Rasante Kehrtwende Weshalb die Taliban jetzt antike Buddhas schützen

AP/toko

28.3.2022 - 19:45

Soldaten der Taliban bewachen den Eingang des Mes-Aynak-Tals.
Soldaten der Taliban bewachen den Eingang des Mes-Aynak-Tals.
AP Photo/Shafiullah Zwak/Keystone

Während ihrer ersten Herrschaft in Afghanistan lösten die Taliban mit ihrer Zerstörung von Buddha-Statuen weltweit Empörung aus. Jetzt sind sie darauf bedacht, Buddhas an einer anderen antiken Stätte zu retten. Was steckt dahinter?

28.3.2022 - 19:45

Die antiken Buddha-Statuen sitzen in meditierender Pose in den Höhlen, die in die rostroten Felswände im ländlichen Afghanistan eingemeisselt wurden. Hunderte Meter unter ihnen liegt eine andere Art von Schatz: Kupfervorkommen, die als die grössten auf der Welt gelten. Afghanistans Taliban-Herrscher hoffen, dass China die reiche Ader in klingende Münze umsetzt und damit das schwer von internationalen Sanktionen getroffene Land rettet.

Taliban-Kämpfer, die jetzt die Felsen bewachen, hätten vielleicht einst erwogen, die Terrakotta-Buddhas zu zerstören. Vor zwei Jahrzehnten, als die islamischen Hardliner schon einmal in Afghanistan an der Macht waren, hatten sie mit dem Sprengen gigantischer Buddha-Statuen in einem anderen Landesteil weltweit Empörung ausgelöst. Die Buddhas seien Überbleibsel von Heidentum,  die vernichtet werden müssten, begründeten sie den Akt der Zerstörung.

Schlüssel zu Milliardeninvestitionen

Aber jetzt sind sie darauf bedacht, die Antiquitäten der Mes-Aynak-Kupfermine zu erhalten. Denn das ist der Schlüssel zu Milliardensummen an chinesischen Investitionen, wie Hakumullah Mubanis, der Taliban-Sicherheitschef vor Ort, sagt. «Sie zu schützen ist sehr wichtig für uns und die Chinesen.»

Die rasante Kehrtwende zeigt den grossen Stellenwert, den der Kupferabbau der Kupfermine für die Taliban hat. Regierungen in Folge haben die reichen Vorkommen im geschätzten Wert von umgerechnet mehr als 900 Milliarden Euro als Schlüssel für eine Zukunft in Wohlstand betrachtet, aber keine war angesichts des andauernden Krieges und der Gewalt im Land in der Lage, sie zu erschliessen.

Jetzt sind gleich mehrere Länder, so auch Russland, daran interessiert zu investieren, das Vakuum zu füllen, das durch den chaotischen US-Truppenabzug aus Afghanistan entstanden ist. Aber Peking hat anscheinend die besten Karten, könnte die erste grössere Macht werden, die im Taliban-kontrollierten Afghanistan ein grossangelegtes Projekt übernimmt – und damit potenziell Asiens geopolitische Landkarte neu gestaltet.

Bewaffnete Mitglieder der Taliban im Mes-Aynak-Tal, etwa 40 km südwestlich von Kabul: Das Tal ist das zweitgrösste unerschlossene Kupfervorkommen der Welt — der Wert wird auf fast 1 Billion Dollar geschätzt.
Bewaffnete Mitglieder der Taliban im Mes-Aynak-Tal, etwa 40 km südwestlich von Kabul: Das Tal ist das zweitgrösste unerschlossene Kupfervorkommen der Welt — der Wert wird auf fast 1 Billion Dollar geschätzt.
AP Photo/Shafiullah Zwak/Keystone

2008 hatte die damalige Regierung von Hamid Karsai einen 30-Jahre-Vertrag mit einem chinesischen Joint Venture namens MCC zum Abbau hochgradigen Kupfers in Mes Aynak abgeschlossen. Studien zufolge lagern dort bis zu zwölf Millionen Tonnen des Minerals. Aber das Projekt wurde durch logistische und vertragliche Probleme behindert, und es ging niemals über anfängliche Testschachte hinaus, bis es dann 2014 ganz zum Halt kam, als chinesische Mitarbeiter wegen der andauernden Gewalt abreisten. 

