Mullahs hängen junge Männer «Sie versuchen buchstäblich, die Zukunft des Iran auszulöschen»

Von Philipp Dahm

10.1.2023

Zwei Männer im Iran im Zusammenhang mit Protesten hingerichtet

Zwei Männer im Iran im Zusammenhang mit Protesten hingerichtet

Im Iran sind am Samstag zwei Männer hingerichtet worden, die während der Proteste gegen die Führung im letzten Jahr einen Angehörigen der Sicherheitskräfte getötet haben sollen. Es handelt sich nach Angaben der Justiz um den 22 Jahre alten Mohammad Mehdi Karami und den 20-jährigen Sejjed Mohammad Hosseini.

10.01.2023

Das iranische Regime hat zwei Männer gehängt, die zu Geständnissen gezwungen worden sein sollen – und zwei 18-Jährige zum Tode verurteilt. Dieser staatliche Terror habe System, glauben manche.

Von Philipp Dahm

10.1.2023

Seit der Tötung der 22-jährigen Mahsa Amini durch Sicherheitskräfte haben die Proteste gegen das Regime im Iran zu mindestens 60 Todesurteilen geführt. Am 7. Januar wurde das dritte und vierte vollstreckt: Am frühen Samstagmorgen wurden Mohammad Mehdi Karami und Seyed Mohammad Hosseini am Kran eines Baufahrzeugs erhängt.

Karimi – im Tweet der Europa-Abgeordneten der deutschen Grünen, Hannah Neumann, rechts zu sehen – wird nur 22 Jahre alt. Er ist ein Karate-Champion, trainiert, seit er elf Jahre alt war und hat sich die olympischen Ringe auf den Arm tätowieren lassen. Seyed Mohammad Hosseini wird 39 Jahre alt.

Den beiden Männern wird der Tod eines Mitglieds der brutalen Basidsch-Miliz während der Proteste in der Millionenstadt Kasadsch am 3. November zur Last gelegt.

In dem Prozess werden auch zwei weitere Todes- und elf Haftstrafen verhängt. Vor allem für Karimi ist das Ende am Galgen das Ende einer schier unmenschlichen Tortur.

Schon bei seiner Verhaftung wird der junge Mann «so hart geschlagen, dass er das Bewusstsein verlor», beschreibt «Iran International» den Vorgang. «Die Sicherheitskräfte hielten ihn für tot und warfen seinen Körper in ein Justizgebäude, doch sie realisierten, dass er noch am Leben war, als sie gehen wollten.» Auch im Gefängnis wird er misshandelt, wobei ihm auch mit Vergewaltigung gedroht wird.

«Sie haben mein Kind zum Tode verurteilt»

Unter Folter «gesteht» der Angeklagte, der am 5. Dezember in einem Schauprozess verurteilt wird. Seine Familie wendet sich per Video an das Regime und fleht darum, ihn am Leben zu lassen, doch die Mullahs lassen den 22-Jährigen weder mit seinen Angehörigen noch mit seinem Anwalt Mohammad Hossein Aghasi reden, weiss CNN. Karimi tritt deswegen in Hungerstreik.

Karimis Familie ist am Boden zerstört. «Ich gehe jeden Morgen zum Gericht und Gefängnis und wandere danach ziellos durch die Strassen», schildert sein Vater seine Gefühlslage. «Sie geben dir keine Antworten. Jede Nacht habe ich Angst, dass mich die Nachricht von der Exekution meines Kindes erreicht. Ich habe die Hoffnung verloren. Sie haben mein Kind zum Tode verurteilt und könnten die Exekution jede Minute durchführen.»

Auch Seyed Mohammad Hosseini erfährt in der Haft Gewalt. «Er wurde mit verbundenen Augen gefoltert, während er an Händen und Füssen gefesselt war», erklärt sein Anwalt Ali Sharifzadeh Ardakani. «Sie haben ihm gegen den Kopf getreten, bis er ohnmächtig wurde, und verschiedene Körperteile mit einer Eisenstange und Elektroschicker bearbeitet.» Für diese Aussage wird der Anwalt nun selbst angeklagt.

Zwei 18-Jährige sollen sterben

Jetzt sind Karimi und Hosseini tot. Hamid Ghare-Hasalou und Hossein Mohammadi, die in demselben Schauprozess das gleiche Urteil erhalten haben, werden wohl folgen. Weitere Todesurteile stehen aus – und es werden immer mehr. Anfang des Jahres werden etwa in Sari zwei 18-Jährige vor Gericht gestellt.

Sie sollen in Nouschahr am Kaspischen Meer an Demonstrationen teilgenommen haben. Arshia Takdastan wird am 21. September verhaftet. Angeblich hat er ein Polizeiauto mit einer Flasche und einem Stein beworfen. Der 18-Jährige wird wegen «Beleidigung des Obersten Führers» zu zwei Jahren Haft, für «Propaganda gegen die Institutionen» und Aufstachelung zu sechs Jahren Haft und für den Angriff auf die Polizei zum Tode verurteilt. Dabei ist unklar, ob Takdastan erst die acht Jahre Haft absitzen muss, bevor er exekutiert wird.

Einen Tag zuvor trifft die Härte des Gesetzes Mehdi Mohammadifard, der am 30. September in Nouschahr verhaftet wird und nur unter Folter «gestanden» haben soll.

Regime nimmt Irans Zukunft ins Visier

Junge Männer im Iran stellen sich jetzt hinter Frauen, die das Patriarchat abschaffen wollen. «Es ist interessant, dass es die Männer sind, die exekutiert werden und im Gefängnis leiden», stellt der britisch-iranische Schauspieler Omid Djalili im Gespräch mit Times Radio fest.

Und weiter: «Es scheint, als würden sie die Jüngsten ins Visier nehmen, die Fittesten, die Athleten. Die Leute, die charismatisch sind. Die Leute, die die kommenden Anführer sind. Weil sie das Momentum unterbinden wollen. Sie versuchen buchstäblich, die Zukunft des Iran auszulöschen. Sie greifen sich die schönsten Mädchen und vergewaltigen sie im Gefängnis.»

Das Kalkül dahinter? «Sie sagen: Wenn wir das euren Hellsten und Besten antun können, solltet ihr gewöhnlichen Iraner es ja nicht wagen, gegen uns zu protestieren, denn dann wird euch dasselbe widerfahren», fasst es der 57-Jährige zusammen.