Late Night USA Galoppierender Wahnsinn: Trumps Vize und die Fabel vom Pferdebiss

Von Philipp Dahm

17.9.2019

Jimmy Kimmel freut sich über Donald Trumps Tweet.
Jimmy Kimmel freut sich über Donald Trumps Tweet.
Screenshot: YouTube

Der Nahe Osten brennt und Donald Trump hat nichts Besseres zu tun, als Öl ins Feuer zu giessen. Dass sein Vizepräsident Mike Pence derweil vom wilden Gaul gebissen wird, macht den Irrsinn in Washington perfekt. 

Jimmy Kimmel Live

Jemenitische Huthi-Rebellen greifen Ölanlagen in Saudi-Arabien an. Und was macht Donald Trump? Der US-Präsident twittert: «Jede Menge Öl!» «Entweder geht es um den Nahen Osten», sagt Late-Night-Comedian Jimmy Kimmel dazu, «oder um das Haar eines seiner Söhne», die stets gelackt daherkommen. «Man weiss es nicht.»

Es ist nicht der einzige Tweet, den Trump zu jener Zeit abgesetzt hat: Der Präsident hat auch Medienberichte dementiert, nach denen er bereit sei, sich ohne Vorbedingungen mit dem iranischen Präsidenten zu treffen.

Das hätten die «Fake News» falsch dargestellt – «wie immer», schreibt der New Yorker. «Wie kommen die nur auf solche Ideen?», fragt der Gastgeber von «Jimmy Kimmel Live» – und zeigt ab Minute 0:42, wie nicht nur Trumps Kabinettsmitglieder, sondern auch der Präsident selbst genau das sagen: Er wolle ohne irgendwelche Vorbedingungen Vertreter des Iran treffen.

Fake News? Nein, eher ein hausgemachtes Problem!
Fake News? Nein, eher ein hausgemachtes Problem!
Screenshot: YouTube

Leidet der starke Mann im Weissen Haus womöglich an Demenz? Immerhin ist er mit 73 Jahren auch schon im fortgeschrittenen Alter. Die demokratischen Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders und Joe Biden, 78 und 76 Jahre alt, hätten diesbezüglich bereits angekündigt, in Kürze ihre medizinischen Akten zu veröffentlichen.

«Natürlich haben sie das», meint Kimmel. «Haben Sie schon mal einen Mann in seinen Siebzigern getroffen, der Ihnen nicht en détail von seiner Krankengeschichte erzählen will? Mein Vater hat jemanden in die Ecke getrieben und tut das jetzt gerade!» Bernie Sanders habe gerade erst drei Wahlkampftermine wegen Heiserkeit sausen lassen müssen. «Dabei ist Heiserkeit sein Markenzeichen. Das ist, als würde Adele ein Konzert absagen, weil sie traurig ist.»

Dann macht Kimmel einen Abstecher in die Wissenschaft: Forscher des MIT haben das schwärzeste Schwarz aller Zeiten hergestellt, das 99,9 Prozent des Lichtes verschlucke. «Man weiss, dass es das schwärzeste Schwarz ist, weil es auf dem Weg zur Kunstausstellung 14 Mal von der Polizei angehalten worden ist», witzelt der 51-Jährige mit Blick auf rassistische Ordnungshüter in den USA.

Ab Minute 3:33 sehen wir noch einen Ausschnitt mit Mike Pence, der sich verbittet, dass Joe Biden sich gerade als noch immer amtierenden Vizepräsidenten bezeichnet hat. «ICH bin der Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika», bekräftigt Pence trocken-humorlos, bevor er erzählt, wie er in Kentucky mit einem Rennpferd posierte.

«American Pharoah biss mich so heftig in den Arm, dass ich beinahe bewusstlos geworden wäre», tönt der Republikaner. Aber: «Ich habe die Zähne zusammengebissen und gelächelt. Wisst ihr, warum? Bei unserer Arbeit wird man vielleicht manchmal gebissen, aber man macht trotzdem weiter!» Kimmels Kommentar: «Das war ja fast menschlich.»

Late Night with Seth Meyers

Auch Seth Meyers thematisiert Pences Pferdefabel und scherzt, American Pharoah habe durch den Biss bei den Vorwahlen der Demokraten nun die berühmte Nasenlänge vorn, bevor er sich Joe Biden vorknöpft. Der wurde bei der TV-Debatte seiner Partei am Donnerstag nach Rassenproblemen in den USA befragt.

American Pharoah lässt Joe Biden und Bernie Sanders alt aussehen.
American Pharoah lässt Joe Biden und Bernie Sanders alt aussehen.

