Russland Russland tut sich schwer mit Gedenken an 100 Jahre Roter Oktober

SDA

2.11.2017 - 12:37

Es ist ein Jubiläum Lenin gegen Putin: Der eine machte Revolution, der andere will jeden Umsturz verhindern. Vor 100 Jahren schrieb die Oktoberrevolution Weltgeschichte. Russland tut sich aber schwer mit dem Jubiläum.

Vor 100 Jahren vollzog sich in den langen Korridoren des Winterpalasts von St. Petersburg Geschichte. Am 25. Oktober 1917 (7. November 1917 nach neuem Kalender) besetzten kommunistische Soldaten und Matrosen Brücken und andere wichtige Punkte in der russischen Hauptstadt, die damals Petrograd hiess.

Eine Nacht später drangen sie in den Winterpalast ein. Dort sass seit der Februarrevolution acht Monate vorher schon nicht mehr Zar Nikolaus II., sondern nur noch eine schwache Übergangsregierung.

In einem Handstreich, verklärt zur "Grossen Sozialistischen Oktoberrevolution", übernahm der radikalste Flügel der russischen Linken die Macht: die Partei der Bolschewiki unter ihrem Führer Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924).

Es war eine welthistorische Wende: Der erste sozialistische Staat entstand, aus Russland wurde 1922 die Sowjetunion, es begann ein Jahrzehnte dauernder Wettbewerb der politischen Systeme.

Millionen Tote gegen einstige Grösse

Doch die Sowjetunion zerfiel 1991, und im heutigen Russland ist die Ausstellung "1917" des Museums Eremitage in den Räumen des Winterpalasts die wohl eindrücklichste Erinnerung an den Roten Oktober. Ansonsten tut sich das Land schwer mit diesem Jubiläum.

Einerseits kostete die kommunistische Herrschaft Millionen Menschen das Leben, vor allem unter dem Diktator Josef Stalin (1878-1953). Andererseits trauern immer noch viele Russen bis hinauf zu Präsident Wladimir Putin der verlorenen Grösse der Sowjetunion nach.

Historiker sind sich heute einig, dass weniger der Umsturz von 1917, sondern die Festigung der Macht im blutigen Bürgerkrieg bis 1922 die eigentliche Leistung der Bolschewiki war. An dem militärischen Erfolg hatte Kriegskommissar Leo Trotzki (1879-1940) grossen Anteil.

Als Motto für das Gedenkjahr 2017 hat die russische Präsidentschaft die nationale Einheit ausgegeben, die Versöhnung zwischen den einstigen Bürgerkriegsgegnern, zwischen Roten und Weissen.

Putin fürchtet Revolution

Für Putin ist Lenin einer der grossen Zerstörer in der russischen Geschichte. "Lenin hat eine Atombombe unter das Gebäude gelegt, das Russland heisst, und die ist dann explodiert", sagte er 2016. Gemeint war die Aufteilung der Sowjetunion in Republiken wie die Ukraine oder Weissrussland, die beim Zerfall des Riesenreichs eigenständige Staaten wurden.

Vor dem Jubiläum kam der Präsident erneut auf den Umsturz zurück: "Hätte man sich nicht ohne Revolution, sondern auf evolutionärem Weg weiterentwickeln können?", fragte er klagend.

Putin tue sich leichter mit Stalin, dem Sieger im Zweiten Weltkrieg, der die sowjetische Macht erweitert habe, meint der Historiker Ilja Kalinin. Ausserdem sei dem Kremlchef jede Art von Umsturz, von Revolution verdächtig, sagte der Professor von der Universität St. Petersburg. "Schon die Idee einer Revolution wird als Nationalverrat gebrandmarkt."

Der Langzeitpräsident fürchte, dass sich der Volkszorn irgendwann auch gegen seine Herrschaft richten könnte, sagt Kalinin. Das zeige das Vorgehen gegen die Opposition in Russland, der Kampf gegen "bunte Revolutionen" in der Ukraine und anderen Ländern.

Dabei sei die Botschaft der russischen Doppelrevolution, dass Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen könnten. Die Losung "Alle Macht den Räten!" hält Kalinin bis heute für relevant.

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