ImpeachmentPelosi fordert sofortige Amtsenthebung Trumps: «Er muss gehen»
dpa/toko
13.1.2021 - 20:30
Nach dem Sturm auf das Kapitol bereiteten die Demokraten innerhalb weniger Tage ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump vor. Nun kommt es zur ersten grossen Abstimmung.
Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat im Parlament die sofortige Amtsenthebung von Präsident Donald Trump gefordert. «Er muss gehen. Er ist eine klare und gegenwärtige Gefahr für das Land», sagte die Demokratin.
Trump habe «inländische Terroristen» angestachelt, um sich gegen seine Wahlniederlage zu wehren, sagte Pelosi. «Sie sind nicht aus einem Vakuum gekommen.» Trump habe sich der «Anstiftung zum Aufruhr» schuldig gemacht. Dafür müsse er zur Rechenschaft gezogen werden.
Auch nach Ansicht des Minderheitenführers der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, trage Trump «Verantwortung» für die gewaltsame Erstürmung des Kapitols durch seine Anhänger. Es sei aber falsch, ihn deswegen in den letzten Tagen seiner Amtszeit mit einem beschleunigten Verfahren des Amtes zu entheben, sagte McCarthy. Eine Amtsenthebung des Republikaners würde die politische Spaltung des Landes weiter verstärken, warnte er.
Auch der republikanische Abgeordnete Tom Cole sprach sich gegen das angestrebte Amtsenthebungsverfahren aus. Dies würde die Nation weiter spalten. Angesichts der Tatsache, dass Trumps Amtszeit ohnehin in einer Woche vorbei sei, habe es auch keinen praktischen Nutzen.
Die Abgeordneten sollten noch am Nachmittag (Ortszeit; voraussichtlich ab 21 Uhr MEZ) über die Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens abstimmen. Eine Mehrheit in der von den Demokraten kontrollierten Parlamentskammer dafür gilt als sicher. Auch einzelne Republikaner kündigten an, dafür zu stimmen, ihren Parteikollegen aus dem Amt zu entfernen.
Entscheidung fällt im Senat
Trumps Amtszeit wird am 20. Januar mit der Vereidigung des Demokraten Joe Biden als neuem US-Präsidenten enden. Das Amtsenthebungsverfahren dürfte bis dahin nicht abgeschlossen werden können. Den Demokraten im Kongress geht es bei dem Impeachment aber auch darum, Trump für künftige Regierungsämter zu sperren. Damit würde ihm eine etwaige Präsidentschaftskandidatur 2024 verwehrt.
Eine Entscheidung in einem Amtsenthebungsverfahren fällt letztlich im Senat, der anderen Kongresskammer. Dort wäre eine Zweidrittel-Mehrheit nötig, um Trump tatsächlich zu verurteilen. Dafür müssten sich weit mehr als ein Dutzend republikanische Senatoren auf die Seite der Demokraten schlagen. Einzelne Republikaner im Senat haben sich offen gegen Trump gestellt, aber bisher kein Ja zum Impeachment zugesagt. Der Senat wird voraussichtlich nicht vor dem Ende von Trumps Amtszeit darüber beraten.
Trump wird damit wohl der erste US-Präsident in der Geschichte, gegen den gleich zwei Amtsenthebungsverfahren eröffnet wurden. In einem ersten Verfahren hatte er sich in der sogenannten Ukraine-Affäre unter anderem wegen Machtmissbrauchs verantworten müssen. Schliesslich wurde er aber im republikanisch dominierten Senat freigesprochen.
Die Demokraten hatten diese Woche auch versucht, Trumps sofortige Absetzung über einen Zusatzartikel der Verfassung zu erreichen. Artikel 25 erlaubt es, den Präsidenten für unfähig zu erklären, «die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben».
Vizepräsident Mike Pence, der dies gemeinsam mit Mitgliedern des Kabinetts hätte anstossen müssen, lehnte einen solchen Schritt am Dienstagabend (Ortszeit) aber offiziell ab. Pence erklärte, ein solches Vorgehen sei weder im Interesse der Nation noch im Einklang mit der Verfassung und würde einen «schrecklichen Präzedenzfall» schaffen.
Aussergewöhnliche Stellungnahme
In einer aussergewöhnlichen politischen Stellungnahme verurteilte der Generalstab der US-Streitkräfte die Erstürmung des Kapitols. «Die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht geben niemandem das Recht zu Gewalt, Aufruhr und Aufstand», schrieben US-Generalstabschef Mark Milley und seine Kollegen aus der US-Militärführung gemeinsam.
Jeder Akt, der sich gegen die verfassungsrechtlichen Abläufe richte, sei «nicht nur gegen unsere Traditionen, Werte, und unseren Eid – es ist gegen das Gesetz». Der Generalstab erinnerte das Militär daran, dass es dem Gesetz verpflichtet sei und die Verfassung verteidige.
Trump hatte seine Anhänger damit aufgewiegelt, dass ihm angeblich der Wahlsieg gestohlen worden sei. Die US-Militärführung hält sich üblicherweise aus der Tagespolitik heraus.
Aufgebrachte Trump-Anhänger waren am Mittwoch vergangener Woche – nach einer aufstachelnden Rede Trumps – während einer Sitzung des Kongresses ins Kapitol eingedrungen und hatten dort Chaos und Zerstörung angerichtet. Fünf Menschen kamen dabei ums Leben. Der beispiellose Gewaltausbruch im politischen Zentrum der USA einen Schock aus.
Einzelne Republikaner für Amtsenthebung
Am Dienstag kündigten auch einzelne republikanische Abgeordnete an, für eine Amtsenthebung zu stimmen. Unter ihnen: die hochrangige republikanische Abgeordnete Liz Cheney, Tochter des früheren US-Vizepräsidenten Dick Cheney. Trump habe den «Mob», der das Kapitol stürmte, zusammengetrommelt und die Attacke ausgelöst, erklärte sie. Nie habe es einen «grösseren Verrat» eines Präsidenten an seinem Amt und an seinem Eid auf die Verfassung gegeben.
Der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff, sagte CNN, es könne womöglich ein politisches «Erdbeben» im Senat geben, das zur Mehrheit für ein Impeachment führen könnte. Schiff bezog sich auf einen Bericht der «New York Times», wonach der führende Republikaner im Senat, Mitch McConnell, intern erkennen liess, dass er die für gerechtfertigt halte.
Unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen aus McConnells Umfeld schrieb die Zeitung, dieser sei froh, dass die Demokraten ein Impeachment-Verfahren angestossen hätten. Dies könne es seiner Partei erleichtern, sich von Trump loszusagen.
Trump wetterte am Dienstag, das Amtsenthebungsverfahren sei Fortsetzung einer politischen «Hexenjagd». Mit Blick auf seine Rede unmittelbar vor dem Gewaltausbruch sagte er: «Sie wurde analysiert, und die Leute fanden, dass das, was ich gesagt habe, völlig angemessen war.»