Statuen sollen verlegt werden

Nur wenige Monate nach der Machtübernahme der Taliban im vergangenen August ermunterte der neu eingesetzte Minister für Bergbau und Petroleum, Schabuddin Dilawar, seinen Stab, wieder Kontakte zu chinesischen Unternehmen in Sachen Mes Aynak aufzunehmen. Dilawar hat bereits zwei virtuelle Treffen mit MCC-Vertretern abgehalten und rief sie dazu auf, zur Mine zurückzukehren, unter den Vertragsbedingungen von 2008. Nun wird eine technische Arbeitsgruppe in den kommenden Wochen in Kabul erwartet, um noch verbliebene Hindernisse auszuräumen.

Der Transport der Statuen an einen anderen Ort ist ein Schlüssel. Aber MCC will auch neu über den Vertrag verhandeln. Insbesondere geht es ihm darum, Steuern zu verringern und die 2008 festgelegte Nutzungsgebührenrate von 19,5 Prozent – den Prozentsatz, der pro Tonne verkauften Kupfers an die Kabuler Regierung gehen soll – um fast die Hälfte zu senken. 

«Chinesische Firmen betrachten die Situation als ideal für sie. Es mangelt an internationalen Konkurrenten, und es gibt jede Menge Unterstützung von der Regierungsseite», sagt Siad Raschidi, der im Bergbau-Ministerium für auswärtige Beziehungen zuständig ist. Chinas Botschafter in Afghanistan bestätigte, dass Gespräche am Laufen seien, ohne Einzelheiten zu nennen.

Überreste einer 2000 Jahre alten buddhistischen Stadt

Der Erwerb seltener Minerale ist wichtig für Chinas Image als ein globales Zentrum des Fertigungssektors. Afghanistan könnte der Mes-Aynak-Vertrag jährlich umgerechnet 230 bis 275 Millionen Euro  einbringen, ein 17-prozentiger Zuwachs an Staatseinnahmen, plus 730 Millionen Euro an Gebühren über die Vertragsdauer verteilt, wie Regierungs- und Unternehmensvertreter sagen. Das ist ein bedeutender Betrag für ein Land mit verbreiteter Armut.

Aber da ist ein Haken. In Mes Aynak gibt es auch die Überreste einer 2000 Jahre alten buddhistischen Stadt. Afghanistans stürmische moderne Geschichte hat auch ihre Erkundung verhindert. Die Stätte wurde in den 1960er Jahren von französischen Geologen entdeckt, und Experten glauben, dass sie einst eine wichtige Station an der Seidenstrasse war.

Nach der sowjetischen Invasion in den späten 1970ern gruben Russen Tunnel entlang der Felsenhügel, um die Kupfermine zu erforschen. Später dienten sie dann der Terrororganisation Al-Kaida als Versteck. Viele Antiquitäten wurden im Laufe der Zeit geplündert, aber 2004 stiessen Archäologen bei Ausgrabungen auf die Überreste eines grossen Komplexes. Zur Überraschung vieler will Dilawar die Stätte retten. Kupfertagebau, der sie total vernichten würde, kommt für ihn nicht in Frage. Die Alternative, Untertagebau, wird von MCC für zu kostspielig gehalten.

Das Kulturministerium ist jetzt damit beauftragt, einen Plan für die Übersiedlung der Antiquitäten – wahrscheinlich ins Kabuler Museum – auszuarbeiten. Einige seien bereits in die Hauptstadt gebracht worden, sagte Dilawar der Nachrichtenagentur AP. Während das Ministerium optimistisch ist, dass ein Deal erreicht werden kann, sind MCC-Vertreter zurückhaltender.

Derweil stehen im Ministerium Investoren Schlange – Russen, Iraner, Türken und, natürlich, die Chinesen, klopfen in diesen Tagen an Raschidis Bürotür. Alle hätten es sehr eilig zu investieren, sagt er. Das chinesische Interesse nennt er «aussergewöhnlich». 

AP/toko