Politik Sri Lanka droht Ernährungskrise – Bauern kämpfen ums Überleben

SDA

14.9.2022 - 10:58

Regierungsgegner protestieren Ende August in Colombo. Foto: Eranga Jayawardena/AP/dpa
Regierungsgegner protestieren Ende August in Colombo. Foto: Eranga Jayawardena/AP/dpa
Keystone

Shadagopalan Chandrasekaran blickt besorgt über sein Reisfeld. Sein Acker ist seit jeher die Lebensgrundlage des Bauern aus Sri Lankas nördlichem Bezirk Kilinochchi, daran konnten bislang auch wiederholte politische und wirtschaftliche Turbulenzen in seinem Land nichts ändern. Doch als der Staat im vergangenen Jahr aus Mangel an Devisen die Einfuhr von chemischen Düngemitteln verbot, erlitt der 60-Jährige – so wie unzählige andere Bauern des Landes – verheerende Ernteausfälle: «Unser Reisertrag ist um mehr als 40 Prozent gesunken».

Zwar wurde inzwischen das Kunstdüngerverbot aufgehoben. Doch die Lage der Bauern und damit die Versorgung der Bevölkerung des Inselstaats mit Lebensmitteln ist gefährdet, Experten schlagen Alarm. «Unsere Krise ist noch nicht zu Ende», beklagt Bauer Chandrasekaran.

Der hochverschuldete Inselstaat mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern erlebt die schwerste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit 1948. Fast 6,3 Millionen Menschen – oder drei von zehn Haushalten – seien von Ernährungsunsicherheit bedroht und benötigten Hilfe, warnte das Welternährungsprogramm (WFP) kürzlich. Die Lage sei so ernst, dass mehr als die Hälfte der betroffenen Familien inzwischen weniger essen oder auch weniger nahrhafte Lebensmittel zu sich nehmen beziehungsweise sogar Mahlzeiten ganz auslassen, hiess es.

Die finanziellen Probleme für das stark importabhängige Land südlich von Indien begannen schon vor der Corona-Pandemie unter anderem infolge schuldenfinanzierter Infrastrukturprojekte und Steuersenkungen, die dem Staat dringend benötigte Einnahmen entzogen. Dann traf die Pandemie die Tourismusbranche und damit eine wichtige Devisenquelle.

Um den Devisenmangel einzudämmen, verbot die Regierung die Einfuhr von Kunstdünger. Bauern sollten Bio-Dünger verwenden. Als Folge der dadurch eingebrochenen Ernten war Sri Lanka, das sich mit Reis bis dahin weitgehend selbst versorgen konnte, gezwungen, das wichtigste Grundnahrungsmittel zu importieren – was den Devisenmangel nur noch verschärfte. Die Regierung hob das Importverbot im November zwar auf. Doch der angerichtete Schaden gefährdet die Lebensmittelproduktion.

Der neue Präsident Ranil Wickremesinghe ist um die Versorgung der Bevölkerung besorgt. Er war kürzlich vom Parlament ins Amt gehoben worden, nachdem sein Vorgänger Gotabaya Rajapaksa nach monatelangen Massenprotesten zeitweise ins Ausland geflohen war. In diesem Monat beginnt die neue Aussaat, doch für manche Bauern ist es zu spät. «Uns wurde versichert, dass wir ausreichend Dünger erhalten, aber einige Bauern haben sich aus der Landwirtschaft inzwischen zurückgezogen, da die Produktionskosten steigen», beschreibt Chandrasekaran die Lage.

Nicht nur Reisbauern, sondern auch die Gemüsebauern seien betroffen. «Die Gemüsepreise sind in den vergangenen Monaten in die Höhe geschossen, da viele unserer Landwirte von der Düngemittelkrise betroffen waren und sie gezwungen waren, den Anbau in der letzten Saison aufzugeben. Viele haben sich für andere Jobs entschieden», schildert der 48-jährige Bauer Sarath Nandasiri aus Welimada.

Hinzu kommt der Treibstoffmangel. Viele Bauern hätten die wegen der Düngerkrise ohnehin schon beeinträchtigte Ernte nicht einfahren können, weil ihnen Treibstoff für die Erntemaschinen fehlte, erklärt T. B. Sarath vom Bauernverband. «Wir erwarten von der Regierung, dass sie Dünger und Kraftstoff zum Pflügen der Felder und zur Vorbereitung auf die nächste Saison bereitstellt», die in diesen Wochen beginne.

«Wir sind zutiefst besorgt über die Auswirkungen der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Krise auf die Menschen in Sri Lanka», wurde der Botschafter Norwegens kürzlich zitiert. Sein Land hat dem Welternährungsprogramm umgerechnet etwa 500 000 Dollar zur Verfügung gestellt, um die Krise zu lindern. Die Nahrungsmittelknappheit und die steigenden Preise wirkten sich vor allem negativ auf Kinder und Frauen in dem Inselstaat aus, hiess es.