USA Test für die US-Demokratie: Anklage gegen Trump in Dokumentenaffäre

SDA

9.6.2023 - 16:25

Das US-Ministerium für Justiz in Washington verklagt den früheren Präsidenten Donald Trump. Foto: Manuel Balce Ceneta/AP
Das US-Ministerium für Justiz in Washington verklagt den früheren Präsidenten Donald Trump. Foto: Manuel Balce Ceneta/AP
Keystone

Historischer Schritt zu heikler Zeit: Die US-Justiz hat den früheren Präsidenten und aktuellen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump erneut angeklagt.

Das teilten Trump und seine Anwälte am Donnerstagabend (Ortszeit) mit. Hintergrund ist die Affäre um Trumps Umgang mit geheimen Regierungsunterlagen nach seinem Abschied aus dem Weissen Haus. Die beispiellose Anklage fällt mitten in den ohnehin aufgeladenen Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2024 und stellt die US-Demokratie einmal mehr auf die Probe.

Es ist das erste Mal, dass gegen einen Ex-Präsidenten der USA auf Bundesebene Anklage erhoben wird. Übereinstimmenden Medienberichten und Trumps Anwalt Jim Trusty zufolge geht es um sieben Anklagepunkte, die noch unter Verschluss sind. Die Vorwürfe drehen sich demnach unter anderem um den gesetzeswidrigen Umgang mit sensiblen Informationen zur US-Verteidigung, Falschaussage und Behinderung der Justiz.

Die Bundespolizei FBI hatte im August Trumps Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida untersucht und dort zahlreiche Verschlusssachen beschlagnahmt, einige mit höchster Geheimhaltungsstufe. Dadurch, dass der Republikaner die Unterlagen lange nach seinem Abschied aus dem Präsidentenamt in seinem Privathaus aufbewahrt hatte, könnte er sich strafbar gemacht haben.

Nachdem Trump im November offiziell verkündete, bei der Wahl 2024 erneut anzutreten, setzte das Justizministerium den unabhängigen Sonderermittler Jack Smith ein, um die politisch heiklen Ermittlungen gegen Trump auszulagern.

In Umfragen liegt Trump im Feld der republikanischen Präsidentschaftsanwärter weit vorne. Er wertete die Anklage gegen ihn als «Wahleinmischung auf höchster Ebene». Trump warf den Demokraten und US-Präsident Joe Biden, der 2024 für eine zweite Amtszeit antritt, einmal mehr vor, eine politisch motivierte Hexenjagd gegen ihn zu betreiben, um ihn vom Wiedereinzug ins Weisse Haus abzuhalten. Es handele sich um «Kriegsführung» mit juristischen Mitteln, klagte Trump und beteuerte: «Ich bin ein unschuldiger Mann.»

Trumps Anwalt Trusty sagte, die Justiz habe nun den «Rubikon überschritten». Auch hochrangige Trump-Unterstützer schwärmten sofort aus, um auf allen Kanälen das Narrativ zu verbreiten, dass Biden persönlich die Strafverfolgung gegen seinen Kontrahenten vorantreibe und dies quasi den Untergang der amerikanischen Demokratie einleite.

Dabei hatte ausgerechnet Trump die US-Demokratie an ihre Grenzen gebracht: mit seinem Feldzug gegen den Ausgang der Präsidentenwahl 2020, der in der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols gipfelte. Damals hielt das Verfassungssystem dem Angriff stand. Doch das Land als Ganzes hat sich nie komplett von der Attacke erholt: Das von Trump gesäte Misstrauen in das Wahlsystem und staatliche Institutionen ist bei vielen Amerikanern geblieben – und wird nun noch befeuert.

Trump war im April bereits im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar auf Bundesstaaten-Ebene in New York angeklagt worden. In einem Zivilverfahren wurde er vor wenigen Wochen dann vor Gericht für einen sexuellen Übergriff verantwortlich gemacht.

Bislang wiegen die Vorwürfe im Zusammenhang mit den Dokumenten am schwersten. Es wird aber noch in anderen Fällen gegen Trump ermittelt, im Zusammenhang mit seinen Versuchen, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 zu kippen. Es könnten also womöglich weitere Anklagen folgen – und die könnten erst so richtig gefährlich für ihn werden.

Bislang hält Trump juristisch nichts davon ab, bei der Wahl 2024 anzutreten. Je nachdem wie genau diese Anklage aber aussieht und mögliche weitere Anklagen am Ende ausfallen, könnte sich das ändern. Das Problem dabei: Ob in einem der Fälle bis zum Wahltermin Anfang November 2024 überhaupt ein rechtskräftiges Urteil vorliegen könnte, ist offen.

Noch steht die Parteiprominenz der Republikaner stramm an Trumps Seite, tut eine Anklage nach der anderen als politisch motivierte Strafverfolgung ab. Selbst Trumps grösster Konkurrent um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, eilte seinem Parteikollegen zu Hilfe und warf Biden vor, die Strafverfolgungsbehörden des Bundes als «Waffe» einzusetzen.

Doch könnte irgendwann ein Ermüdungseffekt einsetzen? Stehen das Parteiestablishment und seine Anhänger auch nach einer möglichen dritten oder vierten Anklage noch mit Verve zu Trump?

Trump hat bisherige Ermittlungen und die erste Anklage gegen ihn genutzt, um seine Basis anzuheizen und Spenden zu sammeln. Das tut er auch jetzt. Auf seiner Webseite rief sein Team am Freitag mit Blick auf die neue Anklage zu Spenden auf. Der Demokrat Adam Schiff argumentierte: «Der Gewinn der Präsidentschaft könnte seine einzige Hoffnung sein, einer Gefängnisstrafe zu entgehen.»

Ironie der Geschichte: Im Wahlkampf 2016 hatte Trump seine damalige demokratische Kontrahentin Hillary Clinton wegen ähnlicher Vorwürfe zum Umgang mit sensiblen Regierungsinformationen hart angegriffen. Clinton hatte in ihrer Zeit als Aussenministerin E-Mails auch über einen privaten Server verschickt – die Affäre galt als einer der wesentlichen Gründe für ihre Niederlage gegen Trump.

Dessen Anhänger johlten damals «Sperrt sie ein». Und Trump selbst wetterte, Clinton habe sich durch ihr Verhalten für das Präsidentenamt disqualifiziert.