Ab Minute 2:30 sagt Biden, gegen die «institutionalisierte Teilung» in seinem Land helfe nur Bildung. Das Budget von Problemschulen müsse erhöht und die Position der Lehrer und Sozialarbeiter gestärkt werden. Teilweise stammelt der Mann aus Pennsylvania, dann sagt er: «Lasst das Radio laufen. Stellt sicher, dass der Fernseher … Entschuldigung: Stellt sicher, dass ihr das Aufnahmegerät oder das Telefon nachts laufen lasst … Stellt sicher, dass die Kinder Wörter hören.»

Joe Biden: Erst denken, dann reden.
Joe Biden: Erst denken, dann reden.

«Worüber redest du?», fragt Meyers in seiner «Late Night»-Show. «Dein Ansatz, wie du mit dem Vermächtnis der Sklaverei umgehen willst, ist, dass Eltern sicherstellen sollen, dass nachts das Aufnahmegerät läuft?»

Aber wichtiger sei, dass Mike Pence vom wilden Pferd gebissen worden sei – sofern die Story stimme. «Denn wir haben immer, immer, immer wieder erfahren müssen, dass bei dieser Administration keinem Detail getraut werden kann. Nicht einmal dem kleinsten, belanglosen Pferde-Detail.»

Mike Pence: aufs falsche Pferd gesetzt.
Mike Pence: aufs falsche Pferd gesetzt.

Der Halter des Rennpferds hat die Fabel nämlich dementiert. «Wenn er jemanden übel gebissen hätte, wüsste ich davon», diktierte er der «Washington Post» in den Notizblock. Meyers lässt ein Bild von Trump und Pence einblenden: «Die lügen bei allem, und Sie müssen sich fragen: Wenn die schon wegen so etwas Dummen wie einer Wettervorhersage oder einer Begegnung mit einem Pferd flunkern, wobei lügen sie dann noch?»

Meyers vs. Team Trump.
Meyers vs. Team Trump.

Ab Minute 4:50 untermauert Meyers seine These mit dem Trump-Tweet zum Iran und Mitschnitten, die belegen, dass der Präsident selbst beteuert, er sei bereit, iranische Diplomaten ohne Vorbedingungen zu treffen. Der Moderator regt sich auch über das «wie immer» auf, mit dem Trumps Behauptung endet, die «Fake News» würden bloss Bockmist erzählen.

Das töne, als würde sich eine Frau in einer Sitcom über ihren dümmlichen Gatten beschweren. Nach dem Motto: «Kevin schaut mal wieder mit seinen Kumpels Fussball, und ich muss hier die Kinder durchs Haus jagen und Essen machen – wie immer …» Dazu zieht Meyers dieses Gesicht – sehr lustig!

«Wie immer!»
«Wie immer!»

Dann zeigt er, wie Finanz- und Aussenminister der Presse erklären, ihr Boss wäre bereit, die Iraner ohne Vorbedingungen zu treffen. Meyers: «Oh mein Gott, die Fake News kommen aus dem Weissen Haus selbst!» Und dann zieht er wieder diese urkomische Grimasse: «Wie immer!»

«Wie immer!»
«Wie immer!»

Der Grund dafür, dass Trump mal reden oder mal Krieg führen will, sei denkbar einfach, fährt der frühere Chefautor von «Saturday Night Life» fort. «Er hat keine Haltung und er weiss nicht, was er will.» Deshalb nehme Trump auch den Befehl des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman entgegen, falls sich jener dafür entscheiden sollte, dass man Teheran angreifen müsse.

Warum das Weisse Haus den Saudis derart hörig ist, zeigt die Show ab Minute 7:55: Da freut sich Trump im Beisein des Kronprinzen wie ein Honigkuchenpferd darüber, dass Riad Waffen im Wert von Milliarden von Dollar kauft.

Meyers rekapituliert: «Überlegen Sie sich mal, wie verrückt das ist: Der Präsident der Vereinigten Staaten, also der Typ, der während des ganzen Wahlkampfs gelogen hat, er wolle sich aus dem Nahen Osten raushalten und zuerst an Amerika denken, hat gerade auf Twitter dem Iran mit Krieg gedroht und wartet nun drauf, dass Saudi-Arabien ihm sagt, was er tun soll.» Nicht zuletzt liege im Dunkeln, inwiefern Trump auch persönlich von seiner arabischen Connection profitiere.

«Deshalb kann man nichts, was Trump und seine Gehilfen sagen, für bare Münze nehmen. Sie lügen wegen kleiner Dinge wie einem Pferd bis zu grossen Dingen wie Krieg. Sie widersprechen sich selbst und den anderen permanent und wir haben keine Ahnung, was ihre versteckten finanziellen Interessen sind. Sie lügen und bereichern sich, während wir versuchen, sie dafür verantwortlich zu machen.»

Meyers zieht zum letzten Mal seine Grimasse. «Wie immer!»

«Wie immer!»
«Wie immer!»
Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

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