Auftritt mit KopftuchSchweizer Botschafterin erzürnt Protest-Bewegung im Iran
smi
23.2.2023
Die Schweizer Botschafterin im Iran hat mit Regierungsvertretern einen Schrein besucht und dabei den Sitten gemäss einen Tschador getragen. Frauenrechtlerinnen bezeichnen das als Kuschen vor dem Regime.
smi
23.02.2023, 11:47
23.02.2023, 11:54
smi
Das Kopftuch steht am Anfang der Proteste im Iran gegen das Regime der geistlichen Führer. Weil die 22-jährige Mahsa Amini ihren Hidschab nicht vorschriftsgemäss getragen hatte, misshandelten Polizisten sie so schwer, dass sie am 16. September 2022 an ihren Verletzungen starb. Seither brennen im Iran die Kopftücher. Dutzende weitere junge Menschen, darunter viele Frauen, sind bei den Protesten getötet worden.
Am Mittwoch hat die Schweizer Botschafterin im Iran, Nadine Olivieri Lozano, in Begleitung von zwei Mullahs einen Schrein in der als besonders religiös geltenden Stadt Ghom besucht.
Sie hat dabei nicht nur einfach ihr Haar bedeckt, wie das im Iran die Regel ist. Sie ist in einem Tschador aufgetreten, einem bodenlangen Kleid, das für das besonders strenge Befolgen der Regeln der Mullahs steht.
Als Erstes kritisierten Iraner*innen den Auftritt, die sich mit den Protesten gegen das Regime der Mullahs identifizieren: «Während iranische Frauen getötet werden, weil sie Nein sagen zum obligatorischen Hidschab (Kopftuch), hat die Schweizer Botschafterin freiwillig einen Tschador angezogen und so der Propaganda des Regimes geholfen!», twittert sepisworld.
Sie fährt fort, der Tschador sei die extremste Form des Kopftuchs. Die Schweizerin stelle sich damit gegen den Freiheitskampf der Iraner*innen und zeige keinerlei Respekt für die iranischen Frauen.
While Iranian women are being killed for saying no to the compulsory hijab, today the Swiss ambassador voluntarily put on a Chador helping the regime’s propaganda! She is in the IR headlines as “the ambassador who wore Chador” @SwissEmbassyIr shame on you!#شرم_بر_سفیر_سوئیس 1/2 pic.twitter.com/pUOCg8A0UR
Auch in der Schweiz wird nun Kritik laut. Katharina Prelicz-Huber, Zürcher Nationalrätin der Grünen sagt in «20 Minuten», sie sei «masslos enttäuscht». Die Botschafterin hätte sich solidarisch mit den Frauen zeigen können, auch wenn sie danach von der iranischen Regierung zitiert worden wäre. Sie empfinde den Auftritt als «Überanpassung», so Prelicz-Huber weiter.
Franz Grüter, SVP-Nationalrat und Präsident der Aussenpolitischen Kommission mahnt zur Zurückhaltung. Dass sich die Schweiz mit einem solchen Auftritt den Mullahs anbiedere, lässt der Luzerner nicht gelten. Der Vorwurf sei moralistisch. Dann dürfte die Schweiz keine Offiziellen mehr treffen.
Wie Grüter erinnert Christa Markwalder an einen Auftritt von Alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey 2008. Die damalige Aussenministerin geriet massiv in die Kritik, auch wenn sie weit weniger streng gekleidet wirkte als Lozano knapp 15 Jahre später. Calmy-Rey verteidigte sich damit, dass sie Menschenrechtsverletzungen im Iran bei ihrem Besuch angesprochen und verurteilt habe.
Markwalder äussert bei «20 Minuten» Verständnis, dass sich Botschafter*innen den Regeln des Landes anpassen. Sie müssten ihren Job machen.
Zwischen diplomatischem Protokoll und Menschenrechten
Die Zwickmühle einer Schweizer Diplomatin in einem streng muslimischen Land bringt der Ex-Botschafter Max Schweizer auf den Punkt, der zweimal in Saudi-Arabien die Schweiz vertreten hat. «Denn wenn man schon eine Frau als Botschafterin in den Iran entsendet, weiss man, dass sich automatisch das Problem der Kleidung stellen wird.» Ohne Tschador könne sich eine Frau im Iran nicht exponieren, hält Schweizer fest.
Damit widerspricht der ehemalige Diplomat iranischen Frauenrechtlerinnen, die den Besuch als Ganzes, aber besonders das Tragen des Tschadors kritisieren. Reisehinweisen zufolge ist es Frauen nur erlaubt, diese religiöse Stätte zu betreten, wenn sie den Ganzkörper-Schleier tragen. Vertreterinnen anderer westlicher Staaten kommen der Kritik zuvor, indem sie öffentlich Auftritte wie jenen Lozanos meiden, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Diplomatische Gepflogenheiten fechten regimekritische Iranerinnen in der Schweiz nicht an, so zum Beispiel Saghi Gholipour. Dem «Blick» sagt sie, sie sei schockiert, dass die Schweizer Botschafterin diesen Schrein überhaupt besuche. Dass sie dabei einen Tschador trägt, während Tausende Frauen dafür kämpften, das Kopftuch ablegen zu dürfen, mache den Auftritt noch schlimmer. Das Regime nutze solche Bilder als Legitimation seiner Herrschaft.
Das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten verteidigt sich, der Besuch der Botschafterin habe einer Institution gegolten, die den interreligiösen Dialog fördere und Studierenden Aufenthalte in der Schweiz ermögliche. Dabei habe die Schweizer Vertreterin das in der religiösen Stätte geltende Bekleidungsprotokoll für Frauen eingehalten.