Razzien, Rassismus, Rhetorik Präsident sucht Sündenbock: Trumps gefährliche Wahlkampfstrategie

Philipp Dahm

15.7.2019

Donald Trump umarmt 2016 die Flagge der vereinigten Staaten: Was ist amerikanisch, was nicht? 
Donald Trump umarmt 2016 die Flagge der vereinigten Staaten: Was ist amerikanisch, was nicht? 
Bild: Keystone

Rassismus-Rhetorik und Razzien gegen «Illegale»: Donald Trumps Trümpfe im Poker um seine Wiederwahl liegen auf dem Tisch. Den Migrations-Joker zu ziehen, ist ein wohl überlegtes Spiel mit dem Feuer.

Donald Trump sorgt auf Twitter erneut für einen Eklat. Trotz grenzwertiger Bemerkungen hält sich der Aufschrei noch in Grenzen – mal abgesehen von obligatorischer Kritik liberaler Medien und der betroffenen Politikerinnen.

Donald Trump kann es sich offenbar leisten, anderen gegenüber öffentlich rassistisch zu sein. In den bisherigen drei Jahren seiner Präsidentschaft sorgte er regelmässig für Skandale – mit Folgen: Eklat ist der neue politische Alltag. Beim Sender «Fox» sorgt Trumps neuester Twitter-Auzsfall gar für Gelächter.

Doch die jüngste Twitter-Entgleisung, in der Trump Alexandria Ocasio-Cortez, Ilhan Omar, Rashida Tlaib und Ayanna Pressley abspricht, «echte» Amerikanerinnen zu sein, ist mehr als bloss eine weitere Online-Verrücktheit: Sie ist Wahl- wie Wahlkampfversprechen. Oder -drohung.

Schwiegersohn Jared Kushner antwortet auf die Frage, ob Donalkd Trump rassistisch sei.

Der neue Sündenbock

Woher der neue Wind weht, lässt sich zur gleichen Zeit auf administrativer Ebene beobachten. Die Meldung erscheint lapidar: Am Wochenende gibt es doch nicht jene angekündigten Razzien gegen illegale Einwanderer – statt in zehn Städten im ganzen Land kommt es nur in New York zu einigen, wenigen Einsätzen.

Zuvor wird noch kolportiert, 2'000 ausreisepflichtige Familien seien das erklärte Ziel dieser grossangelegten Aktion. Ein Vorgang,  bei dem eine Bundesbehörde einem US-Bürgermeister in die Parade fahren kann, der auf eine liberale Migrantenpolitik baut.

Auf den Kampf gegen illegalen Einwanderer zu setzen, muss das nächste logische Ziel in Trumps Stratgie sein, die von Abgrenzung zum vermeintlich gemeinsamen Gegner lebt. Vor seinem Wahlsieg 2016 war es das politische Establishment in Washington, das er bekämpfte, dann machte Trump Karawane um Karawane aus, die von Südamerika her unaufhaltsam und unaufhörlich gen das gelobte Land marschierte.

Schema F: Erst an der Grenze, dann im Inneren

Obwohl die angedrohten Horden ausbleiben, ruft Trump nonchalant eine Grenzkrise aus, die anfangs noch als Rechtfertigung für seinen Mauerbau belächelt – und dann Realität wird. Als der 73-Jährige die Krise herbeiredet, aber am Rio Grande noch keine prekären Zustände herrschen, wiederholt seine PR-Maschine immer wieder Schauermärchen aus Polizeiberichten.

Migranten im November an der US-Grenze:

Darin schlagen diese illegale Einwanderer, sie morden oder vergewaltigen – weil die Demokraten seine Mauer nicht bewilligen. Dann dreht seine Administration an den finanziellen und bürokratischen Stellschrauben, um Tatsachen zu schaffen. Die Ankündigung des Weissen Hauses, in Einwanderungsfragen eine härtere Gangart einzulegen, hat zusammen mit Kürzungen bei Entwicklungshilfe und Grenzwacht-Etats das beklagte Krisenszenario erst entfacht.

Und so besorgt es Bilder wie jenes eines Familienvaters, der mit seiner Tochter im Rio Grande ertrinkt. Das schockierende Foto mag Trumps Kritiker aufheulen lassen, aber seine Anhänger bestärkt es: Gegen den fremden Andrang der armen Teufel muss etwas getan werden.

Nur die Unsicherheit ist sicher

Ursache, Wirkung und Verantwortung verkommen zur Nebensache, weil Trump den Takt diktiert, umschwenkt und aufs neue Ziel schiesst, bevor sich ein wie auch immer gearteter politischer Diskurs entfalten kann. Seit Trumps Wahlsieg 2016 ist bei Freund und Feind wohl nur das unbestritten: Sicher ist bei diesem Amtsinhaber nur die Unsicherheit.

Trumps beschwört die Stärke der USA:

Er umgarnt Nordkorea und denkt an ein Ende des Japan-Bündnisses, er ist ein Freund von Putin und verachtet die NATO, er düpiert den traditionellen Verbündeten im Vereinigten Königreich diplomatisch und lobt Ungarns populistischen Präsidenten. Er sucht den Gegensatz, um ein Wir-Gefühl zu schaffen. Feindbilder helfen, von anderen Konfliktursachen abzulenken und die Reihen zu schliessen. Das Beispiel im allerjüngsten Tweet: «Sie sind gegen Amerika.»

Nur schon der Versuch des Einbaus einer Herkunftsfrage bei der US-Volkszählung muss im Sinne eines grösseren Plans gesehen werden, ethnische Unterschiede zu manifestieren – wie auch die Abschaffung der automatischen Staatsbürgerschaft für in den USA geborene Babys. Hinzu kommt: Illegale Einwanderer politisch und medial zu dämonisieren, ist relativ einfach. Wer sozial schlecht dasteht läuft eher Gefahr, kriminell zu werden. 

Dabei hat auch Trump Vorfahren, die einst aus Deutschland in die USA eingewanndert sind. Auch sind zwei seiner drei Ehefrauen nicht in den USA zur Welt gekommen. Aber wen kümmern schon Details?

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