Verräterische SatellitenbilderDeshalb wusste Biden schon früh, woher die verirrte Rakete stammt
Von Monique Misteli
19.11.2022
Aufnahmen aus dem All sind eine wichtige Informationsquelle. Besonders im Krieg sind sie mittlerweile unerlässlich und überlebenwichtig. Ein ETH-Experte weiss, wie sie den Geheimdiensten weiterhelfen.
Von Monique Misteli
19.11.2022, 10:38
Monique Misteli
Zwischen 900 und 2'000 Kilometern Höhe kreisen Satelliten der Kategorie «Erdnahe Umlaufbahn» um die Erde. Sie liefern gestochen scharfe Bilder und sind somit eine wichtige Informationsquelle für die Wissenschaft, aber auch für Regierungen und Geheimdienste.
Besonders im Krieg sind die gelieferten Informationen mittlerweile unersetzlich. Sie zeigen das Ausmass der Zerstörung oder Truppenbewegungen. Aber sie helfen auch aufzuklären, von wo Raketen abgeschossen werden und um welche Geschosse es sich handeln könnte.
Auch die Herkunft der Raketen, die kürzlich in der West-Ukraine und Polen einschlugen, sollen mittels Satellitenbildern aufgeklärt worden sein. So wusste US-Präsident Joe Biden bereits in derselben Nacht, dass die in Polen eingeschlagene Rakete ziemlich sicher von der ukrainischen Flugabwehr abgefeuert worden war.
Aufgrund von Satellitenbildern kann man die Flughöhe- und Bahn nicht genau berechnen. Jedoch würden Satellitenbilder wichtige Indizien liefern, wie zum Abschuss- und Einschlagort oder zum Geschoss selbst, erklärt Marcel Berni von der ETH Zürich. «Damit kann man retrospektiv ziemlich genau ermitteln, woher die Rakete kommt und von wem», so der Militärexperte.
Satellitenbilder sind heute allen zugänglich
Solche Aufnahmen aus dem All waren früher Nachrichtendiensten und den engsten Regierungskreisen vorbehalten. Als geheim klassifiziert, drangen sie nur in seltenen Fällen an die Öffentlichkeit.
Mittels der technischen Revolution hat sich die Branche über die Jahrzehnte kommerzialisiert. Heute sind diese Informationen weltweit allen Menschen zugänglich. Die bekanntesten Tech-Firmen, die Satelliten im All betreiben, sind Maxar, Planet und EagleView.
Auch vom Weltall beobachtete Hitzeanomalien können Hinweise auf Abschüsse liefern. Dabei liefert ein Satellit verschiedene Bilder, die mit Aufnahmen von anderen Satelliten kombiniert zu einem Bild zusammengefügt werden, erklärt Berni.
Die Auflösung von präzisen Satellitenbildern ermöglicht es, bis auf 30 Zentimeter an ein Objekt heranzuzoomen. Dank der sogenannten SAR-Technologie, die Mikrowellenstrahlen verwendet, sind selbst Aufnahmen bei Nacht und schlechtem Wetter möglich.
Die Informationsverarbeitung benötigt Zeit, weshalb Satellitenblider der Öffentlichkeit meist verzögert zugänglich sind, sagt Berni. Die Geheimdienste von Regierungen hingegen dürften gestochen scharfe Bilder quasi in Echtzeit erhalten. Genauere Angaben dazu sind nicht verfügbar.
Besonders die USA, China, Frankreich und Grossbritannien sind führend in der Beschaffung von Satelliteninformationen und besitzen anschliessend auch dessen Hoheit, erklärt Berni. Daher sind Staaten wie die Ukraine oder Polen nebst den öffentlich zugänglichen Satellitenbildern auf den Informationsaustausch mit diesen Staaten angewiesen.
«Wir müssen dringend die Bewegungen der russischen Truppen beobachten»
Dem war sich auch der ukrainische Vize-Ministerpräsident Michailo Fedorow bewusst, als er sich zu Kriegsbeginn in einem öffentlichen Brief an die Regierungen und Satelliten-Betreiber wandte: «Wir müssen dringend die Bewegungen der russischen Truppen beobachten.»
@eos_da and @maxpolyakov appeal to the global remote sensing firms and organizations to provide real-time SAR data to support the Armed Forces of Ukraine with actionable intelligence. pic.twitter.com/DzfNze3K3r
Darin forderte er von Regierungschefs und Militärführern, aber auch von privaten Tech-Firmen «hochauflösende Satellitenbilder in Echtzeit», um «Leben zu retten».