«Tiger»-JagdSo konsequent sagt Xi Jinping der Korruption den Kampf an
twei
15.4.2023
Seit 2012 geht Xi Jinping auf «Tigerjagd»: Dahinter verbirgt sich eine Antikorruptionskampagne, die Chinas Regierungschef eisern vorantreibt. Wie hartnäckig der Präsident die Strategie verfolgt, zeigt nun erstmals eine Datenbank.
twei
15.04.2023, 23:00
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Xi Jinping möchte seine kommunistische Partei vom «Krebsgeschwür» Korruption befreien.
Deshalb verfolgt Chinas Präsident seit 2012 eine Antikorruptionskampagne.
Welche Ausmasse diese Strategie annimmt, zeigt nun erstmals die Studie eines Ungleichheitsforschers.
Ob Sun Lijun, Fu Zhenghua oder Xiao Jianhua: Die drei Männer verbindet ein ähnliches Schicksal. Noch bis vor einigen Monaten gehörten sie zur Machtelite Chinas.
Vor seiner Verhaftung und Verurteilung zu lebenslanger Haft im September arbeitete Sun Lijun als Vize-Polizeiminister, Fu Zhengua war gar als Justizminister tätig. Und der milliardenschwere Unternehmer Xiao Jianhua landete trotz bester Verbindungen in die kommunistischen Parteizirkel für 13 Jahre hinter Gittern – wegen Veruntreuung und Bestechung.
Der harte Aufprall der drei einst einflussreichen Männer ist eng mit mit der Antikorruptionskampagne verknüpft, die Chinas Präsident Xi Jinping 2012 lancierte. Wie der «Tagesanzeiger» schreibt, hat die Zentrale Disziplinarkommission seither vier Millionen Kader und Beamte ausfindig gemacht, von denen 3,7 Millionen für schuldig erachtet wurden.
Xi Jinping will das «Krebsgeschwür» Korruption ausrotten
Mit harter Rhetorik verdeutlichte Jinping mehrfach, er wolle seine Partei vom «Krebsgeschwür» Korruption befreien. In diesem Zusammenhang rief der Staatschef eine Jagd nach «Fliegen», also kleinen Beamten, und «Tigern», den einflussreichen Parteifunktionären, aus.
Wie so oft drang über das Vorgehen Chinas bis dato aber wenig Offizielles nach aussen. Es blieb an den meisten Stellen bei Hörensagen oder Anekdoten wie der von Sun Lijun, der bei seiner Aussage von Schmiergeldern berichtet hatte, die ihm «in Kisten getarnt als Meeresfrüchte» übergeben worden waren.
Doch damit ist nun Schluss. Eine Datenbank des Ungleichheitsforschers Branko Milanović und seiner Kollegen Li Yang und Yaoki Lin bietet eine Zusammenstellung von 1451 Fällen von «Tigern», die zwischen 2012 und 2021 der Korruption für schuldig erachtet wurden.
Davon waren bis auf sieben Personen alle Mitglieder der Kommunistischen Partei, mit 70 Prozent gehörte das Gros dem Regierungsapparat an. Ein weiterer grösserer Anteil stammte mit 20 Prozent aus staatlichen Unternehmen. Auffällig zudem: Je höher der Delinquent in der Hierarchie gestellt war, desto lukrativer waren die Geldströme und desto mehr waren die Strukturen von Korruption durchsetzt.
Wachsende Ungleichheit in Chinas Bevölkerung
In Chinas Machtzirkel waren korrupte Vorgehensweisen schon derart implementiert, dass sie Milanović in seinem Buch «Kapitalismus Global» als «systemischen Bestandteil» bezeichnet. Das hänge auch mit der Flexibilität rechtsstaatlicher Prinzipien im chinesischen System zusammen, erklärt der Fachmann: «Dies erleichtert nicht nur den Herrschern eine effektivere Kontrolle des Systems, sondern ermöglicht auch anderen (darunter der Elite), sich durch Unterschlagung oder Bestechung Vorteile zu verschaffen.»
Zwar würden grosse Teile der Elite von derlei Strukturen profitieren, doch liesse die Parteiführung um Xi Jinping dem freien Lauf, drohe ein Problem. Weil China unter einer wachsenden Ungleichheit im Land leidet, ist ein hartes Durchgreifen der kommunistischen Partei schon allein deshalb nötig, um ihren eigenen Legitimationsanspruch als Führungskraft zu wahren.
Seit 1990 vergrösserte sich laut der «World Inequality Database» der Anteil des bestverdienenden Prozents der chinesischen Bevölkerung am gesamten Einkommen um 90 Prozent. Zum Vergleich: In den USA weist die Datenbank lediglich einen Zuwachs von 30 Prozent im selben Zeitintervall aus.
China verbessert sich im Korruptionsindex
Besonders auffällig fällt das Zahlenwerk aus, das auf die «Tiger» fokussiert. Gemäss der Studie entspricht schon das legale Einkommen eines Beamten dem 3,5-Fachen der städtischen Bevölkerung. Kommt noch Korruption hinzu, könne sich das Jahreseinkommen eines korrupten Beamten um das 8- bis 14-Fache vervielfachen.
Die Antikorruptionskampagne hilft Machthaber Xi Jinping auch auf anderer Ebene. Sie gibt ihm das Instrumentarium an die Hand, potenzielle politische Gegner zu diskreditieren. Alles also nur schöner Schein? Ganz so einfach ist es auch nicht, denn die Wirkung von Xis Kampagne drückt sich auch in Zahlen aus. Im Korruptionsindex von Transparency International rückte China von Rang 80 im Jahr 2012 auf 65 im vergangenen Jahr vor.
Ganz auf die Spitze treiben werde China die Verfolgung von Korruption trotzdem nicht, vermutet Milanović. «Ich glaube nicht, dass die Antikorruptionskampagne wirklich dazu dient, die Korruption heute auszurotten und in Zukunft unmöglich zu machen.» Stattdessen solle die Initiative, «diese Kräfte für eine Weile zurückzudrängen, um die Kosten der Korruption in die Höhe zu treiben und sie auf diese Art in Schach zu halten».