Schweiz spürt Folgen Entscheidung zum Rahmenabkommen im Herbst

Von Barbara Stäbler, Keystone-SDA

25.8.2021 - 17:21

Bundespräsident Guy Parmelin hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende April gewarnt. Für die EU kam der Abbruch der Verhandlungen trotzdem überraschend. 
Bundespräsident Guy Parmelin hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende April gewarnt. Für die EU kam der Abbruch der Verhandlungen trotzdem überraschend. 
Bild: EPA/FRANCOIS WALSCHAERTS / POOL

Nach dem Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen vor drei Monaten will sich die EU-Kommission nun überlegen, wie es weitergeht.

Keystone-SDA, Von Barbara Stäbler, Keystone-SDA

Vor drei Monaten, am 26. Mai, hat der Bundesrat die Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen abgebrochen und damit die EU-Kommission überrascht. Diese will nun nach der Sommerpause bekannt geben, wie es weiter gehen soll. In der Beziehung Schweiz-EU hat der Verhandlungsabbruch bereits seine Spuren hinterlassen.

Im September nimmt das politische Leben in Brüssel nach einer gut einmonatigen Sommerpause wieder an Fahrt auf. Dann dürfte sich auch die EU-Kommission mit dem Thema Schweiz befassen.

Denn als der Bundesrat am 26. Mai den Abbruch der Verhandlungen mit der EU zum Rahmenabkommen bekannt gab, wurden die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten auf dem falschen Fuss erwischt.



Dem Vernehmen nach hatte man in Brüssel nicht mit diesem Entscheid gerechnet – trotz der warnenden Worte von Bundespräsident Guy Parmelin während seines Besuchs bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende April. Vielmehr ging Brüssel davon aus, dass das Treffen grosse Fortschritte bringen wird.

Diese Einschätzung dürfte auch mit dem Brexit zu tun haben. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte während den komplizierten Verhandlungen mit der EU mehrfach damit gedroht, ohne ein Abkommen aus der Union auszutreten. Gespräche zwischen ihm und von der Leyen konnten jeweils die stockenden Verhandlungen voranbringen – nicht so mit Bern.

Negative Reaktion erwartet

Die EU-Kommission reagierte auf den Abbruch der Verhandlungen: Man bleibe Partner und sei weiterhin an einer Lösung interessiert, doch bestehende Abkommen würden nicht mehr aktualisiert werden, hiess es.

Diese Reaktion war erwartet worden. Aussenminister Ignazio Cassis sagte damals, am 26. Mai, vor den Medien: «Dem Bundesrat ist es bewusst, dass ein Nichtzustandekommen dieses Abkommens auch mit Nachteilen verbunden sein wird.»

Ganz unmittelbar zu spüren bekamen dies die Medizintechnik-Unternehmen: Gleichentags verloren sie ihren privilegierten Zugang zum EU-Markt.



Die EU-Kommission wollte gar noch weiter gehen und bereits frühere, in der Schweiz zertifizierte Medtech-Produkte neu zertifizieren lassen. Der europäische Medtech-Verband «Medtech Europe» eilte jedoch den Schweizer Produzenten zu Hilfe und intervenierte bei der Brüsseler Behörde. Der definitive Entscheid steht noch aus.

Forschende definitiv nicht dabei

Auch für die Forschenden in der Schweiz hatte der Verhandlungsabbruch negative Folgen. Zwar war schon lange bekannt, dass die EU die Schweiz in eine «schlechtere» Assoziierungs-Kategorie beim neuen EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe» verbannt hatte. Theoretisch wäre jedoch eine Vollassoziierung wie bisher immer noch möglich gewesen.

Im Juni gab die EU-Forschungskommissarin Mariya Gabriel den Startschuss für das Forschungsprogramm. Dabei wurde jedoch auch bekannt, welche Staaten von einem Übergangsabkommen profitieren, da die Verhandlungen zur Assoziierung noch nicht fertig sind. Die Schweiz gehört nicht dazu.

Zudem machte die EU-Kommission die Forschenden in der Schweiz in einem Schreiben darauf aufmerksam, dass sie an eine Universität in der EU wechseln sollten, wollten sie voll von den Vorteilen des EU-Forschungsprogramms profitieren.

Schweiz als Gipfel-Thema

Die Schweiz spürte den Verhandlungsabbruch ausserdem bei der SwissCovid-App zur Nachverfolgung der Corona-Ansteckungsketten. Die EU verweigerte eine Verknüpfung der Systeme, so dass die Schweizer App im Ausland nichts nützt. Und auch die SBB wurden Opfer des Streits Schweiz-EU: Ihre Teilnahme am EU-Innovationsprogramm «Europe's Rail Joint Undertaking» wurde von Brüssel auf Eis gelegt.



Um die Situation zu entschärfen, möchte die Schweiz daher unter anderem mit der EU in einen politischen Dialog treten. Bei der EU-Kommission stiess dieses Ansinnen aber auf wenig Begeisterung.

Doch hier reden die EU-Staaten mit: So etwa hatte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz im Juni am EU-Gipfel die EU-Staats- und Regierungschefs aufgefordert, an einem ihrer nächsten Gipfeltreffen eine strategische Debatte zum Verhältnis EU-Schweiz zu führen. Der nächste Gipfel findet am 21. und 22. Oktober statt. Der Herbst dürfte also Klärung bringen.