Schutz von Schattenflotten-SchiffRussischer Kampfjet donnert plötzlich über EU-Gebiet
Sven Ziegler
16.5.2025
Zur Absicherung tauchte plötzlich ein Su-35-Jet auf.
KEYSTONE
Ein Tanker der russischen Schattenflotte ignoriert in der Ostsee Anweisungen der estnischen Marine. Kurz darauf taucht ein Su-35-Kampfjet auf – unangemeldet und ohne Funkkontakt. Für Estland ist klar: Der Vorfall war kein Zufall.
In der Ostsee ist es am Dienstagabend zu einer brisanten Konfrontation gekommen. Wie die estnische Regierung mitteilt, durchfuhr ein russischer Tanker namens Jaguar, bekannt als Teil der sogenannten Schattenflotte, die estnische Wirtschaftszone – ohne auf Kontaktversuche zu reagieren.
Das Schiff, das unter keiner offiziellen Flagge fährt, ist nach Einschätzung estnischer Behörden Teil des Netzwerks, mit dem Moskau trotz internationaler Sanktionen weiterhin Öl exportiert.
Als die estnische Marine das Schiff kontrollieren wollte, kam es zur Eskalation: Eine Su-35 der russischen Luftwaffe durchbrach den estnischen Luftraum über der Halbinsel Juminda – ohne Transpondersignal, ohne Genehmigung, ohne Funkkontakt mit der Flugsicherung. Tallinn geht davon aus, dass das Kampfflugzeug gezielt entsandt wurde, um die Jaguar vor einer möglichen Festsetzung zu schützen.
«Russland stellt nicht nur durch seinen Krieg in der Ukraine eine Bedrohung dar, sondern auch durch gezielte Einschüchterung im internationalen Luftraum», sagte Estlands Aussenminister Margus Tsahkna beim Nato-Aussenministertreffen in der Türkei.
Die Jaguar setzte ihren Kurs unbehelligt fort und verliess später estnische Gewässer Richtung Russland. Portugiesische F-16-Kampfjets, die im Rahmen der Nato-Mission den baltischen Luftraum sichern, starteten zur Aufklärung.
Zunehmend Spannungen in der Ostsee
Seit Beginn des Ukrainekriegs ist die Ostsee zunehmend zum Schauplatz hybrider Spannungen geworden. Russland setzt laut westlichen Sicherheitsdiensten verstärkt auf sogenannte Schattenflotten – alte Tanker mit unklarem Versicherungsstatus, die unter Billigflaggen fahren und Sanktionen unterlaufen sollen. Neben der wirtschaftlichen Komponente birgt das auch ökologische Risiken: Viele dieser Schiffe sind technisch veraltet, manövrierunfähig und bei einem Unfall kaum abgesichert.
Estland hat bereits vor einem Jahr begonnen, gezielt Versicherungsunterlagen von verdächtigen Schiffen zu überprüfen. Unterstützung erhält das Land von der Nato, die ihre maritime Präsenz in der Region zuletzt verstärkt hat.
Der estnische Premierminister Kristen Michal warnte vor der zunehmenden Gefahr: Die Schattenflotte könne nicht nur für illegale Öltransporte, sondern auch für Sabotage an Unterwasserinfrastruktur genutzt werden. Hinweise darauf hatte es bereits 2024 gegeben – in einem Fall wird ein russischer Tanker verdächtigt, absichtlich Unterseekabel beschädigt zu haben.
Keine Reaktion aus Russland
Dass nun erneut ein russisches Kampfflugzeug auftauchte, ist bemerkenswert: Seit Beginn des Ukrainekriegs waren Luftraumverletzungen durch russische Jets über Estland selten geworden – offenbar, weil die Luftwaffe stark im Krieg gebunden ist. Umso mehr wertet Tallinn den aktuellen Vorfall als klare Provokation.
Estland reagierte diplomatisch: Das Aussenministerium bestellte den Geschäftsträger der russischen Botschaft ein und protestierte formell. Von russischer Seite gab es bislang keine Stellungnahme.