Berlin Parzinger: Auch ohne Unrechtskontext Objekte zurückgeben

SDA

6.1.2021 - 10:21

ARCHIV - Hermann Parzinger, Präsident Stiftung Preußischer Kulturbesitz, steht im Foyer der Villa von der Heydt. Foto: Fabian Sommer/dpa
ARCHIV - Hermann Parzinger, Präsident Stiftung Preußischer Kulturbesitz, steht im Foyer der Villa von der Heydt. Foto: Fabian Sommer/dpa
Keystone

Der Präsident der Stiftung Preussischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, zeigt sich offen für die Rückgabe von Kunststücken aus Kolonialzeiten.

«Auch wenn Objekte nicht in einem Unrechtskontext stehen, sagen wir: Wenn sie für die Kultur, für das Land ganz besonders wichtig sind, dann kann man auch darüber reden, dass man so etwas zurückkehren lässt», sagte er der dpa in Berlin.

Das gerade digital eröffnete Humboldt Forum bietet aus seiner Sicht neue Gelegenheit für die Debatte. «Wir wollen uns mit unserer Geschichte einschliesslich der Kolonialzeit und der Entstehung der Sammlungen hier in der Mitte der deutschen Hauptstadt auseinandersetzen», sagte Parzinger.

«Das neue Haus mit den drei historischen Fassaden provoziert ja gerade dazu.» Das 677 Millionen Euro teure Zentrum für Kultur, Kunst und Wissenschaft nutzen zwei Museen der Stiftung, das Land Berlin und die Humboldt-Universität.

Gezeigt werden künftig Exponate aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien sowie Objekte zur Geschichte Berlins. Das rund 40 000 Quadratmeter umfassende Gebäude steckt hinter der viel kritisierten rekonstruierten Fassade des Hohenzollernschlosses.

«Die Museen gehen sehr intensiv und aktiv mit dem Thema der kolonialen Vergangenheit ihrer Sammlungen um», sagte Parzinger.

«Wir haben viele internationale Kooperationen, dazu ein grosses Digitalisierungsprojekt, bei dem sämtliche Erwerbungsakten des Ethnologischen Museums vom 19. Jahrhundert bis nach dem Zweiten Weltkrieg digitalisiert und online bereitgestellt werden.»

Für den Umzug seien alle Objekte digitalisiert und Informationen öffentlich gemacht worden. «Das Ziel ist, die gesamten Bestände zu erfassen, auch das, was im Depot bleibt.» Die Arbeit werde sich noch einige Jahre hinziehen. «Aber das muss geleistet werden.»

Parzinger verwies auf bestehende Zusammenarbeit.

«Wir haben verschiedene Kooperationsprojekte etwa mit Tansania oder mit Namibia. Kuratoren und Forscher aus Namibia waren hier, haben aus dem Bestand Objekte ausgewählt und sie nach Windhuk mitgenommen, damit noch mehr Menschen dort mit diesen Objekten arbeiten können. Am Ende setzen wir uns zusammen und entscheiden: Was bleibt in Namibia, was geht nach Deutschland zurück.»

Umstritten ist etwa die Präsentation so genannter Benin-Bronzen. Das Ethnologische Museum verfügt über rund 530 historische Objekte aus dem Königreich Benin, darunter etwa 440 Bronzen, die weitgehend als Objekte aus Unrechtskontexten kolonialer Zeiten gelten.

«Benin ist ein wichtiges Thema, das besprechen wir im Rahmen der Benin-Dialog-Gruppe gemeinsam mit anderen Museen, die Benin-Bronzen in ihren Sammlungen haben, und mit unseren Partnern in Nigeria und Benin-City selbst», sagte Parzinger.

In Benin-City solle ein Museum errichtet werden. «Wir unterstützen das, etwa durch Leihgaben. Aber es muss auch zu Rückgaben kommen, da bin ich ganz sicher. Das muss auf Grundlage eines Dialogs geschehen, bei dem gemeinsam überlegt wird, welche Dinge sollten zurückkehren, welche hierbleiben. Das ist, glaube ich, der richtige Weg.»

Aus Parzingers Sicht hat es die Stiftung versäumt, erste Konzepte für kritische Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und Folgen für die Sammelpraxis deutlicher nach aussen zu tragen.

«Dadurch entstand der Eindruck, die Museumsleute wollten sich diesem Thema gar nicht stellen. Das hat Kritikern natürlich in die Hände gespielt.»

Zurück zur Startseite