Late Night USA «Trump legt das Fundament, um die Wahl anzufechten»

Von Philipp Dahm

31.7.2020

Werden diese Woche keine Freunde mehr: Donald Trump und «Late Show»-Host Seth Meyers.
Werden diese Woche keine Freunde mehr: Donald Trump und «Late Show»-Host Seth Meyers.
Screenshot: YouTube

Donald Trump bringt – natürlich via Twitter – eine Verschiebung der Präsidentschaftswahl ins Spiel. Ein Schachzug mit Ansage, meint «Late Show»-Host Seth Meyers.

Es sind keine 100 Tage mehr bis zu den US-Präsidentschaftswahlen und es gäbe vor Donald Trump eine Menge Gründe, warum ein späterer Termin besser wäre, weiss Seth Meyers.

Der Gastgeber der «Late Show» zählt auf: Die US-Wirtschaft muss den grössten Rückschlag ihrer Geschichte verkraften, in der 19. Woche in Folge haben sich mehr als eine Million Amerikaner arbeitslos gemeldet, Arizona, Florida und Texas verzeichnen neue Negativrekorde bei den Coronatoten.

Der Amtsinhaber sei ein «gesetzloser, aufstrebender Autokrat», der Geheimpolizei in die Bundesstaaten schicke, fragwürdigen Ärzten huldige, der US-Post vor der (Brief-)Wahl Steine in den Weg lege, Gerichtsurteile des Obersten Gerichts ignoriere und andeutete, er würde eine allfällige Wahlniederlage nicht akzeptieren.

Nein, es ist für Donald Trump wirklich kein guter Zeitpunkt für einen Urnengang. Aber es sind nicht diese Dinge, die den 74-Jährigen laut darüber nachdenken lassen, die Wahl verschieben zu lassen. Sondern die Briefwahl. Es sei okay, wenn man das tut, weil man am Wahltag verhindert ist (Trump selber nimmt so an der Wahl teil). Aber wenn plötzlich jeder per Briefwahl abstimmt, ist dem Wahlbetrug Tür und Tor geöffnet. So jedenfalls stellt es der US-Präsident dar.

Die Twitter-Einschätzung des US-Präsidenten.
Die Twitter-Einschätzung des US-Präsidenten.
Screenshot: YouTube

Der Text endet mit: «Wahl verlegen, bis Leute anständig, sicher und unbeschadet wählen können?» «Warum beendet er Tweets immer so?», nervt sich Meyers über die scheinbar unschuldige Frage. «Trump hat gar nicht Recht und Macht dazu. Die Konstitution erlaubt dem Kongress und nur dem Kongress, das Datum der Wahl zu bestimmen. Der Kongress hat vor mehr als eineinhalb Jahrhunderten ein Gesetz erlassen, das das Datum festsetzt: Die Präsidentschaft endet im Januar, was auch immer kommt.»

«Faschistischer Garfield»

Es reiche jedoch nicht, die Fakten zu belegen und sich zurückzulehnen – das wäre, als wenn Nerds dem Bully erklären, warum es illegal ist, Mitschülern das Pausenbrot zu klauen, während er ihren Kopf in die Toilette drückt. Vor allem, weil Trumps Handlanger ihm bereits den Weg ebnen, glaubt Meyers. Justizminister William Barr wurde am Dienstag gefragt, ob der Präsident die Wahl verlegen kann.

Die Verfassung sei klar in diesem Punkt, so Meyers, doch Barrs Antwort war das nicht, wie der Ausschnitt ab Minute 3.48 zeigt. Der Minister meint, er sei das nie gefragt worden und habe sich das nie angeschaut. Der Late-Night-Host ärgert sich: Nicht mal während der grossen Depression oder während der Kriege sei die Wahl verschoben worden. «Es liegt nicht daran, ob du es dir anguckst, du faschistischer Garfield! Der Typ ignoriert ganz bewusst das Gesetz.»

Von links: William Barr, Garfield und Seth Meyers.
Von links: William Barr, Garfield und Seth Meyers.
Screenshot: YouTube

Auch Aussenminister Mike Pompeo wurde auf Trumps Tweet angesprochen. «Er hat so getan, als sei das eine offene Frage, die nicht von der Verfassung oder dem Kongress entschieden wird, sondern von Trumps Justizministerium.» Andere Republikaner würden «feierlich die Augenbrauen hochziehen», sich dann aber wegducken. Keine sonderlich gute Idee, sagen die einen. Es war ein Witz, sagen die anderen. «So ein Frecher», ätzt Meyers hinterher.

Schlechter Gewinner – schlechter Verlierer

Dabei sehen wir hier seiner Meinung nach nicht mehr als das Schema F der Republikaner: Trump «lanciert Sachen und wartet ab, ob er damit davonkommt, und nur wenn alle ausflippen, behauptet er plötzlich, es sei ein Witz. Wir können alle sehen, was hier passiert: Trump und die GOP [Grand Old Party, die Republikaner] legen das Fundament, um die Wahlergebnisse im November anzufechten. Der Präsident verbreitet Verschwörungstheorien über die Briefwahl».

Um zu untermauern, dass mit Trump auch nach einer Abwahl noch zu rechnen ist, zeigt die «Late Show» ab Minute 7.42 Auszüge aus dem Interview mit «Fox»-Mann Chris Wallace, in dem der Amtsinhaber nicht per se erklären mag, er werde das Ergebnis des Wahltags am 3. November akzeptieren. «Ich bin kein guter Verlierer. Ich verliere nicht gerne», räumt Trump vielsagend ein, um gleich hinterherzuschicken: «Ich verliere nicht oft.»

Trump im «Fox»-Interview: «Ich verliere nicht gerne.»
Trump im «Fox»-Interview: «Ich verliere nicht gerne.»
Screenshot: YouTube

Auf die Nachfrage des Journalisten Wallace, ob der Präsident kulant sei, antwortet er bezeichnenderweise mit seiner These, dass die Briefwahl anfällig für Manipulation sei: Dass diese Behauptung wieder auf den Tisch käme, sollte der Amtsinhaber verlieren, ist wohl definitiv. Da muss Wallace auch nicht mehr fragen, findet Meyers: «Er hat sogar die letzte Wahl gewonnen und fechtet die Ergebnisse immer noch an. Er hat behauptet, drei Millionen Illegale hätten für Hillary Clinton gestimmt. Schlechte Gewinner entpuppen sich fast immer auch als schlechte Verlierer.»

Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Am Ende von Meyers Monolog folgt ein Bonmot, bei dem man sich mit der flachen Hand kräftig an die Stirn schlagen möchte: Der republikanische Abgeordnete und Masken-Meider Louie Gohmert hat sich Sars-CoV-2 eingefangen.

Was den Vorgang noch ein bisschen pathologischer macht, ist die Tatsache, dass Gohmert seine Leute persönlich – natürlich in einem geschlossenen Raum, in den alle gerufen wurden – über seine Infektion aufgeklärt hat. Das erinnert irgendwie an die alte Social-Media-Betteltour «Sharing is caring»: Stellt sich hier einer auf, den einen Darwin Awards abzuräumen?

Mal schauen. Vorher gibt es noch eine Wahl. Vielleicht.

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