Nord Stream 2 Polen, Litauen und Ukraine gegen deutsch-amerikanische Einigung

SDA

22.7.2021 - 21:02

Rohre für den Bau der Erdgaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland im Hafen Mukran auf der Insel Rügen.
Rohre für den Bau der Erdgaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland im Hafen Mukran auf der Insel Rügen.
Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa

Die Gaspipeline Nord Stream 2 belastet das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA seit Jahren. Nun ist beiden Seiten eine Einigung in dem Streit gelungen. In deren Zentrum steht Beistand für die Ukraine – nicht nur dort ist man alles andere als glücklich.

Keystone-SDA, SDA

In der Ukraine und Polen ist die Einigung zwischen den USA und Deutschland im Konflikt um die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 auf viel Kritik gestossen. Die beiden Länder warnten in einer gemeinsamen Mitteilung ihrer Aussenministerien, die Vereinbarung habe eine «politische, militärische und energietechnische Bedrohung für die Ukraine und Mitteleuropa geschaffen».

Zugleich erhöhe sie das Potenzial, dass Russland die Sicherheitslage in Europa weiter destabilisiere. Die bisherigen Vorschläge reichten nicht, «um die Bedrohungen durch Nord Stream 2 wirksam einzudämmen».

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki rügte, die 180-Grad-Wende der USA bei dem Thema habe viele Länder erstaunt. Polen habe sich bemüht, andere Länder zu überzeugen, dass dieses Projekt Russland bei seiner Aufrüstung helfe, sagte Morawiecki weiter.

Kritik an der deutsch-amerikanischen Einigung kam am Donnerstag auch aus Litauen. Aussenminister Gabrielius Landsbergis bezeichnete sie als Fehler, «der uns teuer zu stehen kommen» wird.

Durchbruch nach jahrelangem Streit

Im jahrelangen Streit um die deutsch-russische Ostseepipeline hatten Berlin und Washington am Mittwoch einen Durchbruch verkündet. Beide Länder veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, in der der Ukraine Unterstützung zugesagt wird.

Die beinahe fertiggestellte Ostsee-Pipeline soll russisches Gas nach Deutschland bringen – unter Umgehung der Ukraine, die auf die Einnahmen aus dem Gas-Transit angewiesen ist. Die USA hatten Nord Stream 2 jahrelang massiv kritisiert und sind weiterhin gegen das Projekt, wollen nun aber auf weitere Sanktionen verzichten.



Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Einigung mit der US-Regierung als guten Schritt. Sie überwinde aber nicht alle Differenzen, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. Es sei der Versuch, zwischen den USA und Deutschland bestimmte Konditionen festzulegen, die auch umgesetzt werden müssten.

Es sei ganz wichtig, dass die Ukraine ein Gas-Transitland bleibe, und dass Energie nicht dazu benutzt werden könne, dass die Ukraine in eine schwierige Situation komme.

Merkel verwies auf die Möglichkeiten von Sanktionen, sollte Russland Energie als «Waffe» einsetzen. In der gemeinsamen Erklärung mit den USA wird Russland auch davor gewarnt, weitere aggressive Handlungen gegen die Ukraine zu begehen. Andernfalls werde Deutschland auf nationaler Ebene handeln und in der Europäischen Union auf effektive Massnahmen einschliesslich Sanktionen drängen.

Ziel wäre es dann demnach, die russischen Kapazitäten für Exporte nach Europa im Energiesektor, auch bei Gas, zu beschränken – beziehungsweise effektive Massnahmen auf anderen wirtschaftlich relevanten Gebieten.

Ukraine als Verliererin

Deutschland verpflichtet sich in der Erklärung mit den USA dazu, alle Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um eine Verlängerung des 2024 auslaufenden Gastransitabkommens der Ukraine mit Russland um bis zu zehn Jahre zu ermöglichen. Dafür soll ein Sondergesandter ernannt werden. Die Verhandlungen sollen so bald wie möglich beginnen. Die Vereinigten Staaten wollen diese Bemühungen uneingeschränkt unterstützen.

Der Ukraine droht der Verlust ihrer traditionellen Rolle als Haupttransitland für russisches Erdgas nach Europa. Noch bis Ende 2024 verdient die finanziell klamme Ex-Sowjetrepublik jährlich umgerechnet über eine Milliarde Euro am Transit.

Russland zu Verhandlungen bereit

Russland bekräftigte die Bereitschaft zu Verhandlungen über einen Gastransit durch die Ukraine über das Jahr 2024 hinaus. Präsident Wladimir Putin habe immer wieder gesagt, dass Russland je nach wirtschaftlicher Notwendigkeit bereit sei, über eine Verlängerung des Vertrags zu sprechen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Er wies Vorwürfe zurück, die Energiegrossmacht könne ihre Gasressourcen als politische Waffe nutzen.

Russland habe «niemals seine Energieressourcen als Instrument politischen Drucks» benutzt. «Russland war und bleibt immer ein verantwortlicher Garant der Energiesicherheit auf dem europäischen Kontinent», sagte er.

Der Durchbruch bei dem grössten Konfliktpunkt soll auch helfen, den angestrebten Neustart in den deutsch-amerikanischen Beziehungen zu erleichtern, nach schwierigen Jahren unter dem früheren US-Präsidenten Donald Trump.

Die Einigung dürfte aber im US-Kongress auf starken Widerstand stossen. In den USA gibt es seit Jahren parteiübergreifend Widerstand gegen Nord Stream 2. Kritiker sehen in der Pipeline ein geopolitisches Projekt Russlands, das die Energiesicherheit Europas gefährde.