Vor knapp vier Wochen hat Boris Johnson seinen Rückzug von der Partei- und Regierungsspitze angekündigt. Aussenministerin Truss geht als Favoritin in die Stichwahl. Der Ton ist scharf. Wie geht es weiter?
Nun haben die Mitglieder das Wort: Seit Montag kann die Basis der Konservativen Partei über die Nachfolge des britischen Premierministers Boris Johnson abstimmen. Zur Wahl stehen Aussenministerin Liz Truss und Ex-Finanzminister Rishi Sunak. Die Wahlzettel sollen bis zum 5. August bei den Mitgliedern eintreffen, die dann bis zum 2. September per Brief oder online ihre Stimme abgeben können. Die Entscheidung kann bis dahin nochmal geändert werden. Das Ergebnis soll am 5. September verkündet werden.
Die Siegerin oder der Sieger zieht dann auch in den Regierungssitz in der Downing Street ein. Der amtierende Premier Johnson hatte am 7. Juli nach beispiellosem Druck aus dem Kabinett seinen Rückzug angekündigt. Vorausgegangen waren mehrere Skandale. Viele Konservative bedauern Johnsons Abgang.
Truss geht als Favoritin ins Rennen
Aussenministerin Truss (47) gilt auch deshalb als Favoritin, weil sie den scheidenden Premier wiederholt in Schutz nahm und ihm loyal zur Seite stand. Hingegen werfen parteiinterne Kritiker ihrem Kontrahenten Sunak (42) vor, mit seinem Rücktritt den Sturz Johnsons ausgelöst zu haben. Der Regierungschef selbst deutete dies ebenfalls an. Johnsons Vertraute Nadine Dorries sorgte mit einem Gastbeitrag in der Zeitung «Mail on Sunday» auch innerhalb der Tory-Partei für Empörung, in dem sie Sunak einen «Attentäter» nannte. Ausserdem retweetete die Kulturministerin ein Bild, das den früheren Finanzminister als Brutus zeigt, wie er Johnson als Julius Cäsar von hinten erdolcht.
Die Aussenministerin geht als Favoritin in die Abstimmung um die Nachfolge von Premierminister Boris Johnson.
Der Ex-Finanzminister Sunak wird parteiintern für seinen Rücktritt teils scharf kritisiert.
Tory-Mitglieder stimmen über Johnsons Nachfolge ab - Gallery
Die Aussenministerin geht als Favoritin in die Abstimmung um die Nachfolge von Premierminister Boris Johnson.
Der Ex-Finanzminister Sunak wird parteiintern für seinen Rücktritt teils scharf kritisiert.
Bereits während der Wahlgänge innerhalb der Tory-Fraktion hatten die zunächst acht Bewerberinnen und Bewerber einander scharf angegriffen. Spannend wird nun sein zu beobachten, ob Truss und Sunak in den kommenden Wochen den Ton ändern. Am Donnerstag treffen sie in einem TV-Duell aufeinander. Schon am Montagabend stellen sie sich in der südwestenglischen Stadt Exeter bei einer «Hustings» genannten Regionalkonferenz erneut den Fragen von Parteimitgliedern. Bis zum Ende der Abstimmungsfrist sind noch zehn solche «Hustings» geplant. Im Mittelpunkt steht vor allem die Steuerpolitik.
Kritik an Stichwahl im kleinen Kreis
Wahlberechtigt sind alle Mitglieder, die spätestens am 3. Juni in die Tory-Partei eingetreten sind. Für Kritik sorgt wie bei früheren Stichwahlen, dass nur ein kleiner Kreis von Menschen über die Person an der Spitze des Landes mit etwa 67 Millionen Einwohnern entscheidet.
Die Tory-Partei macht keine Angaben zur Zahl ihrer Mitglieder. Als 2019 Boris Johnson gewählt wurde, stimmten etwa 160’000 Menschen ab, rund 0,3 Prozent der gesamten Wählerschaft. Schätzungen gehen nun von bis zu 200’000 Mitgliedern aus. Eine vorgezogene Parlamentswahl nach der Entscheidung wird zwar von der Opposition gefordert, ist aber nicht vorgeschrieben. Die nächste reguläre landesweite Abstimmung ist für 2024 geplant.