Madrid
Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hat die von der spanischen Zentralregierung beschlossenen Massnahmen zur Beendigung der Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens als "Putsch" bezeichnet. Es sei ein "inakzeptabler Angriff auf die Demokratie".
Es sei die "schlimmste Attacke" gegen Katalonien seit der Diktatur von Francisco Franco (1939-1975), sagte Puigdemont in einer Fernsehansprache am Samstagabend in Barcelona.
"Die Absetzung einer demokratisch gewählten Regierung ist mit einem Rechtsstaat unvereinbar." Man werde aber "weiter kämpfen", beteuerte der Katalane ohne Bekanntgabe von Massnahmen. Er will aber eine Sitzung des Regionalparlaments einberufen, um "eine Antwort" an die Regierung in Madrid zu erarbeiten.
Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte am Samstag erklärt, das Kabinett in Barcelona werde entlassen. Binnen sechs Monaten werde eine Neuwahl angesetzt.
Rajoys Kabinett beschloss in einer Sondersitzung die Übernahme der Regierungsgewalt in Barcelona. Dafür werde Artikel 155 der Verfassung aktiviert, erklärte der Ministerpräsident. Damit übernimmt die Zentralregierung die vollständige Kontrolle über die Polizei, Finanzen und öffentlich-rechtlichen Medien Kataloniens.
Auch die Befugnisse des Parlaments werden beschnitten. Der Senat, das Oberhaus des spanischen Parlaments, muss den Massnahmen aber noch zustimmen. Sein Votum wird am kommenden Freitag erwartet.
Normale Wahlen
"Unser Ziel ist es, Recht wiederherzustellen und ein normales Zusammenleben der Bürger zu ermöglichen", sagte Rajoy. Auch gelte es, Wahlen "in normalen Verhältnissen" abzuhalten.
Am 1. Oktober hatten sich rund 90 Prozent der Katalanen in einem Referendum für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Die spanische Verfassung lässt dies aber nicht zu. Die Abstimmung war im Vorfeld für illegal erklärt worden, die Polizei ging mit harter Hand gegen Wähler vor. Die Beteiligung lag nur bei 43 Prozent, viele Gegner einer Loslösung von Spanien blieben zu Hause.
Katalonien ist eine wohlhabende Region, in der mit Katalanisch eine eigene Sprache gesprochen und ein Fünftel der spanischen Wirtschaftsleistung erzielt wird. Die Befürworter der Unabhängigkeit argumentieren, dass es der Region ohne Transferzahlungen an ärmere Gebiete Spaniens noch besserginge. Die Regierung in Madrid warnt hingegen, dass eine Abspaltung in Katalonien eine Rezession auslösen könne.
Unternehmen sollen bleiben
Rajoy sagte, die jüngsten Statistiken zur katalanischen Wirtschaft seien besorgniserregend. Die Wirtschaftskraft könne bei einer Unabhängigkeit um bis zu 30 Prozent sinken. Er forderte Unternehmen auf, in der Region zu bleiben. Seit dem Referendum haben Hunderte Unternehmen ihren Firmensitz aus Katalonien abgezogen. Sie befürchten, sich nach einer Unabhängigkeit ausserhalb der Europäischen Union wiederzufinden.
Der Ministerpräsident erklärte, seine Regierung habe eine Übernahme der Regierungsgewalt in Barcelona nicht gewollt. Sie sehe sich aber dazu gezwungen. Die Separatisten um Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont hatten ein zweites Ultimatum der Zentralregierung verstreichen lassen. Darin war eine klare Antwort verlangt worden, ob sich die Region für unabhängig erklärt hat oder nicht.
450'000 an Kundgebung
Rund 450'000 Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung Kataloniens gingen am frühen Samstagabend in Barcelona auf die Strasse, um gegen die Zentralregierung in Madrid zu protestieren. Die Teilnehmerzahl wurde von der Polizei angegeben. Angeführt wurde der Protestzug von Carles Puigdemont.
Die Demonstranten protestierten gegen die Zwangsmassnahmen und trugen Plakate mit Aufschriften wie "Help Catalonia!" Sie forderten zudem die Freilassung von zwei führenden Aktivisten der separatistischen Bewegung, Jordi Sànchez und Jordi Cuixart. "Freiheit, Freiheit", skandierten die Menschen.
Zur Kundgebung hatte der separatistische Dachverband Taula per la Democracia aufgerufen, nachdem die Aktivisten am Montag in U-Haft genommen worden waren. Den Chefs der Organisationen Katalanische Nationalversammlung (ANC) und Omnium Cultural wird "aufrührerisches Verhalten" bei einer Kundgebung im September vorgeworfen.
Zurück zur Startseite