Deutschland Suche nach weiteren Opfern in Butscha – Sanktionen in Vorbereitung

SDA

4.4.2022 - 15:32

Ukrainische Soldaten inspizieren die Trümmer einer zerstörten russischen Panzerkolonne auf einer Straße in Butscha, einem Vorort nördlich der Hauptstadt. Nach den Kriegsgräueln in der ukrainischen Stadt Butscha bereitet der Westen noch schärfere Sanktionen gegen Russland vor. Foto: Matthew Hatcher/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Ukrainische Soldaten inspizieren die Trümmer einer zerstörten russischen Panzerkolonne auf einer Straße in Butscha, einem Vorort nördlich der Hauptstadt. Nach den Kriegsgräueln in der ukrainischen Stadt Butscha bereitet der Westen noch schärfere Sanktionen gegen Russland vor. Foto: Matthew Hatcher/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Keystone

Nach den Kriegsgräueln in der ukrainischen Stadt Butscha bereitet der Westen noch schärfere Sanktionen gegen Russland vor. Beteiligt ist neben der EU auch die Gruppe sieben führender Industrienationen (G7), in der Deutschland derzeit den Vorsitz führt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) deutete an, dass die neuen Strafmassnahmen noch diese Woche in Kraft treten. Einen sofortigen Stopp von Gas-, Öl- und Kohlelieferungen aus Russland lehnt die Bundesregierung am Montag aber weiterhin ab.

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Das Entsetzen über die Bilder aus Butscha – einer Vorortgemeinde der ukrainischen Hauptstadt Kiew – ist weiterhin gross. Dort waren am Wochenende nach dem Rückzug der russischen Truppen Hunderte Leichen entdeckt worden. Manche lagen mit gefesselten Händen auf der Strasse. Die Zeitung «Ukrajinska Prawda» meldete unter Berufung auf einen Bestattungsdienst, bis Sonntagabend seien 330 bis 340 leblose Körper eingesammelt worden. Auch in anderen Gemeinden in der Umgebung Kiews wurden Todesopfer entdeckt.

Die Ukraine macht für das Massaker in Butscha russische Truppen verantwortlich, die vor einigen Tagen abgezogen waren. Moskau bestreitet das und spricht von «Fälschung». Die Suche nach weiteren Opfern dauerte auch am Montag an. Die ukrainischen Behörden waren weiter dabei, Spuren zu sichern. Dabei sollen sie in den nächsten Tagen internationale Hilfe bekommen. Mehr als 280 Tote wurden bereits in einem Massengrab beigesetzt.

Weitere Sanktionen der EU gegen Russland werden nach den Worten von Vizekanzler Habeck noch diese Woche folgen. Das neue Sanktionspaket – inzwischen das fünfte – könne Massnahmen umfassen «in der ganzen Bandbreite von persönlichen Sanktionen gegen weitere Menschen aus dem Putin-Regime über technische Güter», sagte der Grünen-Politiker im ZDF. «Den Finanzmarkt werden wir uns auch noch einmal anschauen.» Der Westen hat wegen des russischen Angriffs auf das Nachbarland bereits beispiellose Sanktionen verhängt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äusserte die Befürchtung, dass sich nach dem Massaker in Butscha noch «schrecklichere Dinge auftun könnten». Andere Regionen des Landes stünden noch unter russischer Kontrolle. Dort könnten «noch mehr Tote und Misshandlungen» bekannt werden. Nach ukrainischen Angaben wurden mehr als 140 von 410 geborgenen Leichen aus der Region Kiew obduziert. «Das ist eine Hölle, die dokumentiert werden muss, damit die Unmenschen, die sie geschaffen haben, bestraft werden», erklärte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte, Russland vor der internationalen Justiz wegen Kriegsverbrechen zur Verantwortung zu ziehen. «Es ist klar, dass es heute ganze klare Hinweise auf Kriegsverbrechen gibt. Es war die russische Armee, die in Butscha war», sagte Macron am Montag dem Radiosender France Inter. Zugleich bot er Hilfe bei den Ermittlungen an.

In anderen Teilen der Ukraine gingen die Kämpfe weiter. Die Städte Odessa und Mykolajiw meldeten neue russische Raketenangriffe in der Nacht zum Montag. Von russischer Seite gab es dafür zunächst keine Bestätigung. Das Verteidigungsministerium in Moskau berichtete aber von Attacken auf Stellungen der ukranischen Armee. Der Krieg dauert inzwischen schon fünfeinhalb Wochen.

Auch die Debatte um Deutschlands Rolle in den Beziehungen zu Russland ging weiter. Selenskyj lud Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer Reise nach Butscha ein, um sich ein Bild ihrer «gescheiterten Russland-Politik» zu machen. Die CDU-Politikerin verteidigte jedoch die Entscheidung von 2008, die Ukraine nicht in die Nato aufzunehmen. «Bundeskanzlerin a. D. Dr. Angela Merkel steht zu ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Nato-Gipfel 2008 in Bukarest», teilte eine Sprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

Abgeordnete von Union und FDP verlangten eine Aufarbeitung. «Alle sind aufgefordert, mit zeitlichem Abstand zu fragen: Waren wir zu naiv? Haben wir die Lage richtig eingeschätzt?», sagte CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er schlug eine Enquete-Kommission vor. FDP-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Vogel sprach sich in der «Neuen Westfälischen» für eine Analyse im Bundestag aus, warum von Vorgängerregierungen eine «solch fehlgeleitete und energiepolitisch naive Russlandpolitik gemacht werden konnte.»

Der ukrainische Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk hatte zuvor schwere Vorwürfe gegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhoben.