Sondierungsgespräche gescheitert: Italien auf Regierungssuche – weiter mit Ex-EZB-Chef?

ap

3.2.2021 - 04:29

Mario Draghi am 2. Februar 2021 vor seinem Haus in Rom.
Mario Draghi am 2. Februar 2021 vor seinem Haus in Rom.
Bild: Keystone/EPA/Fabio Frustaci

Die italienische Regierungskoalition ist nicht mehr zu retten. Jetzt könnte ein Expertenkabinett unter dem früheren EZB-Chef Mario Draghi das Land vor einer weiteren Neuwahl bewahren. Ein Gespräch mit Staatspräsident Mattarella ist für den heutigen Mittwoch angesetzt.

In Italien zeichnet sich nach dem Ende der bisherigen Koalition die Bildung einer Expertenregierung ab, möglicherweise unter Führung des früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi. Staatspräsident Sergio Mattarella lud den 73-jährigen Draghi für Mittwochmittag zu sich in den Quirinalspalast, nachdem zuvor auch ein letzter Versuch gescheitert war, doch noch eine stabile Koalition zustandezubekommen.

Es gebe jetzt zwei Optionen für das Land, sagte Mattarella: eine neue Regierung, die die Krisen auf gesundheitlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene angehen könne, oder eine rasche vorgezogene Neuwahl. Einen Wahlkampf und einen erneuten Urnengang könne sich das Land aber jetzt schlecht leisten, sagte er. 2013 habe es nach den Wahlen vier Monate gedauert, bis es eine Regierung gegeben habe. 2018 waren es fünf Monate. Die Bürger wollten aber konkrete und schnelle Antworten. Conte ist derzeit noch geschäftsführend im Amt.

Matarella sprach sich für eine profilierte Regierung von Nicht-Politikern aus, die von einer breiten parlamentarischen Mehrheit unterstützt wird. Wen er mit der Bildung dieser Regierung beauftragen wird, liess Mattarella offen. Dass sein Sprecher kurz darauf das Treffen mit Draghi ankündigte, deutete darauf hin, dass er diesem dabei das Mandat zur Bildung dieses Kabinetts erteilen könnte. Der EZB-Chef von 2011 bis 2019 war schon in den vergangenen Wochen als möglicher Kandidat gehandelt worden.

Italien steckt in einer tiefen politischen Krise, seit der frühere Ministerpräsident Matteo Renzi die Regierungsmitglieder seiner kleinen Partei Italia Viva aus dem Kabinett zurückgezogen hatte, woraufhin Regierungschef Sergio Conte vergangene Woche seinen Rücktritt erklärte. Der Versuch, doch noch irgendwie eine Regierung aus den bisherigen Koalitionspartnern zustande zu bringen, endete, als Renzi die Gespräche am Dienstag für gescheitert erklärte. Er gab den anderen Parteien die Schuld dafür. Die grösste Regierungspartei, die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, sah das anders. Renzi habe nur mehr Kabinettsposten haben wollen, sagte Fünf-Sterne-Führer Vito Crimi. «Das war für ihn vordringlich.»

Streit um Nutzung eines EU-Corona-Wiederaufbaufonds

Seit Monaten streiten die Parteien um die Frage, wie rund 200 Milliarden Euro aus einem EU-Corona-Wiederaufbaufonds eingesetzt werden sollen. Das Geld soll Italien aus einer jahrelangen wirtschaftlichen Misere heraushelfen, die sich durch die Pandemie verschlimmert hat. Die Fünf-Sterne-Bewegung wollte im Gegensatz zu Renzi keine Milliardenkredite für das Gesundheitssystem aufnehmen aus Sorge, dass Italien dadurch von der EU etwa zu Sparmassnahmen gezwungen werden könnte.

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