Zweifelhafter «Versöhnungsprozess»Syriens neue Realität: Ex-Rebellen nun Mittelsmänner für Assad-Armee
Bassem Mroue, AP
20.7.2018
In den syrischen Gebieten, die wieder unter der Kontrolle Assads stehen, arrangieren sich Tausende Rebellen mit dem sogenannten Versöhnungsprozess. Doch dahinter steckt ein harter Deal: Wer seine Waffen nicht abliefert, muss ins Exil.
Der frühere Rebellenführer Omar Melhem steht für die neue Realität in Syrien. Er war Oberst der Armee, als im Jahr 2011 der Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad begann. Ein Jahr später desertierte er und schloss sich dem bewaffneten Widerstand gegen den syrischen Machthaber an. Doch als Assads Streitkräfte in Melhems Heimatort Talbise nördlich von Homs einmarschierten, gehörte er zu den Tausenden von Rebellen, die ihre Waffen abgaben und einem Kapitulationsabkommen zustimmten, das ihnen erlaubte, zu bleiben, statt in den Norden des Landes zu gehen.
Seit die syrische Regierung die Kontrolle über die Hochburgen der Opposition zurückgewinnt, gibt es dieses Nebeneinander von Militär und früheren Rebellen immer häufiger. Melhem ist nun Verbindungsmann zwischen den Bewohnern, anderen früheren Rebellen und der syrischen Regierung. Der 51-Jährige hilft manchen, wieder ins Militär zurückzukehren, und verhandelt mit den obersten Sicherheitsbehörden über die Versorgung der Bevölkerung.
«Die Menschen waren kriegsmüde»
Melhem sagt, der Krieg habe seiner Stadt nur Tod und Zerstörung gebracht und das Abkommen zwischen den Rebellen und der Regierung habe das jahrelange Leid der Bewohner beenden sollen. «Die Menschen waren kriegsmüde, hatten genug von den Kämpfen und der Zerstörung. Und sie sind zu dem Schluss gekommen, dass sie von anderen Ländern nur benutzt wurden, dass sie nur Spielball waren», sagt Melhem und meint damit die USA und andere westliche Staaten, die Türkei und die Golfstaaten, die die Rebellen unterstützt haben, sowie Russland und den Iran, die sich hinter die syrische Regierung gestellt haben.
Und so sind Talbise und das nahe gelegene Rastan, die sich als zwei der ersten Städte gegen Assad erhoben, nun Teil von etwas, das die einen Versöhnungsprozess nennen, die anderen jedoch als eine schmachvolle Kapitulation ansehen, die auf Jahre der willkürlichen Bombardierung und Besatzung folgte. Hunderte Kämpfer gingen daher mit ihren Familien in die von den Rebellen kontrollierten Gebiete in Nordsyrien — wie Zehntausende andere Oppositionelle.
Melhem trägt Listen mit sich, auf denen die Namen der Rebellen in der Stadt und die zurückgegebenen Waffen verzeichnet sind. Damit versucht er, bessere Bedingungen auszuhandeln. Einmal beschwerte er sich bei einem Armeeoberst, dass weder Wasser noch Strom rund um die Uhr verfügbar seien. Als Antwort erhielt er, er solle sich gedulden. Es sei weniger als zwei Monate her, dass die Stadt zurückerobert worden sei.
Frühere Aufständische streifen durch die Strassen
Ein anderes Mal erklärte Melhem, die Bewohner würden mit allen kooperieren, die gut mit ihnen umgingen und jegliche Misshandlung ablehnten. Der Oberst antwortete: «Bist du gekommen, um mit deinen Muskeln zu spielen?» Dann lachten beide.
