Lagebild Ukraine So wirkt sich Trumps neuer Kurs auf dem Schlachtfeld aus

Philipp Dahm

11.3.2025

Kanadierin für Ukraine an der Front: «Welche Zukunft hinterlasse ich, wenn Russland gewinnt?»

Kanadierin für Ukraine an der Front: «Welche Zukunft hinterlasse ich, wenn Russland gewinnt?»

Das ist April Hugget. Kanadierin, Sanitäterin und Mutter von drei Kindern. Nachdem Russland die Ukraine im Februar 2022 überfallen hatte, traf sie die Entscheidung, einen Beitrag zu leisten – und zwar vor Ort. In Albträumen hatten sie die Bilder aus Butscha verfolgt, wo russische Soldaten ukrainische Zivilisten exekutiert hatten.

10.03.2025

Donald Trump macht den ukrainischen Streitkräften Probleme: Besonders in der Luft hat Kiew nun Nachteile. Es gibt aber auch Gegenoffensiven, die bei den Russen zu hohen Verlusten führen – sogar in einer Pipeline.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Donald Trumps Ukraine-Kurs schwächt Kiews Flugabwehr enorm.
  • Was Kiew und Paris unternehmen, um die Effekte zu lindern.
  • In Kursk verliert die ukrainische Armee an Boden. Ein russischer Vorstoss durch eine Gas-Pipeline wurde allerdings unterbunden.
  • In Kupjansk, Tschassiw Jar und Pokrowsk sind Kiews Kräfte zum Gegenangriff übergegangen: Darum sind die russischen Verluste dabei so hoch.

Wie wirkt sich Donald Trumps knallharter Ukraine-Kurs auf die Front aus? Der amerikanische Liebesentzug hat Folgen, die sich unmittelbar auf die Front auswirken: Vor allem Wladimir Putins Luftwaffe reibt sich die Hände.

Der Grund: Wegen der fehlenden US-Unterstützung muss Kiew nun mit seinen Raketen für die Patriot haushalten. Das Flugabwehrsystem ist das einzige, das Russlands Hyperschall-Raketen vom Typ Kinschal aufhalten kann. Die Batterien werden deshalb von der Front zurückverlegt, um kritische Infrastruktur bei den ukrainischen Grossstädten zu schützen.

Sprich: Moskau kann sich mit seinen Jets an der Front nun wieder austoben. Erstmals steigt wieder das Frühwarnflugzeug A-50 auf, nachdem die nicht zu ersetzenden Aufklärer nach einem Patriot-Abschuss vor einem Jahr gegroundet worden sind. Geleitet werden damit auch vermehrte Attacken auf Kursk, wo die Luftwaffe die Nachschubwege der ukrainischen Truppen bombardiert.

Russland mit Oberwasser im Luftraum

Auch die amerikanischen F-16-Jets sind kaum mehr einsatzfähig: Fehlende Updates für elektronische Gegenmassnahmen aus den USA machen die Kampfflugzeuge anfällig für Abschüsse. Zudem werden keine Ersatzteile oder weitere Luft-Luft-Raketen geliefert. Dabei hatte die F-16 ihr Missionsportfolio gerade erst erweitert und vermehrt russische Ziele am Boden und in der Luft angegriffen, schrieb «Forbes» Ende Februar.

Nun soll es die Mirage 2000-5F richten: Erstmals wurden Bilder von einem Kampfeinsatz des französischen Flugzeugs veröffentlicht – siehe oben. Sie sollen nun mit neuer Technik für die elektronische Kriegsführung nachgerüstet werden.

Schmerzhaft ist für Kiew auch der Verlust der nachrichtendienstlichen Unterstützung aus den USA, die weiter die Vorwarnzeit für russische Raketenangriffe senkt. Auch hier verspricht Paris Hilfe: Frankreich hat erst am 6. März mit dem CSO-3 einen neuen Spionagesatelliten ins All geschossen, der in einer Höhe von 800 Kilometern angeblich Fotos machen kann, die angeblich 35 Zentimeter grosse Gegenstände ausweisen. 

Wie Kiew gegensteuert

Trumps Kuschelkurs mit Russland wirkt sich aber natürlich auch auf Kiews Bodentruppen aus: «Das Ergebnis dieser Pause sind Hunderte von toten Ukrainern», sagt ein Offizier dem US-Magazin «Time». «Das grösste Problem ist die Moral. Das verschafft dem Feind an der Front wirklich einen Vorteil.» Wer meldet sich schon freiwillig, wenn Washington die Armee nicht mehr mit Waffen und Munition versorgt?

