Erinnerungskultur Sterne, Bier oder Kermit? — Mississippi sucht eine neue Flagge

AP/toko

5.8.2020

Einige der bislang fast 2700 Vorschläge für die neue Flagge des US-Bundesstaats Mississippis.
Einige der bislang fast 2700 Vorschläge für die neue Flagge des US-Bundesstaats Mississippis.
Keystone/AP/Mississippi Department of Archives and History

Der Tod von George Floyd hat überall in Amerika zu einer Debatte über die Erinnerungskultur geführt, bei der Symbole der früheren Sklavenhalterstaaten eine Rolle spielen. Zuletzt trennte sich Mississippi von seiner Flagge mit dem umstrittenen Motiv. Für die Nachfolge gibt viele, mitunter skurrile Ideen.

Magnolien und Sterne. Kreuze und Gitarren. Bierdosen und Flusskrebse. Ein Leuchtturm an der US-Golfküste. Oder wie wäre es mit Elvis Presley und Kermit dem Frosch? Das sind allesamt Vorschläge für die neue Flagge von Mississippi, die Bürger eingereicht haben.

Der US-Staat hat kürzlich sein Banner samt Wappen der einstigen Konföderiertenarmee abgeschafft, die 1861 bis 1865 im Sezessionskrieg der Südstaaten gegen die Nordstaaten kämpfte und sich vor allem gegen eine Abschaffung der Sklaverei stemmte. Jetzt soll eine neunköpfige Kommission ein neues Flaggenmotiv entwerfen helfen - mit zwei Auflagen: das Konföderiertensymbol ist tabu, und irgendwo muss das Motto «In Gott vertrauen wir» auftauchen.

Fast 2700 Vorschläge für neue Flagge

Fast 2700 Vorschläge kamen schon aus der Bevölkerung und wurden erst am Montag auf der Webseite von Mississippis Behörde für Archive und Geschichte gepostet. Bis Anfang September sollen sich Mitglieder des Gremiums dann auf ein Motiv einigen und es für die US-Wahlen am 3. November zur Abstimmung stellen. Die Kommission kann sich für einen der Vorschläge aus der Öffentlichkeit entscheiden, Elemente aus verschiedenen Designs kombinieren oder noch mal ganz von vorn anfangen und ein neues Motiv kreieren.

«Black Lives Matter»-Protest vor dem Bundesgericht in Portland.
«Black Lives Matter»-Protest vor dem Bundesgericht in Portland.
Marcio Jose Sanchez/AP/dpa

Der Experte Clay Mass riet den Gremiumsmitgliedern vergangene Woche, dass das beste Flaggenmotiv einfach, zugleich aber unverwechselbar sein sollte. Als gutes Beispiel zog er die Flagge von Texas heran: Das sogenannte «Lone-Star»-Design lasse sich einfach zeichnen und sei leicht wiederzuerkennen.

Manche protestieren gegen Vorgaben

Einige der Motivideen von Bürgern sind tatsächlich recht einfach gehalten. Andere wiederum sind komplexer, haben Schnörkel, viele Streifen und sind etwa mit Efeu, Adlern, Enten, Spottdrosseln, Hirschen, Bienen und Fische verziert. Einige wirken professionell in ihrer Aufmachung, andere wurden mit Blei- oder Filzstift gezeichnet. Manche Absender protestierten mit ihren Vorschlägen gegen die Vorgabe, dass auf der Flagge ein religiöses Statement zu lesen sein muss.



Die bisherige Flagge mit dem Konföderiertensymbol hatte Mississippi schon seit 1894. Damals wurde es von Verfechten einer vermeintlichen Überlegenheit der Weissen festgelegt - in einer Zeit des Widerstands gegen den politischen Einfluss, den Schwarze in der «Reconstruction» genannten Phase des Wiederaufbaus und der staatlichen Neuordnung nach dem Bürgerkrieg gewannen. Im Jahr 2001 entschieden sich die Bürger von Mississippi bei einer Wahl für die Beibehaltung der Flagge, doch blieb das Südstaatensymbol höchst umstritten in einem Staat, in dem der Anteil der schwarzen Bevölkerung bei 38 Prozent liegt.

Seit Jahrzehnten erklärten Spitzenpolitiker des Parlaments von Mississippi, dass sie weder im dortigen Repräsentantenhaus noch im Senat des Staats Einigkeit für eine Änderung des Flaggenmotiv hätten. Der 2019 gewählte republikanische Gouverneur Tate Reeves erklärte vor seinem Amtsantritt, falls die Flagge auf den Prüfstand komme, sollte dies im Rahmen einer weiteren Wahl passieren. Dabei hissten schon seit den vergangenen Jahren alle acht öffentlichen Universitäten von Mississippi und eine zunehmende Zahl von Städten und Bezirken die Flagge nicht mehr.

Künstler und Aktivisten malen den Schriftzug «Black Lives Matter» auf New Yorks Fifth Avenue vor dem Trump Tower.
Künstler und Aktivisten malen den Schriftzug «Black Lives Matter» auf New Yorks Fifth Avenue vor dem Trump Tower.
Mark Lennihan/AP/KEYSTONE-SDA (Archivbild)

Neue Dynamik in die Debatte brachte die aufsehenerregende Tötung von George Floyd, einem Schwarzen, dem ein weisser Beamter Ende Mai in Minneapolis minutenlang das Knie in den Nacken gedrückt hatte. Der Fall löste weltweit Proteste gegen Rassismus aus und beförderte eine Abrechnung mit der Erinnerungskultur und der Symbolik der Konföderierten. Binnen Wochen drängten Spitzenvertreter von Unternehmen, Kirchen und dem Bildungswesen die Abgeordneten in Mississippi, sich von der Flagge zu trennen und sie durch ein versöhnlicheres Motiv zu ersetzen.

Der Gouverneur knickte ein

Zwei Collegesport-Organisationen setzten ihre Macht als Hebel ein: Die sogenannte Southeastern Conference drohte mit einem möglichen Stopp von Liga-Meisterschaften in Mississippi, sollte der Staat seine Flagge nicht ändern. Und die National Collegiate Athletic Association kündigte an, dass Mississippi nicht Gastgeber von ihr organisierter Sportprogramme sein könne. Gouverneur Reeves knickte schliesslich ein und unterschrieb ein Gesetz, das die bisherige Flagge aufs Altenteil schickte. Zuvor hatte sich im Abgeordnetenhaus von Mississippi klar eine Zwei-Drittel-Mehrheit für den Vorstoss abgezeichnet, mit der ein Veto des Gouverneurs ohnehin hätte ausgehebelt werden können.

Wenn die Wähler den Vorschlag der Kommission annehmen, hat der Staat eine neue Flagge. Wenn nicht, erstellen die Gremiumsmitglieder einen Entwurf, über den zu einem späteren Zeitpunkt abgestimmt wird.

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