Late Night USA Trumps Eigentor – «Einwanderung hat ihm zwei seiner Ehefrauen besorgt»

Philipp Dahm

10.4.2019

Stephen Colbert im Widerspruch: Der Moderator kann nicht hinschauen, während er zusieht, was der Präsident so treibt.
Stephen Colbert im Widerspruch: Der Moderator kann nicht hinschauen, während er zusieht, was der Präsident so treibt.
Screenshot: YouTube

Dass Kinder an der US-Grenze von Eltern getrennt werden, ist Barack Obamas Schuld, weiss Donald Trump. Und dass noch mehr Mörder und Dealer kämen, gebe es die Massnahme nicht. Verwirrt? Ist Stephen Colbert auch.

«Als Donald Trump gebückt im Aufzug der Bestimmung nach unten gefahren ist, war er von einer Sache besessen: sich selbst», beginnt Stephen Colbert unter Gelächter seine «Late Show». «Aber auch Einwanderung! Auf die Einwanderung hat er sich eingeschossen. Einwanderung ist die Bedrohung am Horizont. Einwanderung hat ihm zwei seiner Ehefrauen besorgt. Tolle Frauen! Aber es gibt einen Ausschlag bei der illegalen Einwanderung, seit Trump im Amt ist, und das lässt ihn wie einen Idioten aussehen. Auch wenn ich nicht weiss, welche dieser Dinge zuerst passiert sind.»

Gut, Colbert ist seit 2016 nicht gerade als praller Bewunderer des bizarren Präsidenten in Erscheinung getreten. Aber was der 72-Jährige aus dem Weissen Haus mit den Immigranten macht, die an der Grenze stranden, das macht den 54-Jährigen aus der Late-Night-Elite augenscheinlich richtig wütend. Der Aufreger beginnt ab Minute 2:30: Bei einem Fototermin mit dem ägyptischen Präsidenten wird die Presse schon aus dem Raum gebeten, als Donald Trump etwas nachlegt. «Nebenbei: Obama hat die Kinder getrennt.»

Trumps Obama-Komplex flammt mal wieder auf

Es geht um die Grenze zu Mexiko und jene Kinder, die bei der Einreise nicht bei ihren Eltern bleiben dürfen. Trump: «Nur, dass Ihr es wisst: Präsident Obama hat die Kinder getrennt. Diese Käfige, die man gesehen hat: Ich denke, sie waren äusserst unangebracht. Sie sind von Präsident Obamas Administration gebaut worden, nicht von Trump. Ich bin derjenige, der sie gestoppt hat. Bei Präsident Obama gab es Kinder-Trennungen. Ich bin derjenige, der das geändert hat.» Colbert kontert trocken. «Nein, hast du nicht.»

Stephen Colbert sagt «Nein» zu Donald Trump.
Stephen Colbert sagt «Nein» zu Donald Trump.
Screenshot:  YouTube

Die Fakten sprechen für Colbert: «Bei Obama gab es keine Politik der Kindertrennung. Erinnerst du dich? [Die Massnahmen] wurden [vom damaligen Justizsenator] Jeff Sessions [explizit] als Politikwechsel eingeführt. Er nannte es ‹Null Toleranz› – wie bei deinen Gefühlen gegenüber Mexikanern. Es war eine Idee von [Berater] Steven Miller und [Ex-Stabschef] John Kelly, du hast [der Ex-Chefin des Heimatministeriums] Kirstjen Nielsen gesagt, sie solle es umsetzen, und die muss sich nun das heisse, schwarze Pech für den Rest der Ewigkeit von ihrer Seele kratzen.»

Disneys Partypicknick im Drogenland

Trumps Aktionismus habe «niemanden davon abgehalten, zu kommen. Es war eine monströse Tat der Grausamkeit, die ein Bundesrichter als verfassungswidrig eingeordnet hat.» Fast schon ungläubig zitiert der in Washington geborene Gastgeber einen «CNN»-Bericht, wonach Donald Trump sogar auf noch mehr Familientrennungen setze.

Wasser predigen und Wein trinken: Colbert versteht die politische Welt nicht mehr.
Wasser predigen und Wein trinken: Colbert versteht die politische Welt nicht mehr.
Screenshot: YouTube

«Und du hast du beim selben Termin [diese Massnahme] sogar noch verteidigt, während du gleichzeitig behauptest, es sei alles Obamas Schuld?!?» Im Bildbeweis ab Minuten 3:38 sagt der Republikaner tatsächlich: «Ich sag euch was: Wenn man [keine Familientrennung] hat, sieht man sehr viel mehr Leute kommen. Sie kommen, als wenn sie zum Picknick gehen: Ab ins Disneyland!» Das höre man wirklich dauernd in den Kreisen von Immigrantenfamilien, konstatiert Colbert.

Wie Obama sich die Kinder holte

Und er erinnert auch daran, dass Barack Obama ebenfalls «kein Engel» war: Auch er habe Eltern die Kinder genommen, sie befragt und deren Umarmungen konfisziert. Dann flüstert er dem imaginären Zuschauer Obama leise zu: «Ich vermisse dich.»

Fies und gemein: Obama nach der Trennung eines Kindes von dessen Eltern im Weissen Haus.
Fies und gemein: Obama nach der Trennung eines Kindes von dessen Eltern im Weissen Haus.
Screenshot: YouTube

Nichts zu wünschen übrig in Sachen Klarheit lässt dagegen Donald Trump, der bei der Presse umreisst, welcher Menschenschlag nun ins Land dränge. «Das sind Leute, mit Vorstrafen: Mörder, Drogenbarone, Gangs.» Drogenbarone wollten also ins Disneyland, fasst Colbert zusammen: «Ich habe mir für jede Fahrt mit dem Weltall-[Karussell] eine Träne stechen lassen.»

Coberts Monolog im Video.

Grenzschützern habe Trump laut «CNN» sogar vorgeschlagen, mehr Migranten abzuweisen, und Juristen, die sie daran hindern wollten, zu erklären: «Sorry, Richter, ich kann das nicht machen. Wir haben den Platz nicht.» Wie komme Trump bloss darauf, er könne mit Lügen und offensichtlichen Rechtsbrüchen davonkommen, fragt Colbert rhetorisch – ein Bruch der Verfassung sei nun mal ein «Presi-Don't».

Screenshot: YouTube

Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten die wohl beste Navigationshilfe: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Zurück zur Startseite