Ende einer Ära? Putin räumt seine Stützpunkte in Syrien

Philipp Dahm

5.12.2024

dpa-Fotograf Alkharboutli in Syrien getötet

dpa-Fotograf Alkharboutli in Syrien getötet

Die dpa trauert um Anas Alkharboutli. Der 32 Jahre alte Fotojournalist kam bei seiner Arbeit nahe der syrischen Stadt Hama durch einen Luftangriff ums Leben, wie andere Reporter aus dem Kriegsgebiet als Augenzeugen bestätigten. In den vergangenen Tagen hatte Alkharboutli über den Vorstoss der Rebellenallianz HTS berichtet.

05.12.2024

Die russischen Marineschiffe räumen angeblich den Stützpunkt in Tartus. Auch der Militärflugplatz Hmeimim wirkt verwaist. Endet nun Moskaus jahrelanges Engagement in Syrien?

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Mitte 2024 gab es in Syrien 102 Basen ausländischer Militärs. Das Gros ist iranisch.
  • Oppositionelle Einheiten rücken in Syrien weiter vor: Russische Basen sind nun in Reichweite ihrer Raketenartillerie.
  • Der Kreml reagiert: Die Mittelmeerflotte ist aus Tartus abgezogen worden, wie Satellitenbilder zeigen.
  • Auch der Militärflugplatz Hmeimim ist verwaist.
  • Wladimir Putin könnte sein Mittelmeer-Sprungbrett verlieren.

Mitte des Jahres 2024 gibt es 801 militärische Einrichtungen ausländischer Staaten in Syrien. Im Vorjahr waren es noch 830 gewesen. Aktuell gibt es 102 Basen und 699 Checkpoints. Das Gros davon wird vom Iran betrieben, zeigt eine Ergebung der Stiftung «Jusoor».

«Die anhaltende ausländische Militärpräsenz in Syrien und das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Türkei und Russland vom 5. März 2020 haben dazu beigetragen, dass die längste Frist seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 verstrichen ist», schreibt «Jusoor» am 2. Juli.

Basen und Checkpoints ausländischer Militärs Mitte 2024 in Syrien.
Basen und Checkpoints ausländischer Militärs Mitte 2024 in Syrien.
Jusoor

Und weiter: «Dadurch wurden die Fronten zwischen den lokalen Kräften und ihren jeweiligen Kontrollzonen im Wesentlichen eingefroren.»

Russische Basen in Reichweite von Raketenwerfern

Sechs Monate später sieht die Lage vollkommen anders aus: Die syrische Armee hat nach einer Offensive verschiedener oppositioneller Gruppen enorm viel Territorium verloren. Nach dem Fall von Aleppo ist nun Hama der Brennpunkt: Oppositionelle Einheiten versuchen, die Stadt an den Flanken zu umgehen, um sie einzukesseln.

Schlacht um Hama: Oppositionelle Einheiten versuchen, die Stadt einzukesseln.
Schlacht um Hama: Oppositionelle Einheiten versuchen, die Stadt einzukesseln.
LiveUAMap

Wenn Hama erobert wird und auch das 40 Kilometer südlich gelegene Homs eingenommen wird, wären Syriens Mittelmeer-Provinzen Latakia und Tartus von der Verbindung nach Damaskus abgeschnitten. Für Machthaber Baschar al-Assad würde das wohl das Ende bedeuten.

Aktueller Frontverlauf: Bis zu den Küstenstädten Latakia und Tartus ist es nicht mehr weit.
Aktueller Frontverlauf: Bis zu den Küstenstädten Latakia und Tartus ist es nicht mehr weit.
LivaUAMap

Doch der Vormarsch bringt auch Moskau in Nöte: Die Front rückt immer näher an die beiden wichtigsten russischen Stützpunkte heran. Der Militärflugplatz Hmeimim in Latakia und die Marinebasis Tartus sind inzwischen in die Reichweite von Raketenwerfern gekommen: Die notabene russischen Modelle wurden bei der jüngsten Offensive erbeutet.

Nun reagiert der Kreml offenbar: Der Marine-Experte H. I. Sutton meldet via «Naval News», dass es Anzeichen für einen Rückzug der russischen Flotte gebe. Zuletzt seien dort zwei Fregatten der Admiral-Gorschkow-Klasse, eine Fregatte der Admiral-Grigorowitsch-Klasse und ein U-Boot der Kilo-I-Klasse stationiert gewesen.

Satellitenbilder zeigen verwaiste Basen

Die Mittelmeer-Flotte könnte zunächst vor Libyen oder Algerien vor Anker gehen oder in die Ostsee fahren, spekuliert Sutton. Eine offizielle Bestätigung aus Moskau gibt es natürlich nicht: Wenn der Kreml die Marinebasis verliert, in der seit 1971 russische Schiffe vertäut werden, bricht Wladimir Putin auch sein einziges Sprungbrett im Mittelmeer weg.

Russische Kanäle weisen schon zwei Tage nach Beginn der Offensive auf Probleme hin. «Die Geschwindigkeit der Offensive der Militanten, ihre Anzahl und das direkte Eingreifen des türkischen Militärs legen nahe, dass die russische Militärpräsenz am Mittelmeer gefährdet ist», wird am 29. November zitiert.

Weiter heisst es, es könne zwar Luftunterstützung geleistet werden, doch eigentlich müsste Marineinfanterie nach Tartus verlegt werden, um die Basis zu schützen. Das sei derzeit aber kaum möglich, solange nicht Rekruten dafür eingesetzt würden.

Satellitenbilder legen nahe, das auch der Militärflugplatz Hmeimim geräumt wird, der nur noch rund 35 Kilometer von der Front entfernt ist. Auch hier fehlen Moskau effektiv Bodentruppen, um den Stützpunkt zu halten. Die Flugzeuge und Piloten sind zu wertvoll, um sie zu gefährden.

Das heisst nicht, dass die Russen nicht womöglich wiederkommen. Doch vielleicht endet in Syrien nun auch eine Ära.


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