Folgen der ApartheidSüdafrika und die Vergangenheit – Denkmäler sorgen für Ärger
Christopher Torchia, AP
27.12.2018
Fast 25 Jahre sind seit dem Ende der weissen Minderheitsherrschaft in Südafrika vergangen. Aber es stehen immer noch Statuen einstiger Protagonisten der Repression. Sollen sie bleiben oder verschwinden? Da gibt es Zwiespälte und Widersprüche.
Schon seit Jahren wird in Südafrika über diese Statue heftig gestritten. Sie steht auf dem Church Square im Zentrum der Hauptstadt Pretoria und stellt Paul Kruger dar, den Führer der Buren im späten 19. Jahrhundert, komplett mit Zylinder und Gehstock. Schwarze Demonstranten fordern regelmässig eine Entfernung des Denkmals, Weisse plädieren für den Erhalt.
Die Statue ragt auf diesem Platz immer noch auf – fast 25 Jahre nach Ende der weissen Minderheitsherrschaft. Und sorgt damit immer wieder für mächtig Ärger. So sehr, dass sie 2016 sogar in Flammen stand.
Die Behörden zogen schliesslich Stacheldraht um das Denkmal – und einen stabileren Zaun drumherum.
Der Streit um ihr Schicksal hat einen tieferen Hintergrund und ist Teil einer anhaltenden Debatte darüber, ob Relikte der Apartheid ganz verschwinden oder als Erinnerung an eine ungute Vergangenheit bleiben sollten.
Die Diskussion ähnelt jener in den USA um Konföderierten-Denkmäler aus der Bürgerkriegszeit (1861-1865). Manche wurden nach Protesten und Vandalismus entfernt, andere sind geblieben.
Rasissmus ist immer noch vorhanden
Die US-Akademikerin Nicole Maurantonio von der University of Richmond (Virginia) arbeitet derzeit an einem Buch darüber, wie die Amerikaner heute mit diesem Teil ihrer Geschichte, der Konföderation, umgehen. Ihr Fazit bei einem kürzlichen Vortrag in Johannesburg: Die Entfernung einer Statue sei nicht das Ende der Debatte über ein gesellschaftspolitisches Vermächtnis.
So monierte Maurantonio die rasche Säuberung von beschmutzten Denkmälern wie jenem von Südstaaten-General Robert E. Lee in Richmond. Demonstranten hatten die Statue im August mit roter Farbe und den Buchstaben «BLM» beschmiert, ein Kürzel für die Schwarzen-Bewegung «Black Lives Matter» («Schwarze Leben zählen»). Durch ihre rasche Graffiti-Entfernung habe die Stadt ein «strategisches Vergessen» praktiziert, rügte die Expertin. Das betreffe nicht nur ihre Vergangenheit systematischer Unterdrückung nichtweisser Menschen, sondern auch andauernde Rassismusprobleme.
Exkremente als Zeichen des Unmutes
In Südafrika war bei Protesten 2015 eine Statue des britischen Imperialisten Cecil John Rhodes mit Exkrementen beworfen worden. Dieses Denkmal auf dem Gelände der Universität von Kapstadt wurde dann später entfernt, aber eine andere Rhodes-Statue in einem städtischen Park steht noch.
Der 1902 gestorbene Rhodes war ein Verfechter der Trennung zwischen Schwarzen und Weissen, der ein Vermögen im Bergbau verdiente und der einheimischen Bevölkerung Land raubte. Aber sein Name wird auch mit Bildung und Wohltaten verbunden. Es gibt eine südafrikanische Stiftung, die sowohl seinen Namen als auch den des früheren Anti-Apartheid-Kämpfers und späteren südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela trägt.
Der 1904 gestorbene Kruger vertrat die Buren, die grösstenteils von niederländischen Siedlern abstammten, im Krieg gegen die Briten. Die Statue in Pretoria wurde 1954 von D.F. Malan enthüllt, der als Premierminister das System der Apartheid vorantrieb.
Südafrikas staatliche Behörde für kulturelles Erbe konzentriert ihre Bemühungen nach eigenen Angaben auf Orte, die eine besondere Bedeutung für einst unterdrückte Gruppen haben. Ein Beispiel dafür ist das Wrack eines portugiesischen Schiffs mit Sklaven vor Kapstadt. Es sank 1794 bei schlechtem Wetter, viele der mehr als 400 Afrikaner an Bord kamen ums Leben.
Aber die Zwiespälte und Widersprüche im Umgang mit den schmerzlichen Relikten vergangener Unterdrückung sind unübersehbar. So wurde etwa John Vorster Square – dort misshandelte und folterte die Polizei in der Apartheid-Zeit Verdächtige, im Jahr 1997 in Johannesburg Central Police Station umbenannt und eine Büste Vorsters entfernt. Der weisse Nationalist und Apartheid-Anhänger war von 1966 bis 1978 Regierungschef und anschliessend für kurze Zeit Staatspräsident.
Aber Südafrikas grösster Wildschutz-Nationalpark ist nach Kruger benannt, und seine Statue überlebte eine jüngste Renovierung des Church Square in Pretoria. Es gibt indes Überlegungen, Skulpturen hinzufügen, die an den Kampf gegen die Apartheid erinnerten, wie Solly Msimanga bei einer Zeremonie im Oktober mitteilte. Er ist der Bürgermeister des Grossraumes Tshwane, zu dem Pretoria gehört.
Also sozusagen ein dritter Weg? Msimanga weist darauf hin, dass es an den Union Buildings in der Hauptstadt, die die Büros des Präsidenten beherbergen, sowohl eine Statue Mandelas als auch eine von Louis Botha gebe – einem weissen südafrikanischen Führer im frühen 20. Jahrhundert.
Gandhi-Statue war ebenfalls umstritten
Just am 16. Dezember hat sich der Tag der Enthüllung der Mandela-Statue an den Union Buildings zum fünften Mal gejährt. Das Ereignis damals markierte den Abschluss einer zehntägigen Trauerperiode nach Mandelas Tod. Das Denkmal ersetzte eine weitaus kleinere Statue von Barry Hertzog, dem Führer der weissen südafrikanischen Regierung vor dem Zweiten Weltkrieg. Letzteres Denkmal wurde an einen anderen Ort an den Union Buildings verpflanzt.
Manchmal spielten kommerzielle und politische Faktoren bei der Errichtung von Statuen und der Ortswahl eine Rolle, sagt Forscher Temba Middelmann. Es gebe aber auch ein Element der «Willkürlichkeit». Middelmann erinnert unter anderem an die indische Unterstützung für eine Mahatma-Gandhi-Statue in Johannesburg, die dann 2015 beschmutzt wurde – nach Protesten, denen zufolge der indische Unabhängigkeitsführer eine rassistische Haltung gegenüber Afrikanern gehabt haben soll.
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