Talbise und Rastan sind weitgehend verlassen. In Talbise lebten einst 70 000 Menschen, jetzt sind es nur noch wenige Tausend. Ein Team der Nachrichtenagentur AP ist als erste ausländische Reportergruppe dorthin gereist. Frühere Aufständische streifen durch die Strassen, viele ohne Arbeit. Sie sagen, es sei ihnen nicht erlaubt, die Gegend zu verlassen. Sie beklagen, die syrische Regierung belange sie wegen Steuerschulden aus dem Jahr 2011. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, die leeren Wohnhäuser voller Einschusslöcher und Granatschäden. Am Ortseingang steht ein riesiges Poster von Assad.
Der Konflikt in Syrien, der eine halbe Million Menschen das Leben gekostet und die Hälfte der Bevölkerung zu Flüchtlingen gemacht hat, brach im März 2011 aus. Damals forderten Demonstranten, inspiriert vom Arabischen Frühling, in der südsyrischen Stadt Daraa Reformen und mehr Freiheiten. Binnen Tagen weiteten sich die Proteste im ganzen Land aus, und nachdem die Regierung zwei Monate lang hart gegen die Demonstranten vorgegangen war, begannen Kämpfer in Talbise und Rastan zurückzuschiessen, mit Maschinengewehren und raketengetriebenen Granaten.
Die zwei Städte versanken in Blutvergiessen und litten unter jahrelanger Besatzung durch die Regierung, während der die Bewohner mit wenigen Lebensmitteln auskommen mussten. Erst im vergangenen Jahr wurden sie einer der vier Deeskalationszonen zugeordnet, die Russland, der Iran und die Türkei vereinbart hatten.
«Wir können nicht behaupten, dass wir uns wirklich versöhnt haben.»
Melhem war der militärische Anführer von Dschaisch al-Tauhid gewesen, der grössten Rebellengruppe der Region mit rund 3000 Mitgliedern. Er brüstet sich heute aber nicht damit, die syrischen Regierungstruppen bekämpft zu haben - sondern die Region 2015 von der Terrormiliz Islamischer Staat befreit zu haben sowie von Al-Kaida-nahen Kämpfern ein Jahr zuvor. «Dschaisch al-Tauhid wurde gegründet, um Daesch zu bekämpfen, wir haben sie aus unserer Gegend verjagt», sagt Melhem und benutzt einen arabischen Begriff für den IS.
Die Regierungstruppen marschierten am 18. Mai in Talbise ein, die Rebellen händigten ihnen ihre Waffen aus. Jussef Sibahi, Oberst der syrischen Armee in der Region, sagt: «Wir können nicht behaupten, dass wir uns wirklich versöhnt haben, im wahren Sinne des Wortes.» Als die Regierungstruppen die Kontrolle in der Gegend übernommen hätten, sei den Rebellen klar geworden, dass es ihnen nun an den Kragen ginge. «Sie waren gezwungen aufzugeben, und nach aussen hiess das dann Versöhnung.»
Sibahi ist mit Melhem im Gespräch und sagt, der frühere Rebellenführer habe dabei geholfen, das Abkommen über das Ende der Kämpfe zu koordinieren. Sibahi warnt die Aufständischen in anderen Teilen Syriens: Lehnten sie einen Vertrag ab, «wird die Gegend mit Zerstörung und Tod erobert. Es gibt keine andere Wahl.»
Melhem selbst erklärt, er bedaure weder, dass er zu den Waffen gegriffen habe, um seine Stadt zu verteidigen, noch die Kapitulation anerkannt zu haben: «Das wurde uns aufgezwungen und wir mussten tun, was wir taten. Ich bin glücklich mit dem, was ich erreicht habe», sagt er über das Abkommen. «Syrien ist ein Land.»
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Und sie tun es immer noch: In Rio De Janeiro tummeln sich grosse Menschenmengen auf engem Raum am Strand von Ipanema in Rio de Janeiro. Und das obwohl Brasilien nach wie vor sehr hohe Corona-Fallzahlen hat.
Bild: Bruna Prado/AP/dpa
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Bild: Brenton Edwards/ADELAIDE ADVERTISER/AAP/dpa
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