieden seien. Am Freitagabend gibt es eine Feier für den früheren CSU-Chef und Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zu dessen 80. Geburtstag, bei der neben Söder auch Laschet angekündigt ist. Am Samstag hat Söder mehrere CSU-Gremiensitzungen in den Bezirksverbänden im Terminkalender. Söder habe dafür aber diesen Donnerstag, tagsüber am Freitag oder den Sonntag für mögliche Gespräche angeboten.

Die Terminsuche sorgte für einen verbalen Schlagabtausch zwischen Politikern von CSU und FDP. Nachdem CSU-Generalsekretärs Markus Blume über den Gesprächstermin schrieb: «Gut, dass dies nun vereinbart ist. PS: Wir hätten schon die ganze Woche gekonnt», reagierte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit den Worten: «Lieber Markus Blume, das Zauberwort gerade für Sie heisst aktuell Demut. Sie brauchen uns, nicht wir Sie. Sticheleien angesichts Ihrer Partei, die den Geburtstag von Edmund Stoiber und CSU-Meetings der Regierungsbildung vorzieht, sind fehl am Platze. Verantwortung ist gefragt.»