Schleppende ImpfaktionDie Russen warten auf den Sputnik-Effekt
dpa
18.4.2021 - 18:01
Biontech, Moderna, AstraZeneca und Co. – Das sollten Sie über Impfstoffe wissen
Momentan sind in der Schweiz mit Biontech/Pfizer und Moderna nur zwei Impfstoffe gegen Covid-19 zugelassen. In den nächsten Wochen könnten aber noch andere hinzukommen. Der Impfstoff-Überblick im Video.
04.04.2021
Für Wladimir Putin ist der Corona-Impfstoff Sputnik V das «beste Vakzin der Welt». Doch das Impfen geht in Russland nur schleppend voran. Selbst die Schweiz hat eine bessere Impfquote.
DPA, dpa
18.04.2021, 18:01
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«Sputnik V!» Die täglichen Jubelmeldungen zum russischen Corona-Impfstoff erinnern an die Tage, als die stolze Raumfahrtnation als Erste ins Weltall vordrang. Nicht ohne Grund ist das Vakzin auch nach dem ersten Satelliten – dem Sputnik – benannt, wie der Chef des staatlichen russischen Direktinvestmentfonds RDIF, Kirill Dmitrijew, stolz hervorhebt.
Gerade erst hat Russlands oberster Vermarkter des Präparats die Weltpresse zusammengetrommelt, um von neuen Erfolgen zu berichten. «Indien ist das 60. Land, das Sputnik V zugelassen hat. Ein Meilenstein», erklärte Dmitrijew erfreut.
Drei Milliarden Menschen lebten in den Ländern, die das russische Mittel bereits zugelassen hätten – ein riesiges Potenzial, betont Dmitrijew. Nun sehnt er noch die Zulassung für Westeuropa herbei. Doch die ist weder im EU-Raum noch in der Schweiz in Sicht.
EU hat viele Fragen
Aktuell sind Experten der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) in Russland unterwegs, weil sie zu den bisher vorgelegten russischen Daten viele Fragen haben. Sie besuchen Kliniken, in denen geimpft wird, Produktionsstätten und Lagerräume. Eine Entscheidung erwartet der Gesundheitsexperte Jérôme Lepeintre bei der EU-Vertretung in Moskau aber erst im Juni oder Juli.
In der Schweiz wurde noch nicht einmal ein Zulassungsgesuch für Sputnik V eingereicht, wie die für die Prüfung zuständige Behörde Swissmedic auf Anfrage von «blue News» bestätigt.
Trotzdem: Sputnik soll zum Exportschlager werden. Doch im internationalen Vergleich zu den Präparaten etwa von Biontech/Pfizer und Moderna fällt das Mittel deutlich ab. Auch Dmitrijew lässt vielfach gestellte Fragen zu konkreten Produktionszahlen unbeantwortet.
Russlands Impf-Funktionäre sehen sich seit Langem Kritik ausgesetzt, sie würden nicht transparent mit Zahlen umgehen. Unabhängige Experten gehen davon aus, dass Russland nur einen kleinen Bruchteil seiner bisher international zugesagten Dosen überhaupt liefern kann.
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Gut eine Million Sputnik-Dosen hat allein Ungarn nach offiziellen Angaben erhalten. Das Land hat als einziges EU-Mitglied das Vakzin national zugelassen, ohne die EMA-Entscheidung abzuwarten.
Wer im russischen Staatsfernsehen Reportagen von gross inszenierten Sputnik-V-Transporten etwa nach Lateinamerika sieht, bekommt rasch den Eindruck, dass der Impfstoff die Welt erobert. Westliche Präparate spielen da keine Rolle. Gleichzeitig klagen viele Regionen in Russland über Lieferengpässe, wie selbst Kremlchef Wladimir Putin einräumen musste. Nach Putins Angaben haben erst 4,3 Millionen Menschen die beiden notwendigen Spritzen erhalten. Das sind knapp drei Prozent der 146 Millionen Einwohner.
In der Schweiz ist die entsprechende Impfquote einiges höher: Bislang sind hierzulande 689'178 Personen vollständig geimpft, haben also beide Impfdosen erhalten. Das entspreche acht Prozent der Bevölkerung, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) diese Woche mitteilte.
Wie in der Raumfahrt vergleicht sich Russland aber am liebsten mit den USA, wo die Impfquote bei über 20 Prozent liegt – das sind mehr als 70 Millionen komplett Geimpfte. Die offiziellen Statistiken in Russland weisen lediglich die Neuinfektionen von täglich unter 10'000 Fällen und die Todeszahlen von über 300 am Tag aus. Keine Impfzahlen.
Was Putin sich spritzen liess, verrät er nicht
Russland hat neben dem international bekannten Impfstoff Sputnik zwei weitere im Einsatz: EpiVacCorona und CoviVac; es seien «die besten Vakzine der Welt», sagte Putin. Der 68-Jährige hat sich zwar seine erste Spritze verpassen lassen, liess aber nicht mitteilen, für welchen Impfstoff er sich entschied. Allerdings machte er zuletzt immer wieder Dampf, dass bei der Produktion zugelegt werden solle. Ausserhalb der Hauptstadt Moskau, wo Impfungen sogar beim Shoppen im Einkaufszentrum möglich sind, gibt es in der Provinz oft lange Wartezeiten.
RDIF-Chef Dmitrijew kündigt nun an, dass Indien bald der internationale Hauptproduktionsstandort für Sputnik V werden solle. Fünf Produktionsstätten seien schon fest vereinbart, weitere sollen hinzukommen. «Vom Sommer an können dort 50 Millionen Dosen monatlich abgefüllt werden.» Auch in China und in Südkorea wolle Russland den von Moskauer Gamaleja-Institut entwickelten Impfstoff produzieren lassen.
Angekündigt hat das russische Pharma-Unternehmen R-Pharm auch, dass im deutschen Illertissen von Juni oder Juli an monatlich Millionen Dosen vom Band laufen könnten. «Wir unternehmen alle Anstrengungen, damit es im Sommer losgehen kann», sagte der R-Pharm-Manager Alexander Bykow der Deutschen Presse-Agentur. «Wir haben die Ausrüstung schon dort und die Kader.» Bayern sicherte sich noch vor einer möglichen EU-Zulassung 2,5 Millionen Dosen. «Es handelt sich um einen hochwirksamen Impfstoff», meinte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek.