Zehntausende auf der Flucht Tödliche Feuerhölle im kalifornischen Paradies

Barbara Munker, dpa

10.11.2018

Im Ort Paradise steht ein Gebäude lichterloh in Flammen. Tausende Menschen sind in Kalifornien auf der Flucht vor Waldbränden.
Im Ort Paradise steht ein Gebäude lichterloh in Flammen. Tausende Menschen sind in Kalifornien auf der Flucht vor Waldbränden.
Noah Berger/AP

Autos sind zu Schrotthaufen eingeschmolzen, von Häuser ist nur noch Asche übrig. Mindestens neun Menschen sterben in einem Feuer-Inferno in Nordkalifornien. In südlichen Malibu sind Zehntausende auf der Flucht.

Eine Feuerwalze hat ihr Paradies zerstört: Den Einwohnern der kleinen Ortschaft Paradise im ländlichen Norden Kaliforniens ist nichts geblieben, als eine aschgraue Mondlandschaft, Trauer um die Toten und Sorge um die Vermissten. Fast die gesamte Ortschaft ist abgebrannt.

Die erste Bilanz des Schreckenszenarios: neun verkohlte Leichen, mehr als 6000 abgebrannte Häuser. Von Geschäften, Kirchen und Restaurants in dem einst idyllischen Ort in den Hügeln am Rande des Sierra-Nevada-Gebirges sind nur noch schwelende Ruinen übrig.

Auch das Surfer-Paradies Malibu in Südkalifornien und umliegende Promi-Orte sind zu Feuerhölle geworden. Die berüchtigten Santa-Ana-Winde treiben heftige Buschfeuer an und damit Zehntausende Menschen in die Flucht. Auch vor teuren Villen hinter hohen Mauern machen die Flammen nicht halt. Malibu wurde geräumt; die Stadt bei Los Angeles ist als Wohnort von Prominenten wie Thomas Gottschalk und Barbra Streisand bekannt. Stars wie Lady Gaga, Guillermo del Toro und Orlando Bloom brachten sich vor der Feuerwalze in Schutz.

«Dies ist meine Strasse vor zwei Stunden», schrieb der «Fluch der Karibik»-Star Bloom (41) am Freitag auf Instagram zu einem Foto mit einer orangeglühenden Flammenwand gleich hinter Häusern. Er bete dafür, dass alle aus Malibu in Sicherheit seien. Er sei letzte Nacht geflüchtet, schrieb Oscar-Preisträger Guillermo del Toro (54) auf Twitter. Sein Haus und seine Sachen mögen in Gefahr sein, aber «das Geschenk des Lebens» sei ihm geblieben. Der Regisseur appellierte an die Bewohner, ihre Häuser zu verlassen.

«Wir sind alle in Sicherheit, und das ist das Wichtigste», schrieb Reality-TV-Star Kim Kardashian (38) auf Twitter. Die Flammen hätten sich bis an den Rand ihres Anwesens in Hidden Hills gefressen, aber nun sei die Gefahr wohl gebannt. «Doctor Strange»-Regisseur Scott Derrickson (52) hatte weniger Glück. «Wir haben unser Haus verloren», schrieb er am Freitag auf Twitter, aber er sei mit seiner Familie dem «Inferno» entkommen.

Das Flammenchaos trieb rund 90 000 Menschen in Südkalifornien in die Flucht. Der sonst malerische Pacific Highway war in dichten Rauch gehüllt, auf der Küstenstrasse staute sich kilometerlang der Verkehr. Nach ersten Schätzungen der Behörden sind im Raum Malibu und im Bezirk Ventura County Dutzende Häuser abgebrannt, doch zunächst gab es keine Berichte über Tote oder Verletzte.

Umso dramatischer das Katastrophenszenario im Norden des «Goldenen Staates», wo orkanartige Winde die tödliche Feuerwalze am Donnerstag in Gang setzten. Bei der Flucht aus dem Ort Paradise spielten sich Tragödien ab. An den Strassenrändern stehen ausgebrannte, schwelende Autowracks mit geschmolzenen Reifen. Mindestens neun Menschen sind hier ums Leben gekommen, vier davon bis zur Unkenntlichkeit in ihren Fahrzeugen verbrannt, drei Leichen wurden vor verkohlten Häusern gefunden, teilte die Feuerwehr in der Nacht zum Samstag mit.

Vom Feuer zerstörte Autos. Die schweren Waldbrände in Kalifornien haben zu stellenweise katastrophaler Zerstörung geführt und nach Angaben der Behörden mindestens neun Menschen das Leben gekostet.
Vom Feuer zerstörte Autos. Die schweren Waldbrände in Kalifornien haben zu stellenweise katastrophaler Zerstörung geführt und nach Angaben der Behörden mindestens neun Menschen das Leben gekostet.
Rich Pedroncelli/AP/dpa

«Paradise ist zerstört»

Paradise, ein Ort mit 27 000 Einwohnern, ist zerstört, sagte Bürgermeisterin Jody Jones am Freitag. Etwa 80 Prozent der Gebäude seien abgebrannt. Die Häusermaklerin Debbie Teter hat kaum Hoffnung, dass ihr Haus noch steht. «Ich werden auch keinen Job mehr haben. Mein Büro ist sicher auch abgebrannt, und wer will hier noch Häuser kaufen», sagte die 53-Jährige dem «San Francisco Chronicle».

Mit mehr als 6000 zerstörten Häusern zählt das sogenannte «Camp Fire» in Paradise zu den schlimmsten Flächenbränden in der Geschichte Kaliforniens. Vor einem Jahr im Oktober wüteten mehrere Feuer nördlich von San Francisco in den beliebten Weinbauregionen um Napa und Sonoma. Die Bilanz: über 40 Tote, mehr als 5700 Gebäude vernichtet, eine Fläche grösser als New York City verkohlt.

Die schwersten Brände toben typischerweise in den Herbstmonaten im Anschluss an einen trockenen Sommer. Doch in dem dürregeplagten Westküstenstaat gibt es kaum noch Entwarnung. «Tagtäglich ist nun Feuersaison irgendwo in Kalifornien», klagt Ken Pimlott, Leiter der Brandschutzbehörde Cal Fire.

Auch für die Einwohner von Malibu ist die Feuersbrunst ein Déjà-vu-Erlebnis. Die ständige Bedrohung, besonders wenn die Santa-Ana-Winde wehen, ist die Kehrseite des Luxuslebens in dem Nobelort. Bei einem der schlimmsten Brände im Umland von Malibu kamen 1993 drei Menschen ums Leben. Damals brannten knapp 300 Häuser ab, darunter die Villen der Schauspieler Sean Penn und Ali McGraw.

«Ich mache mir Sorgen um mein Haus, aber ich kann nichts tun», schrieb die US-Sängerin Cher auf Twitter. «Mein ganzes Leben lang habe ich Zerstörung durch Feuer gesehen», erklärte der 72-jährige Star. Seit 1972 habe sie ein Haus in Malibu. «Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass es Malibu nicht mehr gäbe.»

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