Putin gegen den Westen «Selbst wenn wir dieses Schiff versenkt hätten ... »

phi/dpa/AP

30.6.2021

Vor dem Beginn eines grossen Manövers unter US-Führung im Schwarzen Meer liegen die Nerven blank. Wladimir Putin macht dem Westen diverse Vorwürfe.

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32 Nationen, 32 Schiffe, 40 Flugzeuge und 5000 Soldaten: Das alljährliche Manöver der Ukraine und der Nato im Rahmen der Partnership for Peace, das in diesem Jahr Sea Breeze heisst, schlägt Wellen.

Das liegt zum einen an einem Vorfall am 23. Juni, als russische Flugzeuge nach Moskaus Darstellung Bomben in den Weg des britischen Zerstörers HMS Defender geworfen haben wollen. Zum anderen sollen russische Jets am 24. Juni Scheinangriffe auf die niederländische Fregatte HNMLS Evertsen geflogen haben. 

Nun hat sich Russlands Präsident erneut zu dem Vorfall mit dem britischen Type-45-Zerstörer geäussert – und bekundet, an der Aktion sei auch ein US-Aufklärer beteiligt gewesen. Es habe gemeinsam mit der HMS Defender operiert, die vor der Halbinsel Krim in russische Gewässer eingedrungen sei.

Mission des US-Flugzeugs sei es offenbar gewesen, die Reaktion des russischen Militärs auf die Aktion des Zerstörers zu beobachten, sagte Wladimir Putin heute in einer Fernsehsendung, in der er live Anrufe entgegennahm. Moskau habe aber die US-Absichten durchschaut und entsprechend gehandelt, um keine sensiblen Daten offenzulegen.

«Selbst wenn wir dieses Schiff versenkt hätten ... »

Grossbritannien hatte erklärte, das Schiff sei auf einer Routinefahrt auf einer international anerkannten Seeroute und in ukrainischen Gewässern unterwegs gewesen. Putin sprach dagegen von einer «Provokation», während er das eigene aggressive Vorgehen rechtfertigte.

Die HMS Defender erreicht am 26. Juni Batumi in Georgien.
Die HMS Defender erreicht am 26. Juni Batumi in Georgien.
EPA

«Selbst wenn wir dieses Schiff versenkt hätten, wäre es schwer vorstellbar gewesen, dass die Welt am Rande eines Dritten Weltkriegs gestanden hätte», glaubt Putin. Der Ukraine warf er vor, aus dem westlichen Ausland gesteuert zu werden.

«Die Schlüsselfragen der Lebensfähigkeit der Ukraine werden nicht in Kiew, sondern in Washington und teilweise in Berlin und Paris gelöst», sagte Putin in der im Staatsfernsehen übertragenen Sendung «Der direkte Draht». Auf den Vorschlag eines Treffens mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj zeigte er sich verhalten.

Putin hat keine lust auf Selenskyj

«Warum sollte ich mich mit Selenskyj treffen, wenn er sein Land komplett unter Verwaltung von aussen gebracht hat», sagte der russische Staatschef. Gleichzeitig betonte er, dass er ein Treffen grundsätzlich nicht ablehne. Selenskyj hatte einen möglichen Gipfel mit dem Kremlchef vor einigen Wochen ins Gespräch gebracht.

Wladimir Putin im russischen TV.
Wladimir Putin im russischen TV.
AP

Das ukrainische Volk verhalte sich gegenüber Russland nicht unfreundlich, sagte Putin. «Aber die heutige Führung steht uns eindeutig unfreundlich gegenüber – das ist ganz offensichtlich.»

Putin warf der Ukraine zudem vor, die Opposition zu unterdrücken. «Es werden Entscheidungen getroffen, die absolut verfassungswidrig und rechtswidrig sind.» Konkret kritisierte Putin das Vorgehen der ukrainischen Justiz gegen seinen Vertrauten Viktor Medwedtschuk, der im Mai unter dem Vorwurf des Hochverrats unter Hausarrest gestellt worden war.

Ein Unterstützer des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny kritisierte auf Twitter, dass Putin woanders Repressionen beklage, während Andersdenkende im eigenen Land inhaftiert, Opfer von Anschlägen oder sogar getötet würden.

Details zur Konfrontation mit der Evertsen

Nach Moskauer Angaben befand sich die «Evertsen» auf Kurs in russisches Hoheitsgebiet. «Nach den Anflügen der russischen Flugzeuge hat die Evertsen umgehend ihren Kurs weg von den Grenzen der Russischen Föderation geändert», teilte das Ministerium mit – und veröffentlichte dazu ein Video.

Demnach hatte das niederländische Schiff Kurs in Richtung Krim genommen. Russland hatte die Halbinsel 2014 unter internationalem Protest annektiert. Die internationale Gemeinschaft hingegen sieht die Krim weiter als ukrainisches Gebiet an.

Nach Angaben des niederländischen Verteidigungsministeriums fuhr die Fregatte aber in internationalen Gewässern. Verteidigungsministerin Ank Bijleveld-Schouten nannte die russischen Aktionen «unverantwortlich». «Es gibt überhaupt keine Rechtfertigung für diese Art aggressive Aktionen, die ausserdem das Risiko für Unfälle erhöhen.»

Die russischen Kampfflugzeuge waren gemäss niederländischen Angaben gefährlich tief über das Kriegsschiff hinweggeflogen, zudem hätten die Maschinen auch Scheinangriffe geflogen. Nach den «stundenlangen Einschüchterungspraktiken» sei auch die elektronische Apparatur der Fregatte gestört worden.