«Orbanisierung» in Aussicht? Slowenien wählt: Vom Musterschüler zum Problemkind?

Thomas Brey, dpa

1.6.2018

Der ungarische Premierminister Viktor Orban (Mitte) unterstützt im slowenischen Wahlkampf Janez Jansa (rechts), den Vorsitzenden der konservativen Partei SDS. (Archiv)
Der ungarische Premierminister Viktor Orban (Mitte) unterstützt im slowenischen Wahlkampf Janez Jansa (rechts), den Vorsitzenden der konservativen Partei SDS. (Archiv)
Keystone/Szilard Koszticsak

Slowenien ist Euro-, Schengen- und Nato-Land. In der turbulenten Migrationskrise auf dem Balkan vor drei Jahren hielt es trotz allem die europäischen Werte hoch. Jetzt dreht sich der Wind. Bekommt Brüssel damit ein neues Sorgenkind?

Ungarns Regierungschef Viktor Orban sitzt beim Wahlkampf der konservativen slowenischen Demokraten (SDS) gern in der ersten Reihe, ein gelb-weisses Parteifähnchen in den Händen. Er ist zu Gast bei Freunden, zumal er das grosse Vorbild des SDS-Vorsitzenden Janez Jansa ist.

Die politische Mitte und die Parteien links davon werden nicht müde, vor einer «Orbanisierung» des kleinen Alpen-Adria-Landes zu warnen. Schliesslich liegt die heute noch oppositionelle SDS bei allen Umfragen vorn und könnte bei der Parlamentswahl am 3. Juni mit einem Viertel der Stimmen als Sieger über die Ziellinie gehen.

Orban gibt mit seiner «illiberalen Demokratie» nach dem Muster des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seiner EU-kritischen Haltung die Blaupause für den voraussichtlichen Wahlsieger in Slowenien ab.

Kompromisslose Abwehr von Flüchtlingen und Migranten, Kampf gegen die Zivilgesellschaft durch drastische Behinderung der Nichtregierungsorganisationen (NGO), versuchte Einschränkung der Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit - das sind die Bausteine für die angestrebte Zukunft.

Folgerichtig will ein möglicher neuer Regierungschef Jansa Slowenien näher an die Länder der sogenannten Visegrad-Grupppe heranführen. Die dort versammelten Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn bereiten Brüssel schon heute Kopfschmerzen.

Warnung vor dem «ungarischen Modell»

Erschreckt warnt die an der Regierung beteiligte Rentnerpartei Desus vor dem «ungarischen Modell». Die innenpolitischen Ziele der SDS kommen offensichtlich ebenso gut bei den 1,7 Millionen Wählern an: Steuersenkungen, staatlicher Bürokratieabbau, Verbot von Verschleierung.

Allerdings dürfte Jansa, der schon zweimal Ministerpräsident war (2004-2008 und 2012-2013), als «strenger Hüter der nationalen Identität» Schwierigkeiten haben, Koalitionspartner zu finden. Denn die meisten Partei sind nach Darstellung der wichtigsten Zeitung «Delo» Teil des traditionellen «Anti-Jansa-Reflexes».

Denn der 59-Jährige ist seit den Anfängen der slowenischen Selbstständigkeit Ende der 1980er Jahre eine höchst umstrittene Galionsfigur. So spielte er in grossen Korruptionsfällen wie bei der Beschaffung von Militärgerät oder der Veräusserung von Grundstücken eine Rolle und sass 2014 sogar kurzzeitig im Gefängnis.

Früherer Comedian als «Königsmacher»?

Daher sieht die Zeitung «Dnevnik» den Politneuling Marjan Sarec als den eigentlichen «Königsmacher». Meinungsforscher trauen dem 40-Jährigen, früher Comedian und Bürgermeister, bei der Wahl an diesem Sonntag mit 16 Prozent den zweiten Platz zu. Der mitte-links Angesiedelte hatte erst vor ein paar Wochen seine LMS-Partei ins Leben gerufen.

Bei der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr hatte Sarec aus dem Stand um ein Haar Amtsinhaber Borut Pahor abgelöst. Auf dem dritten Platz liegen in den Prognosen die Sozialdemokraten (SD) mit vierzehn und die SMC-Partei des amtierenden Regierungschef Miro Cerar auf dem vierten Platz.

Weil es auch noch die Rentnerpartei, «Die Linke» und die nationalliberale NSI in die Volksvertretung schaffen könnten, wird die Regierungsbildung in jedem Fall spannend. Zumal sich nach letzten Umfragen ein Drittel der Wähler als noch unentschieden bezeichnet haben.

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