Russlands nördlichste Basis Moskau markiert Stärke in der Arktis

dpa

23.5.2021 - 13:58

Das Eis in der Arktis schrumpft zusehends, und das eröffnet neue Möglichkeiten für Schiffsrouten und den Zugang zu Öl- und Gasvorkommen. Russland bemüht sich eifrig, seine Macht und seinen Einfluss in der Region auszubauen.

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Im Kalten Krieg war Russlands Militärstützpunkt Nagurskaja wenig mehr als eine Flugpiste, eine Wetterstation und ein Kommunikationsaussenposten in der Inselgruppe Franz-Josef-Land. Auf der einsamen entlegenen Basis im Nordpolarmeer lebten hauptsächlich Eisbären: Im Winter sinken die Temperaturen hier auf minus 42 Grad Celsius, und der Schnee verschwindet nur in der kurzen Spanne von August bis Mitte September.

Heute demonstriert Russlands nördlichster Stützpunkt die militärische Stärke Moskaus und seinen Einfluss in der Arktis, einer Region, deren reichhaltige Ressourcen zunehmend ins Visier der Anrainerstaaten geraten sind. Mittlerweile sind dort jede Menge Raketen stationiert, es gibt Radarüberwachung und die erweiterte Start- und Landebahn ist für alle Arten von Flugzeugen geeignet, auch für atomwaffenfähige strategische Bomber.

Der kleeblattförmige Hauptgebäudekomplex ist weiss, blau und rot gestrichen, in den Farben der Nationalflagge – Farbtupfer in einer sonst kargen Gegend an der 5600 Kilometer langen nördlichen Seeroute entlang Russlands arktischer Küste. Andere Gebäude auf der Insel namens Alexandraland dienen der Radarerfassung sowie Kommunikation und schliessen eine Wetterwarte, Öllager und Hangars ein.

Bodenschätze wecken Begehrlichkeiten

Russland strebt nach wachsendem Einfluss über weite Teile der Arktis und steht dabei im Wettbewerb mit den USA, Kanada, Dänemark und Norwegen: Weil die Erderwärmung das Polareises schrumpfen lässt, öffnen sich neue Zugänge zu natürlichen Ressourcen und Schiffsrouten. Auch China hat zunehmend Interesse an der Region gezeigt, die Schätzungen zufolge über bis zu einem Viertel der bislang unentdeckten Öl- und Gasvorkommen der Erde verfügt. Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Wert der arktischen Mineralreichtümer auf umgerechnet gut 27 Billionen Franken geschätzt.

Vor diesem spannungsgeladenen Hintergrund kamen am Donnerstag die Aussenminister der Arktis-Anrainerstaaten in Reykjavik (Island) zusammen. Diese Länder bilden den Arktischen Rat, und entsprechend dem Rotationsverfahren übernimmt Moskau jetzt den Vorsitz. Am Rande des Treffens fanden am Mittwoch Gespräche zwischen dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow und seinem US-Amtskollegen Antony Blinken statt – eine Begegnung, die wahrscheinlich den Grundstein für eine im Juni vorgesehene Zusammenkunft von Putin und US-Präsident Joe Biden legt.

«Wir sind in Sorge über einige der jüngsten Militäraktivitäten in der Arktis», sagte Blinken am Dienstag nach seiner Ankunft in Island. Das erhöhe die Gefahr von Unfällen und Fehleinschätzungen.

Moskau will Hoheit über die Nordost-Passage

Die Basis Nagurskaja liegt ungefähr 1000 Kilometer südlich des geografischen Nordpols und wurde mithilfe neuer Bautechnologien errichtet, als Moskau nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim sein Militär stärkte. 2015 erhob Russland bei den Vereinten Nationen Anspruch auf das Hoheitsrecht über eine Fläche von 1,2 Millionen Quadratkilometer in der Arktis, ein Gebiet, das sich bis zu über 650 Kilometer weit von der russischen Küste aus erstreckt.

Russland machte klar, dass es die nördliche Meeresroute als seinen historisch gewachsenen nationalen Transportkorridor betrachte und ausländische Schiffe für die Nutzung des Weges eine Genehmigung aus Moskau benötigten. Die USA haben die russischen Rechtsansprüche auf Teile der Route als illegitim zurückgewiesen.

Als Teil von Russlands Bestrebungen wurden russische Einrichtungen in der Polarregion neu aufgebaut und mit Anlagen zur Überwachung und Verteidigung ausgeweitet. Eine Basis in ähnlicher Kleeblattform und mit patriotischen Farben wie die Nagurskaja befindet sich auf der Kotelny-Insel zwischen der Laptewsee und der Ostsibirischen See am östlichen Ende der Schiffsroute. Auch dieser Stützpunkt ist mit Raketen und Radaranlagen ausgestattet.

Russland und NATO erhöhen Truppenpräsenz

Moskau habe das Recht, Navigationsregeln für die Schiffsroute festzusetzen, bekräftigte Admiral Alexander Moissejew, Oberbefehlshaber der russischen Nordflotte, in der vergangenen Woche. «Praktisch der ganze nördliche Meeresweg führt durch russische Gewässer oder die Wirtschaftszone des Landes. Die komplexen Eisbedingungen machen es nötig, für eine sichere Schifffahrt zu sorgen, und daher besteht Russland auf einem speziellen System zu seiner Nutzung (der Nutzung des Seeweges).»

Die NATO ist zunehmend besorgt über das wachsende militärische Auftreten Russlands in der Arktis, und Washington hat vor diesem Hintergrund dieses Jahr B-1-Bomber zur Stationierung nach Norwegen geschickt. «Die zunehmende russische Präsenz im hohen Norden hat auch eine grössere Präsenz der westlichen Allianz notwendig gemacht», sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Russland stört sich stark an der US-Präsenz in Norwegen. Moissejew zufolge hat sie «das Konfliktpotenzial in der Arktik verstärkt». Das russische Aussenministerium empörte sich in der vergangenen Woche über das Einlaufen eines amerikanischen Atom-U-Bootes in einen norwegischen Hafen, er spiegele «Oslos Kurs einer Militarisierung der Arktis wider», hiess es.

Dass die Basis Nagurskaja seit einer Putin-Visite 2017 stetig ausgebaut worden ist, verteidigt Russland dagegen mit legitimen nationalen Interessen. Im März hielt das Militär auf dem Stützpunkt ein Manöver mit Bodentruppen und MIG-31-Kampfjets ab, die über den Nordpol flogen. Und man konnte drei Atom-U-Boote nahe beieinander durch das arktische Eis brechen sehen – eine weitere sorgfältig geplante Demonstration der militärischen Stärke Moskaus in der Region.