Eklat in China Ex-Staatschef Hu Jintao muss Podium verlassen

SDA

22.10.2022 - 08:24

Zwischenfall auf Parteitag in China

Zwischenfall auf Parteitag in China

Der Ex-Staatschef Hu Jintao wurde, wie auf Bildern zu sehen ist, gegen seinen Willen vom Podium entfernt und die zentrale Rolle von Präsident Xi Jinping wurde mit Verfassungsänderungen zementiert.

22.10.2022

Zum Abschluss des Kongresses der Kommunistischen Partei Chinas ist es am Samstag zu einem Eklat gekommen: Der frühere Staatschef Hu Jintao wurde kurz vor der Verfassungsänderungen gegen seinen Willen vom Podium geführt.

Keystone-SDA

Die sorgfältig orchestrierte, einwöchige Sitzung des Kongresses der Kommunistischen Partei Chinas ist am Ende von einem Zwischenfall um den früheren Staats- und Parteichef Hu Jintao überschattet worden. Der gebrechlich wirkende 79-Jährige wurde kurz vor den Verfassungsänderungen von zwei Saalordnern offensichtlich gegen seine Willen von seinem Platz neben Xi Jinping vom Podium geführt. Kurz vorher waren ausländische Medienvertreter auf die Tribüne der Grossen Halle des Volkes gelassen worden. Hu Jintao gilt nicht unbedingt als Unterstützer des Parteichefs und dessen Alleinherrschaft.

Der ehemalige chinesische Staatschef Hu Jintao wird von zwei Saalordnern offensichtlich gegen seine Willen von seinem Platz neben Xi Jinping vom Podium geführt.
Der ehemalige chinesische Staatschef Hu Jintao wird von zwei Saalordnern offensichtlich gegen seine Willen von seinem Platz neben Xi Jinping vom Podium geführt.
Keystone

Was hinter dem Vorfall mit Ex-Präsident Hu Jintao steckte, blieb unklar. Er zählt zum Lager der kommunistischen Jugendliga in der Partei, das von Xi Jinping geschwächt worden war. Hu Jintao hatte das Amt des Generalsekretärs nach zwei Amtszeiten 2012 an Xi Jinping übergeben. Er steht für das alte «kollektive» Führungsmodell mit Vertretern verschiedener Fraktionen und mit Altersbegrenzungen. Damit sollte verhindert werden, dass kein Führer wieder so mächtig wird wie der Staatsgründer und Revolutionär Mao Tsetung, der Chaos über das Land gebracht hatte. Geschichte sollte sich nicht wiederholen können.

Xi Jinping will Altersgrenzen trotzen

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat auf dem Kongress der Kommunistischen Partei in Peking seine Macht noch weiter ausgebaut. Zum Abschluss des nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteitages verankerten die 2300 Delegierten am Samstag in Peking seine Ideologie und dauerhafte Führungsrolle noch tiefer in der Parteiverfassung. Der 69-Jährige will am Sonntag eine ungewöhnliche dritte Amtszeit als Generalsekretär antreten und sich damit über bisher respektierte Altersbegrenzungen hinwegsetzen.

Die Delegierten sprachen sich für die Aufnahme mehrerer theoretischer Konzepte in die Verfassung auf. Darunter sind die «Zwei Etablierungen» (Liang ge queli), mit denen die Machtposition von Xi Jinping als Kern der Partei und die «Ideen Xi Jinpings für den Sozialismus chinesischer Prägung in einer neuen Ära» als Leitlinie festgeschrieben werden. Auch sollen die «Vier Bewusstseinsbereiche» (Si ge yishi) ergänzt werden. Sie fordern Loyalität, politische Integrität, die Unterstützung der Führung und ein Einhalten der Parteilinie.

Xi Jinping hat «grosse Ambitionen» für China

Pflichtprogramm werden auch die «Vier Selbstvertrauen» (Si ge zixin), die sich auf den Kurs der Partei, die Parteitheorien, den Sozialismus chinesischer Prägung und die chinesische Kultur beziehen. Schliesslich wurde auch die Forderung der «Zwei Erhaltungen» (Liang ge weihu) ergänzt, die die Schlüsselposition von Xi Jinping und die Autorität und zentralistische, einheitliche Führung der Partei betreffen.

Xi Jinping nimmt an der Abschlusszeremonie des 20. Nationalkongresses der regierenden Kommunistischen Partei teil. Foto: Ng Han Guan/AP/dpa
Xi Jinping nimmt an der Abschlusszeremonie des 20. Nationalkongresses der regierenden Kommunistischen Partei teil. Foto: Ng Han Guan/AP/dpa
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«Die wichtigste politische Neuerung dieses Parteitags ist nicht auf dem Papier zu finden: Anstatt nach zwei Amtszeiten als Generalsekretär für einen jüngeren Nachfolger Platz zu machen, stellt sich Xi Jinping als sein eigener Nachfolger auf», sagte Katja Drinhausen vom China-Institut Merics in Berlin. In seinem ersten Jahrzehnt im Amt habe Xi Jinping «grosse Ambitionen» für China und die Kommunistische Partei formuliert. «Er hat diese nun untermauert und den Weg dafür bereitet, sie Wirklichkeit werden zu lassen.»

Dritte Amtszeit wird die bisher schwerste

Das neu besetzte Zentralkomitee soll am Sonntag zu seiner ersten Plenarsitzung zusammenkommen, um die Umbildung des Politbüros und seines mächtigen Ständigen Ausschusses zu bestätigen. Dabei soll Xi Jinping als Generalsekretär und Chef der Militärkommission für eine ungewöhnliche dritte Amtszeit bestätigt werden. «Er könnte feststellen, dass seine dritte Amtszeit an der Macht die bisher schwerste ist», sagte Richard McGregor vom australischen Lowy-Institut. Ein potenzieller Nachfolger werde nicht aufgebaut.

Doch habe Xi Jinping diese Institutionalisierung abgeschafft und ein personalisiertes System geschaffen, indem ihm kein anderer zu nahe kommen könne, stellte der bekannte US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama in «The Atlantic» fest. «Die Konzentration der Autorität durch eine Person hat zu schlechten Entscheidungsprozessen geführt.» Er nannte unter anderem Xi Jinpings misslungene Interventionen in der Wirtschaft und im Tech-Sektor sowie dessen Festhalten an der strikten Null-Covid-Strategie, die mit Lockdowns zu einer schweren Belastung für die Wirtschaft geworden ist.