Hassverbrechen in FloridaTödliche Schüsse auf Schwarze – Schütze kaufte Waffen legal
dpa
28.8.2023 - 06:32
Nach dem Hassverbrechen in Jacksonville zeigen sich Politiker jeglicher Couleur bestürzt. Floridas Gouverneur muss bei einer Totenwache aber offenbar wegen seiner Politik Buhrufe über sich ergehen lassen. Der Sheriff nennt neue Einzelheiten zum Schützen.
28.08.2023, 06:32
28.08.2023, 06:46
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Nach dem tödlichen Schusswaffenangriff eines Weissen auf drei Schwarze im US-Staat Florida gibt es neue Details zum Tathergang und mutmasslichen Schützen. Der 21-jährige Tatverdächtige habe seine Waffen in den vergangenen Monaten legal gekauft, obwohl er 2017 für eine psychiatrische Untersuchung in eine Klinik eingewiesen worden sei, sagte Sheriff T.K. Waters am Sonntag in Jacksonville. Demnach nutzte der junge Mann ein halbautomatisches AR-15-Gewehr und eine Glock-Pistole.
Die Verkäufer der Waffen hätten zuvor alle vorgeschriebenen Verfahren eingehalten. Da der mutmassliche Schütze jedoch nach seiner Untersuchung wieder entlassen wurde, fiel seine Einweisung bei der Hintergrundüberprüfung nicht auf, wie Sheriff Waters sagte. «Darin liegt das Problem. Wenn eine Person mit hasserfüllten Absichten nach einer Waffe greift, ist es sehr schwierig, so etwas zu verhindern.»
Der Tatort lag in einem mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Viertel von Jacksonville, zu dem der Tatverdächtige vom Nachbarbezirk Clay County fuhr, wo er bei seinen Eltern gewohnt hatte. Am Samstagmittag (Ortszeit) habe Ryan P. seinen Wagen zunächst an der Edward Water University geparkt, einer traditionell von Schwarzen besuchten Hochschule, sagte der Sheriff. Dann habe er von sich ein TikTok-Video mit kugelsicherer Weste und Handschuhen gemacht. Ein Mitglied des Sicherheitspersonals der Hochschule habe ihn entdeckt und in dessen Nähe geparkt. In ersten Mitteilungen hiess es, der Wachmann habe ihn aufgefordert, sich auszuweisen. P. habe dies verweigert, woraufhin er gebeten worden sei, das Gelände zu verlassen.
P. sei dann weggefahren, die Universität habe er offenbar nicht im Visier gehabt, erklärte der Sheriff. Vor einem Supermarkt gab P. kurz darauf elf Schüsse durch die Windschutzscheibe eines Autos ab, in dem eine Frau sass. Die 52-Jährige war sofort tot. Ein anderes Todesopfer – einen 19 Jahre alten Marktangestellten – jagte der Schütze durch den Laden. Ein 29-jähriger Kunde wurde erschossen, als er mit seiner Freundin das Geschäft betrat. Zudem habe P. weitere Menschen in dem Laden zu treffen versucht, jedoch mehrmals danebengeschossen.
Während der Tat schrieb P. seinem Vater eine Textnachricht und forderte ihn auf, seine Zimmertür aufzubrechen, wie der Sheriff mitteilte. Der Vater fand dort einen Abschiedsbrief, ein Testament und Texte, die Waters als rassistisch beschrieb. Der Sheriff bezeichnete die Schriften als «Tagebuch eines Verrückten»: «Er war einfach völlig irrational. Aber trotz seiner irrationalen Gedanken wusste er, was er tat. Er war zu 100 Prozent klar.»
Als Beamte das Geschäft stürmten, tötete sich P. selbst.
Präsident Joe Biden mahnte, die Bürger müssten klar und entschlossen betonen, dass die Ideologie einer Überlegenheit der Weissen keinen Platz in Amerika habe. «Wir müssen uns weigern, in einem Land zu leben, wo schwarze Familien, die zum Geschäft gehen, oder schwarze Studierende, die zur Hochschule gehen, in Furcht leben müssen, wegen ihrer Hautfarbe niedergeschossen zu werden», hiess es in der Erklärung Bidens vom Sonntag.
Floridas republikanischer Gouverneur Ron DeSantis, unter dem das Waffenrecht in dem Staat gelockert wurde, wurde am Abend bei einer Totenwache für die Opfer in Jacksonville mit lauten Buhrufen bedacht. Stadträtin Ju'Coby Pittman schritt ein und mahnte die Menge zur Ruhe. «Es geht heute nicht um Parteien», sagte sie. «Eine Kugel kennt keine Partei.»
DeSantis kündigte Unterstützung für die Opferfamilien und staatliche Finanzhilfen für Sicherheitsmassnahmen in der Edward Waters University an. Den Schützen bezeichnete der Gouverneur als «Top-Liga-Dreckskerl». Man werde nicht zulassen, dass Menschen in Florida wegen ihrer Ethnie ins Visier genommen würden.
Kritiker sahen eine Verbindung zwischen der rassistischen Attacke und einer politischen Rhetorik, die sich gegen «Wokeness» richte. Mit dem Begriff ist eine Wachsamkeit, also ein stärkeres Bewusstsein, für Zusammenhänge zwischen sozialen Missständen und Rassismus gemeint. Kritiker verwiesen unter dem Eindruck des Vorfalls in Jacksonville auf gesellschaftspolitische Entscheidungen der republikanischen Staatsregierung unter DeSantis, etwa jene, die Lehre von schwarzer Geschichte in Schulen in Florida einzuschränken. «Wir können nicht tatenlos zusehen, wie unsere Geschichte ausgelöscht wird, wie unsere Leben entwertet werden, wie Wokeness attackiert wird», sagte Angie Nixon, eine demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus von Florida.
Die tödlichen Schüsse in Jacksonville weckten Erinnerungen an frühere Hassverbrechen an schwarzen US-Bürgern. Im Mai 2022 tötete ein weisser Jugendlicher aus rassistischen Motiven in einem Supermarkt in Buffalo im Staat New York zehn Menschen. Im Juni 2015 erschoss ein ebenfalls junger Weisser während einer Bibelstunde in einer mehrheitlich von Afroamerikanern besuchten Episkopalkirche in Charleston im Staat South Carolina neun Menschen.