Kampf um die TomahawksEin 35 Jahre altes Militärsystem bringt Putin jetzt ins Schwitzen
Sven Ziegler
17.10.2025
Plötzlich darf Putin bei Trumps Waffenlieferungen an die Ukraine mitreden
Nach einem langen Telefonat mit Wladimir Putin zeigt sich US-Präsident Donald Trump plötzlich zögerlich bei Tomahawk-Lieferungen an die Ukraine – und sagt offen, er habe die Waffenfrage direkt mit dem Kremlchef besprochen.
17.10.2025
Bei seinem Treffen mit Wolodymyr Selenskyj im Weissen Haus will US-Präsident Donald Trump über eine mögliche Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern sprechen. Das wäre ein symbolischer Schritt mit grosser Sprengkraft – militärisch wie politisch.
Wenn US-Präsident Donald Trump am Freitag den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj im Weissen Haus empfängt, ist die mögliche Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern an die Ukraine nach Angaben Kiews das wichtigste Thema. Tomahawks haben eine grosse Reichweite und würden der Ukraine damit Angriffe tief in russischem Gebiet ermöglichen. Als «Wunderwaffe», die den Kriegsverlauf entscheidend verändern könnte, schätzen Fachleute den Tomahawk aber nicht ein.
Was ist der Tomahawk?
Der Tomahawk ist ein Marschflugkörper, also eine Lenkwaffe, der von den US-Streitkräften vor 42 Jahren in den Dienst gestellt wurde und erstmals bei der «Operation Desert Storm» («Wüstensturm») 1991 im Irak und zuletzt bei den Angriffen auf Atomanlagen im Iran im Juni zum Einsatz kam. Wie aus Finanzunterlagen der US-Marine hervorgeht, wurden bisher 8959 Tomahawks produziert und mehr als 2350 Stück abgefeuert.
Eine Ausführung des Tomahawk, die mit einem Atomsprengkopf bestückt werden konnte, wurde 2013 ausser Dienst gestellt. Die Kosten für einen Tomahawk der fünften Generation belaufen sich den Marinedokumenten zufolge auf 2,5 Millionen Dollar (gut 2,1 Millionen Euro).
Wie könnte die Ukraine Tomahawks nutzen?
Die 1,5 Tonnen schweren Marschflugkörper können Sprengköpfe mit einem Gewicht von 450 Kilogramm transportieren und stark befestigte Ziele wie Flugabwehrsysteme, Kommandozentralen und Militärflugplätze angreifen. Ihre Reichweite ist fünfmal grösser als die der ATACMS-Raketen, die Washington seit 2023 an Kiew liefert. Für ukrainische Angriffe mit Tomahawks kommen nach Einschätzung des in den USA ansässigen Instituts für Kriegsstudien (ISW) mindestens 1655 Ziele in Russland infrage, darunter 67 Luftwaffenstützpunkte, die teilweise weit im Hinterland liegen.
Fraglich ist allerdings, wie viele Tomahawks die USA überhaupt liefern könnten. Die Expertin Stacie Pettyjohn vom Politikinstitut CNAS hält eine Lieferung von 20 bis 50 Tomahawks für möglich. Für 2026 hat die US-Marine selbst nur 57 Tomahawks bestellt. Der Hersteller Raytheon könne aber nicht einfach die Produktion hochfahren, sagt der deutsche Raketenexperte Fabian Hoffmann. Tomahawks für die Ukraine müssten daher aus US-Beständen entnommen werden.
Was könnte sich dadurch ändern?
Wie bereits an die Ukraine gelieferte Kampfpanzer oder Kampfflugzeuge vom Typ F-16 oder Mirage sei auch der Tomahawk «keine Wunderwaffe», mit der die Ukraine den Krieg gewinnen werde, schrieb Expertin Pettyjohn im Onlinedienst X. Dieser Ansicht ist auch der Generalstabschef des französischen Heeres, Pierre Schill: Kein Waffensystem allein könne die Lage «radikal verändern». Mit dem Flamingo-Marschflugkörper, den die Ukraine selbst produziert, verfüge die ukrainische Armee zudem schon über eine Langstreckenwaffe für Angriffe tief in Russland.
Tomahawk-Raketen könnten Putin weh tun.
DEPARTMENT OF DEFENSE (DOD)
Die mögliche Lieferung von Tomahawks sei daher vor allem als «politisches und strategisches Signal» von US-Präsident Trump an Kreml-Chef Wladimir Putin zu verstehen, sagt Schill. Trump könne Putin damit klarmachen, dass er Fortschritte «in Richtung eines Friedens» sehen wolle und andernfalls bereit sei, «die Ukraine zu unterstützen».
Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew, der derzeit Vizevorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats ist, warnte sogar vor einer Eskalation bis hin zu einem Atomkrieg: Eine Lieferung von Tomahawks an die Ukraine könne «für alle und vor allem für Trump selbst böse enden».
Der Experte Peter Dickinson vom US-Institut Atlantic Council gibt allerdings zu bedenken: «Moskau hat immer wieder neue rote Linien gezogen und den Westen vor möglichen russischen Vergeltungsschlägen gewarnt, aber dann nichts unternommen, wenn diese roten Linien überschritten wurden.»