Gut zwei Wochen nach der gewonnenen Parlamentswahl hat der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte die bisher grösste Krise seiner Laufbahn überstanden. Doch wegen einer Reihe von Unwahrheiten ist der 54-Jährige politisch schwer beschädigt.
02.04.2021, 15:27
SDA
Nach einer langen und turbulenten Debatte verfehlte in der Nacht zum Freitag ein Misstrauensantrag der Opposition nur knapp eine Mehrheit. Aber fast alle Parteien verurteilten Ruttes Verhalten aufs Schärfste. Rutte kündigte an, er wolle im Amt bleiben und erneut eine Koalition bilden. Doch es ist zweifelhaft, ob es ihm gelingen wird, Koalitionspartner zu finden und nach mehr als zehn Jahren auch zum vierten Mal Regierungschef zu werden.
Eine Reihe von Unwahrheiten und Verschleierungen während der ersten Gespräche über die Bildung einer neuen Koalition hatten zu der beispiellosen Krise geführt. Vor allem wurde ihm übel genommen, dass er den Eindruck erweckt hatte, den unbequemen Abgeordneten Pieter Omtzigt loswerden zu wollen. Ausserdem sagte er nicht die Wahrheit. Als Rutte damit im Parlament konfrontiert wurde, sagte er: «Ich kann mich daran nicht erinnern.»
«Lügner», «Sonnenkönig» und «Machtmissbrauch» hatten ihm Abgeordnete fast aller Parteien in der mehr als 13 Stunden langen Debatte in der Zweiten Kammer des Parlaments vorgeworfen. Am Ende unterstützten ihn seine bisherigen Koalitionspartner doch noch. Ausschlaggebend war für sie auch die Corona-Krise.
Dennoch ist Rutte nach Ansicht aller Beobachter schwer angeschlagen. Eine grosse Mehrheit der Parteien sprach tiefste Missbilligung für sein Verhalten aus. «Am Ende war es eine Lüge zu viel», urteilte die Zeitung «De Telegraaf» am Freitag.
Fraglich ist damit, ob es dem Ministerpräsidenten noch gelingen wird, eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Denn auch seine bisherigen Partner distanzierten sich deutlich von ihm. Die linksliberale D66 und die christdemokratische CDA erklärten, eine neue Koalition unter Rutte sei «keine Selbstverständlichkeit». Sie wollen die Osterpause nutzen, um über die künftige Zusammenarbeit nachzudenken. Der Rechtspopulist Geert Wilders, der die Vertrauensfrage gestellt hatte, sprach vom «Ende der Ära Rutte».
Der 54 Jahre alte Regierungschef versprach noch in der Nacht, alles zu tun, um das Vertrauen zurück zu gewinnen. «Wo Vertrauen verletzt wurde, werde ich hart daran arbeiten, um das wiederherzustellen», sagte Rutte. Das Votum des Parlaments sei ein «ernsthaftes Signal».
Am Donnerstag war bekannt geworden, dass Rutte versucht hatte, den kritischen christdemokratischen Abgeordneten Omtzigt, aus dem Parlament wegzuloben. Rutte bat das Parlament und den 47-Jährigen dafür um Verzeihung.
Omtzigt ist ein äusserst populärer Politiker, der sich hartnäckig für die Aufklärung von Missständen einsetzt. Er hatte zuletzt gemeinsam mit anderen eine Affäre um Kinderbeihilfen ans Licht gebracht. Zehntausende von Eltern waren fälschlicherweise von den Steuerbehörden als Betrüger dargestellt worden und mussten Zehntausende Euro bezahlen. Die Affäre führte zum Rücktritt der Regierung Rutte im Januar. Rutte ist seitdem nur noch geschäftsführend im Amt. Doch bei der Wahl am 17. März wurde seine Partei VVD erneut mit Abstand stärkste Kraft.
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