AfghanistanTaliban lassen rund 200 Ausländer ausreisen
dpa
9.9.2021 - 17:33
Verhandlungen über noch in Afghanistan verbliebene amerikanische Staatsbürger haben offenbar Früchte getragen: Die Taliban lassen nach katarischen Angaben Dutzende Ausländer aus Kabul abfliegen. Was aus vielen zurückgebliebenen Ortskräften wird, ist indes noch offen.
09.09.2021, 17:33
dpa
Die Taliban haben rund 200 Angehörigen von westlichen Staaten den Abflug aus Kabul erlaubt. Eine Maschine von Qatar Airways nach Doha hob am Donnerstag mit Amerikanern, Inhabern von Green Cards für den dauerhaften Aufenthalt in den USA sowie unter anderem deutschen, ungarischen und kanadischen Staatsbürgern vom Flughafen der Hauptstadt Afghanistans ab, wie eine ranghohe US-Gewährsperson mitteilte. Zwei führende Taliban-Mitglieder hätten deren Ausreise ermöglicht.
Kontrolleure der Islamisten patrouillierten zuvor auf dem Rollfeld, während Passagiere ihre Reisedokumente vorzeigen mussten. Spürhunde schnüffelten an auf dem Boden liegenden Gepäckstücken. Einige der langjährigen Flughafenmitarbeiter kehrten zum Dienst zurück.
Der zwölf Jahre alte Passagier Irfan Popalsai bestieg das Flugzeug mit seiner Mutter und seinen fünf Geschwistern. Seine Familie lebe im US-Staat Maryland, sagte er. «Ich bin ein Afghane, aber wissen Sie, ich komme aus Amerika und ich bin so froh, (wegzugehen)».
Es war der erste Auslandsflug vom Flughafen seit dessen Schliessung nach dem endgültigen Abzug des US-Militärs Ende August. Begleitet wurde der Truppenrückzug von hastig organisierten Evakuierungsflügen, die mehr als 100 000 Ausländer und afghanische Ortskräfte ausser Landes brachten.
Dramatische Szenen
Der Kabuler Airport wurde Schauplatz dramatischer Szenen, die das Ende des 20 Jahre langen Krieges der US-geführten Militärkoalition prägen sollten: Verzweifelte Afghanen klammerten sich nach der Machtübernahme der Taliban auf dem Rollfeld an eine US-Militärmaschine und stürzten in den Tod, als das Flugzeug über Kabul an Höhe gewann. Tage später kam es vor dem Flughafen zu einem Selbstmordanschlag, bei dem 169 afghanische Staatsbürger und 13 US-Militärangehörige getötet wurden.
Massive Schäden am Airportgelände warfen die Frage auf, ab wann von dort wieder kommerzielle Flüge abheben könnten. Techniker aus Katar und der Türkei arbeiten an einer Wiederaufnahme des Betriebs.
Während des Boardings der rund 200 Passagiere verkündeten katarische Beamte auf der Rollbahn, dass der Flughafen nun wieder einsatzbereit sei. Mutlak bin Madsched al-Kahtani, ein Sondergesandter des Emirats, sprach von einem «historischen Tag» für Afghanistan. «Nennen Sie es, wie Sie wollen, einen Charter- oder einen kommerziellen Flug, alle haben Flugtickets und Bordpässe.» Er hoffe, dass ein weiterer Flug am Freitag starten könne. «Hoffentlich wird das Leben in Afghanistan normal», ergänzte Al-Kahtani.
Ein anderer Diplomat sagte, dass in den kommenden Tagen 200 weitere Ausländer, darunter US-Staatsbürger, ebenfalls ausreisen dürften.
Die Ausreiseerlaubnis für eine grosse Gruppe von Amerikanerinnen und Amerikanern liess Beobachter auf eine Einigung zwischen den USA und den Taliban schliessen, die Afghanistan nun regieren. Offen bleibt aber das Schicksal von Zehntausenden afghanischen Staatsbürgern, die aus Furcht vor einer Neuauflage der drakonischen Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 das Land verlassen wollen.
Erst in jüngsten Tagen hatte es eine Konfrontation darüber gegeben, ob US-Bürger und Hunderte afghanische Ortskräfte an Bord von privat organisierten Charterflügen vom Flughafen in Masar-i-Scharif in Nordafghanistan ausfliegen können. Die Taliban hatten betont, dass nur jene mit gültigen Reisedokumenten gehen dürften. Viele Ausreisewillige am Flughafen hätten solche Papiere jedoch nicht. Dutzende dieser Menschen sind am Flughafen in Masar-i-Scharif gestrandet.
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