100 Tanker gekauft Putin will das Öl-Embargo mit einer Schrottflotte umschiffen

Andreas Fischer

5.12.2022

EU-Embargo für russisches Öl tritt in Kraft

EU-Embargo für russisches Öl tritt in Kraft

Im Konflikt mit Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine sind neue EU-Sanktionen in Kraft. Ab sofort gilt ein EU-Embargo für per Schiff transportiertes russisches Rohöl – ebenso wie ein Öl-Preisdeckel der G7- und der EU-Staaten sowie Au

05.12.2022

Russland hat in den vergangenen Monaten offenbar zahlreiche alte Öltanker gekauft. Mit den teilweise maroden Schiffen will der Kreml westliche Sanktionen umgehen.

Andreas Fischer

5.12.2022

Alles nicht so schlimm, heisst es offiziell aus dem Kreml. Die verschärften Öl-Sanktionen von EU und G7 würden Russland nicht treffen. Zumindest aber würde man sie nicht akzeptieren. Vorbereitet hat sich Wladimir Putin dennoch – und in den vergangenen Monaten eine Flotte aus alternden und bisweilen schrottreifen Tankern zusammengekauft, wie die «Financial Times» berichtet

Die Zeitung beruft sich auf Angaben des Schiffsmaklers Braemar und des Energieberatungsunternehmens Rystad. Demnach habe Russland mehr als 100 Schiffe durch direkte oder indirekte Käufe erworben. Ein Teil der Tanker komme aus Venezuela und dem Iran – zwei Länder, die ebenfalls von einem Öl-Embargo betroffen sind.

Die Schiffe seien zumeist anonym gekauft worden und in der Regel 12 bis 15 Jahre alt. Sie wären, so Anoop Singh, Leiter der Tankerforschung bei Braemar, in den nächsten Jahren verschrottet worden.

Sanktionen machen Russland erfinderisch

Mit dem Aufbau der «Schattenflotte», wie sie die Ölschifffahrtsbranche nennt, versucht Moskau, die neuen internationalen Beschränkungen für russisches Öl zu umgehen. Dazu gehören ein EU-Importverbot auf dem Seeweg und die globale Preisobergrenze für russisches Öl von 60 Dollar pro Barrel. Nach Angaben von Estlands Regierungschefin Kaja Kallas könnte jeder Dollar weniger pro Barrel (159 Liter) die russischen Einnahmen aus dem Ölverkauf um zwei Milliarden Dollar pro Jahr drücken.

Die Strafmassnahmen der EU und der G7 Moskau schneiden Moskau praktisch von der weltweiten Tankerflotte ab. Westliche Reedereien können mit ihren Schiffen nur dann noch russisches Öl in Länder wie Indien, China oder Ägypten transportieren, wenn es die Preisobergrenze nicht überschreitet.

Die Sanktionen gelten auch für andere wichtige Dienstleistungen wie Versicherungen, technische Hilfe sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste: Das heisst, wenn der Wert des Öls 60 Dollar pro Barrel übersteigt, dann wird die Ladung nicht mehr versichert. Die EU erklärte zudem, dass jeder Tanker, der nicht unter EU-Flagge fährt und gegen die Preisobergrenze verstösst, mit einem 90-tägigen Verbot für westliche Seeverkehrsdienste belegt wird.

Viele Tanker, nicht ganz billig

Putins Einkaufszettel für den Tankermarkt liest sich beeindruckend. Experten vermuten, dass Russland bis zu 29 Supertanker (Fassungsvermögen jeweils mehr als zwei Millionen Barrel), 31 Tanker der Grösse Suezmax (etwa eine Million Barrel) und 49 Aframax-Tanker (700’000 Barrel) gekauft hat.

Ganz billig war die Shoppingtour nicht: Laut «Wall Street Journal» sind die Preise für Gebraucht-Tanker im vergangenen halben Jahr um 37 Prozent gestiegen. Für ein 15 Jahre altes Modell werden schon mal 51 Millionen US-Dollar fällig.

Davon abgesehen, dass die Super-Tanker zu gross für russische Häfen sind und nur für den Transport von Schiff zu Schiff eingesetzt werden könnten: Trotz der Einkaufstour bleibt die russische Flotte zu klein, um die Folgen der Öl-Sanktionen von EU und G7 vollständig zu kompensieren. «Russland braucht mehr als 240 Tanker, um seine derzeitigen Exporte aufrechtzuerhalten», so Viktor Kurilov, Analyst bei Rystad.

Russlands Exporte sinken zwangsläufig

Erwartet wird, dass Russland länger Schwierigkeiten haben wird, sein Exportniveau zu halten. Craig Kennedy, ein Experte für russisches Öl am Davis Center in Harvard, sagt: «Man kann sich alle möglichen cleveren Pläne ausdenken, aber es gibt einfach so viel Öl zu transportieren, sodass es immer schwierig sein wird, in dem Umfang zu operieren, der notwendig ist, um die russischen Exporte ohne Preisobergrenzen aufrechtzuerhalten.»

Öl, das bisher innerhalb Europas verkauft wurde, wird an neue Abnehmer in Asien geliefert, so Craig. Dadurch werde jede Fahrt länger dauern. Wenn ab Februar 2023 das EU-Embargo auf russische raffinierte Kraftstoffe ausgedehnt wird, werde Russland noch mehr Tankschiffe benötigen.