Demokrat überrascht alle Kann ein Sozialist die reichste Stadt der Welt regieren?

Petar Marjanović

28.10.2025

Zohran Mamdani hält letzte Wahlkampf-Rede

Zohran Mamdani hält letzte Wahlkampf-Rede

In New York steht eine Wahl mit Signalwirkung bevor: Der linke Shootingstar Zohran Mamdani könnte das politische Establishment der Stadt erschüttern. Die Nervosität in der Finanzwelt ist riesig.

27.10.2025

In New York steht eine Wahl mit Signalwirkung bevor: Der linke Shootingstar Zohran Mamdani könnte das politische Establishment der Stadt erschüttern. Die Nervosität in der Finanzwelt ist riesig.

Petar Marjanović

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In New York steht eine der spannendsten Bürgermeisterwahlen der letzten Jahre bevor: Der 34-jährige Linkspolitiker Zohran Mamdani fordert das demokratische Establishment heraus – und liegt in Umfragen klar vorne.
  • Er punktet mit radikalen sozialen Forderungen wie Mietpreisstopp, Gratis-Kinderbetreuung und kostenlosen Bussen – mitten im Herzen des Kapitalismus.
  • Sein Gegner, Ex-Gouverneur Andrew Cuomo, kämpft nach Skandalen und mit Millionen aus der Finanzwelt um ein politisches Comeback.

In einer Woche steht New York vor der wohl spannendsten Wahl seit Donald Trumps Rückkehr ins Weisse Haus. Rund fünf Millionen Stimmberechtigte sind aufgerufen, einen neuen Bürgermeister zu wählen.

Es dürfte ein Nervenspiel werden, weil es nicht bloss ein Duell zwischen einem Demokraten und einem Republikaner ist. Grund dafür ist der 34-jährige Newcomer Zohran Mamdani. Er sorgte im Sommer für eine Sensation, als er in der parteiinternen Ausmarchung den ehemaligen Gouverneur Andrew Cuomo besiegte.

Kaufkraft und Würde: Mamdanis zentrales Wahlversprechen

Mamdani überraschte mit einem dezidiert linken Programm – und das in der inoffiziellen Hauptstadt des Kapitalismus. Sein zentrales Thema: die Kaufkraft der arbeitenden Bevölkerung. In einer Stadt, in der Grossbanken wie JPMorgan Chase oder Goldman Sachs zu Hause sind und die Börsen NYSE und Nasdaq den Takt der Weltwirtschaft vorgeben, klagen immer mehr Menschen über explodierende Mieten und Lebensmittelpreise. Mamdanis Antwort: eine strikte Mietpreisbremse, kostenlose Busse und Gratis-Kinderbetreuung.

Zohran Mamdani hat vor rund einem Jahr seine Kandidatur bekanntgegeben – damals war er ein Unbekannter, heute kennt ihn ganz New York.
Zohran Mamdani hat vor rund einem Jahr seine Kandidatur bekanntgegeben – damals war er ein Unbekannter, heute kennt ihn ganz New York.
Bild: Keystone

Am Wochenende bekräftigte der junge Politiker seine Forderungen. Seine Kandidatur stelle er unter das Versprechen, die «Würde» zurückzubringen: «Kein New Yorker sollte aus finanziellen Gründen auf etwas verzichten müssen, das er zum Überleben braucht.» Sein Credo: «Die Aufgabe der Regierung ist es, Würde zu gewährleisten. Würde, meine Freunde, ist ein anderes Wort für Freiheit.»

Der eloquente Shootingstar trifft damit offenbar einen Nerv. Er mobilisiert nicht nur viele junge Menschen, sondern auch Wählerinnen und Wähler, die bei der letzten Präsidentschaftswahl noch dem autoritär auftretenden Republikaner Donald Trump ihre Stimme gegeben hatten.

