US-Politik Trump zementiert seine Macht in der Partei und sinnt auf Rache

Von Jill Colvin, AP

17.5.2021 - 06:15

Donald Trump hat seine Abwahl immer noch nicht verdaut – und rächt sich nun an allen Parteigenossen, die er für illoyal hält.
Donald Trump hat seine Abwahl immer noch nicht verdaut – und rächt sich nun an allen Parteigenossen, die er für illoyal hält.
Bild: Keystone/AP Photo/Jacquelyn Martin

Die Republikaner im Kongress haben die lautstarke Trump-Kritikerin Liz Cheney aus ihrer Führungsspitze verstossen. Das ist ein weiterer Sieg für den Ex-Präsidenten. Aber wie geht es nun weiter?

17.5.2021 - 06:15

Die US-Republikaner haben die Trump-Kritikerin Liz Cheney aus der Fraktionsführung im Repräsentantenhaus geworfen und damit deutlich gemacht, wie sehr der Ex-Präsident die Partei nach wie vor unter Kontrolle hat. Donald Trump feierte seinen Erfolg, indem er Cheney als «verbittertes, schreckliches menschliches Wesen» bezeichnete. Sein Rachefeldzug nach der aus seiner Sicht gestohlenen Wahl 2020 hat damit gerade erst begonnen.

Ganz gleich, was andere dächten, «er glaubt, er hat das Weisse Haus illegitim verloren », sagt der frühere republikanische Vorsitzende des Abgeordnetenhaus und langjährige Trump-Freund Newt Gingrich. «Es ist ein ziemlich starker Groll, und ich glaube daher nicht, dass er sehr leicht davon ablassen wird.» 

Tatsächlich ist Trumps Macht über die Republikaner durch die Entfernung Cheneys von ihrem Posten wegen wiederholter Kritik an ihm noch mehr zementiert worden. In der Partei gibt es nur noch wenig Raum für jene, die Trumps Wahnvorstellungen über den Wahlgang 2020 öffentlich entgegentreten. 

Unangenehmer Spagat

Mit seinem Verhalten zwingt der Ex-Präsident einige Republikaner zu dem unangenehmen Spagat, Treue zu ihm zu bekunden und zugleich die Präsidentschaft von Joe Biden anzuerkennen. Der Fraktionschef der Republikaner im Abgeordnetenhaus, Kevin McCarthy, der Trump umworben und die Verstossung von Cheney angeführt hat, erklärte am Mittwoch nach einem Treffen im Weissen Haus, er glaube nicht, «dass irgendjemand die Legitimität der Wahl anzweifelt».

Aber genau das ist es, was Trump getan hat und weiter tut. In den vergangene Wochen hat er seine Attacken in Sachen Wahlausgang sogar weiter eskaliert, eine Reihe von Erklärungen über das veröffentlicht, was er jetzt als «fake presidential election» – verfälschte Präsidentenwahl – bezeichnet. «Wenn ein Dieb aus einem Juweliergeschäft alle Diamanten raubt, müssen die Diamanten zurückgegeben werden», hiess es in einer seiner jüngsten Verlautbarungen. 

Angst vor weiterer Gewalt

Es gibt weiterhin keinen Fitzel an Beweisen für massiven Wahlbetrug, aber Trump versucht unablässig weiter, seine Anhänger davon zu überzeugen, dass er der rechtmässige Sieger sei. Cheney, die Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten Richard «Dick» Cheney, hatte das in einer Rede im Abgeordnetenhaus am Vorabend ihrer Abwahl als andauernden Angriff auf das demokratische System gebrandmarkt. Trumps Vorgehen könne zu weiterer Gewalt anspornen, warnte sie mit Blick auf den Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol am 6. Januar

«Stumm zu bleiben und die Lüge zu ignorieren ermutigt den Lügner», so die Abgeordnete aus Wyoming. «Ich werde nicht ruhig dasitzen und still dabei zusehen, wie andere unsere Partei einen Weg entlang führen, der sich von der Rechtsstaatlichkeit abwendet und sich dem Kreuzzug des früheren Präsidenten zum Untergraben der Demokratie anschliesst.» Nach dem Votum am Mittwoch gegen sie gelobte Cheney mit Bezug auf eine mögliche neue Trump-Kandidatur 2024, sie werde alles tun «um sicherzustellen, dass der frühere Präsident niemals mehr irgendwo in die Nähe des Oval Office kommt».  

Stolz und Rachegelüste

McCarthy und andere hatten Cheney anfangs noch verteidigt, nachdem sie für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump wegen Anstachelung zum Aufstand am 6. Januar gestimmt hatte. Aber jetzt argumentieren sie, dass ihre andauernde Kritik an Trump die Republikaner davon ablenkten, sich auf ihre Opposition gegen Biden zu konzentrieren.

«Wenn wir dabei erfolgreich sein wollen, die radikale demokratische Agenda daran zu hindern, unser Land zu zerstören, müssen diese internen Konflikte gelöst werden», schrieb McCarthy im Vorfeld des Votums gegen Cheney an Kollegen. Eine Entscheidung für die Einheit der Partei also nach dieser Darstellung, aber auch für Trumps von gekränktem Stolz und Rachegelüsten geprägten Politikstil. 

Trump ist bei der Basis weiter äusserst populär, da wollen es viele in der Partei nicht riskieren, die neuen Wähler zu brüskieren, die er angezogen hat – vor allem nicht im Vorfeld einer Kongresswahl, die nicht parallel zur Präsidentenwahl stattfindet und daher historisch weniger Wähler mobilisiert. «Es ist unmöglich für die Partei, sich ohne (Ex-)Präsident Trump als ihren Anführer vorwärts zu bewegen, denn die Leute, die konservativ sind, haben ihn als ihren Anführer ausgewählt», formulierte es der republikanische Senator Lindsey Graham.

Nun droht eine Spaltung der Partei

Aber andere warnen, dass es sich rächen könne, wie die Partei mit Cheney umgegangen sei. So sagte die Ex-Abgeordnete Mia Love, die einzige schwarze Republikanerin, die jemals in den Kongress gewählt worden ist, dass sich insbesondere Frauen in den Vorstädten – eine wichtige Wählergruppe – abgestossen fühlen könnten.

Ein Zeichen dafür, dass doch nicht alle aus der Partei auf Linie sind, ist eine Drohung von mehr als 100 Republikanern, darunter mehrere ehemalige Regierungsbeamte. Sie stellen in Aussicht, eine eigene Partei zu gründen, sollten sich die Parteiführung nicht auf eine Reihe von ihnen gewünschter Prinzipien festlegen.

Trump hat derweil ein neues Kapitel in seinem Leben als Expräsident begonnen. Nach vier Monaten in seinem Golfanwesen Mar-a-Lago ist er für den Sommer in seinen Club in Bedminster (New Jersey) übergesiedelt. Freunden und Mitarbeitern zufolge ist zu erwarten, dass er dort fortsetzt, was er bisher getan hat: eine Prozession von Parteifreunden zu empfangen, die sich Unterstützung für ihre weitere Karriere erhoffen, und weiter Geld für seine politischen Operationen zu sammeln. Stolze 90 Millionen Dollar (gut 81 Millionen Franken) hat er schon zusammen.  

Von Jill Colvin, AP