Wolodymyr Selenskyj versucht, gegenzusteuern. Zum Beispiel bei der Luftabwehr: Während es mit dem italienisch-französischen System SAMP/T angeblich technische Probleme und einen Mangel an Aster-Raketen gibt, baut Kiew seine Kooperation mit der deutschen Firma Diehl Defence aus, die die Lieferung der Systeme IRIS-T-Systeme SLM und SLS forcieren soll. Rheinmetall soll weitere Skyranger 30 exportieren.

Zudem dienen nun auch erstmals 18- bis 24-Jährige in der Armee: Für sie hat Kiew das Konzept der Ein-Jahres-Verträge ersonnen, das ihnen einen finanziellen Bonus bietet. Nach der Dienstzeit dürfen diese Männer zudem ins Ausland reisen – und ein Jahr nicht wieder eingezogen werden.

Pipeline-Vorstoss in Kursk scheitert

Am Boden zeigt die neue US-Politik im Raum Kursk Wirkung, wo die ukrainischen Truppen zunehmend unter Druck geraten: Weil Putins Luftwaffe die Strasse bombardiert, über die der Nachschub in den russischen Oblast kommt, verschlechtert sich ihre Lage dort zusehends.

Spektakulär gescheitert ist allerdings ein Versuch russischer und nordkoreanischer Soldaten, über eine Gas-Pipeline mit einem Querschnitt von 1,4 Metern hinter die feindlichen Linien zu gelangen. Ähnlich ist Moskau in Awdijwka vorgegangen: Dort waren Einheiten erfolgreich durch die Kanalisation in den Rücken der Ukrainer vorgestossen.

In Kursk wurde die Aktion jedoch vom gegnerischen Militärgeheimdienst entdeckt: Zunächst wurde ihnen der Rückweg versperrt, dann wurden die Truppen in der Pipeline aufgerieben. Von den rund 100 russischen Soldaten sollen 80 gefangen oder getötet worden sein.

Weniger russische Attacken – wegen der hohen Verluste?

Es ist fraglich, wie lange Kiew sich noch auf der russischen Seite der Grenze halten kann: «Die Situation in der Region Kursk ist sehr schwierig und könnte sich zu einer Katastrophe entwickeln, wenn wir nicht dringend handeln, um die logistischen Routen zu räumen», zitiert die «Financial Times» den Militärblogger Bohdan Myroshnykov.

Insgesamt jedoch sieht es auf dem Schlachtfeld für Russland schlechter aus als noch Anfang des Jahres. Im Februar haben die russischen Attacken angeblich um gut ein Drittel abgenommen. Gleichzeitig fährt der Kreml weiter hohe Verluste ein: Alleine am gestrigen 9. März will Kiew 1190 Gegner kampfunfähig gemacht haben.

Wie kommen diese hohen Verluste zustande? Ein gutes Beispiel ist Toretzk: Die Stadt im Oblast Donezk galt eigentlich schon als gefallen, doch weil die russische Seite kaum Nachschub an Soldaten hat, konnte sich die Ukrainer im Häuserkampf zurück in die Stadt kämpfen. Pioniere haben dabei ganze Häuser gesprengt, in deren Kellern sich der Gegner verschanzt hat.

Erfolge auch in Tschassiw Jar, Kupjansk und Pokrowsk

An anderen Frontabschnitten ist es ähnlich. So beklagen sich russische Soldaten der 144. Brigade in einem Video, sie würden im Oblast Cherson in den Tod geschickt: Die Führung will, dass sie einen Brückenkopf auf der anderen Seite des Dnipro aufbauen. Sie überqueren den Fluss mit Booten, kommen aber nur bis zu den Flussinseln, wo sie von Artillerie und Drohnen aufgemischt werden. Seither hat man nichts von ihnen gehört.

Der russischen Armee fehlt es offensichtlich auch an Material, wie zuletzt ein erfolgloser Angriff in Tschassiw Jar gezeigt hat. Dort sind bei einer Attacke 16 Fahrzeuge zerstört worden – siehe oben: Die Infanteristen sind dabei in Schützenpanzern vom Typ BMD-2 vorgerückt, deren dünne Panzerung Artillerie und Drohnen nichts entgegenzusetzen hat.

Erfolgreiche ukrainische Gegenangriffe werden auch aus Kupjansk und Pokrowsk gemeldet, wo Kiews Kräfte offenbar verlorenen Boden wieder gutgemacht haben. Gleichzeitig nutzt Russland das Ausbleiben von US-Geheimdienst-Informationen, um die Zahl der Luftschläge gegen die Ukraine zu erhöhen


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