Mamdani holte sich Unterstützung aus dem US-Kongress: Am Sonntag nahmen der Vermonter Senator Bernie Sanders und die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez an einer seiner Wahlkampfveranstaltungen teil .
Mamdani holte sich Unterstützung aus dem US-Kongress: Am Sonntag nahmen der Vermonter Senator Bernie Sanders und die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez an einer seiner Wahlkampfveranstaltungen teil .
Bild: Keystone

Innerhalb der Demokraten sorgt Mamdanis Aufstieg allerdings für Unruhe. Das Parteiestablishment – die mächtigen Funktionäre und Geldgeber – hatte gehofft, mit Andrew Cuomo in die Wahl zu ziehen. Doch Cuomos Strategie scheiterte: Er unterschätzte die Sorgen um die sinkende Kaufkraft – und er blieb nach den Skandalen um sexuelle Belästigung und Fehlverhalten während der Pandemie politisch angeschlagen.

Cuomo gab sich dennoch nicht geschlagen. Nach seiner Niederlage in der parteiinternen Ausmarchung trat er als Unabhängiger an – und die grossen Geldgeber halten weiter zu ihm. Laut offiziellen Spendenregistern sammelte Cuomo über 5,3 Millionen US-Dollar aus rund 10'000 Einzelspenden (Durchschnitt: 514 Dollar). Unter den Unterstützern finden sich zahlreiche Immobilieninvestoren sowie Angestellte von Schweizer Konzernen wie UBS und Novartis. Hinzu kommen über 25 Millionen Dollar aus dem Wahlkomitee «Fix the City», das von Hedgefonds-Managern finanziert wird.

Zum Vergleich: Mamdani erhielt mit rund 54'000 Spenden (Durchschnitt: 74 Dollar) knapp vier Millionen US-Dollar – auffällig ist, dass auch er einige Grossspenden anzieht.

Republikaner Curtis Sliwa überrascht

Den Umfragen zufolge dürfte aber nicht das Geld entscheiden: Mamdani liegt seit dem Sommer in allen Erhebungen klar vorne. Auch die jüngsten TV-Duelle änderten daran wenig. Cuomo konnte trotz riesigem Budget kaum überzeugen, während sich der dritte Kandidat, Curtis Sliwa von den Republikanern, überraschend stark präsentierte.

Sliwa zeigt sich bislang bodenständig und volksnah, was aber niemanden überrascht. Der 71-Jährige gründete vor über 40 Jahren die «Guardian Angels», eine Art Bürgerpatrouille, die in den 1980er-Jahren in kriminellen Stadtvierteln ohne Waffen für Ordnung sorgte. Seine Bewegung verbreitete sich rasch international, vor einigen Jahren gab es sogar in der Schweiz «Schutzengel».

Zwar ist Sliwa Republikaner, doch er grenzt sich klar von Trumps autoritärer Rhetorik ab. Er positioniert sich als bürgerliche, urbane Alternative – zwischen Mamdanis Linkskurs und Cuomos Nähe zu den Kapitalinteressen.

Der unabhängige Kandidat Andrew Cuomo und der Republikaner Curtis Sliwa 
Der unabhängige Kandidat Andrew Cuomo und der Republikaner Curtis Sliwa 
KEYSTONE

New York Wahl: Showdown am 4. November

Die Umfragen zeigen aber auch: Selbst wenn sich einer von Mamdanis Gegnern zurückziehen würde, hätten beide zusammen kaum Chancen, ihn einzuholen. Kein Wunder also, dass sich Mamdani am Wochenende siegessicher gab: «Wir werden über die Oligarchen triumphieren – und unserem Leben wieder Würde verleihen.» Cuomo hingegen gibt sich kämpferisch: «Wir werden diese Wahl gewinnen! Nicht nur für uns selbst, nicht nur für unsere Familien, sondern für unsere Stadt, unseren Staat und unser Land.»

Die Entscheidung fällt am Dienstag, 4. November. Die Wahllokale schliessen nach Schweizer Zeit in der Nacht auf Mittwoch um 3 Uhr.


Zohran Mamdani rechnet mit Andrew Cuomo ab – «Ich bin nicht Sie, Herr Cuomo»

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