Ex-US-Präsident Trumps Rhetorik der Hetze erreicht eine neue Dimension

dpa/twei

6.10.2023 - 20:34

Donald Trump will zurück ins Weisse Haus.
Donald Trump will zurück ins Weisse Haus.
Bild: Jae C. Hong/AP/dpa

Donald Trump ist seit Jahren für seine verbalen Ausfälle bekannt. Aber in der jüngsten Zeit hat er seine Rhetorik noch weiter verschärft – und zugleich seine Führung im bisherigen Vorwahlkampf zementiert.

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  • Verbale Giftpfeile von Donald Trump ist man bereits gewohnt.
  • Zuletzt sprach sich der Ex-US-Präsident unter anderem dafür aus, dass auf Ladendiebe geschossen werden dürfe und stellte einen Top-General als Verräter hin.
  • Obwohl die verbale Hetze selbst Parteikollegen schockiert, scheint Trumps Strategie aufzugehen: Im Vorwahlkampf der Republikaner liegt er an der Spitze.

In den vergangenen zwei Wochen hat Donald Trump erklärt, dass auf Ladendiebe geschossen werden dürfe. Er gab zu verstehen, dass der Topgeneral der USA ein Verräter sei, der es verdienen würde, hingerichtet zu werden, und machte sich über eine Hammerattacke gegen den Ehemann einer politischen Gegnerin lustig.

Nicht lange davor hatte er zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens, eines Impeachments, gegen Präsident Joe Biden ermuntert, denn der «Abschaum hat mich ZWEI MAL impeached», sagte er mit Blick auf die Demokraten. Der Republikaner rief seine Partei zudem zu einem Shutdown der US-Regierung auf, offensichtlich in der Hoffnung, dass damit einige der Strafverfahren, mit denen er konfrontiert ist, lahmgelegt werden.

Und Trump sagte, wenn er wieder zum Präsidenten gewählt würde, könnte den Kabelsendern NBC News und MSNBC der Zugang zum Äther gesperrt werden, wegen einer Berichterstattung über ihn, die er als «Hochverrat, der das Land bedroht», bezeichnete.

Historikerin über Trump: «Gewalt ist sein politisches Projekt»

Trump hat seit seinen frühesten Tagen im öffentlichen Leben, schon als Immobilienunternehmer, eine Rhetorik bevorzugt, die ihn als knallhart und rauflustig erscheinen lässt, insbesondere, wenn es um das Thema Verbrechen und um Menschen geht, die er als Feinde betrachtet.

Aber die verbale Eskalation in der jüngsten Zeit ist besonders bemerkenswert, denn sie weist zunehmend Parallelen zu den Hardline-Ansätzen auf, die – von ihm bisweilen gepriesene – autoritäre Regierungen kennzeichnen – etwa die Herrschaft des russischen Präsidenten Wladimir Putin oder des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un.

«Gewalt ist jetzt sein politisches Projekt», sagt Ruth Ben-Ghiat, eine Historikerin an der New York University. «Es ist die Sache, die er – neben seiner eigenen (angeblichen) Opferrolle – am häufigsten anführt.»

Trump fällt seit einer Dekade mit hetzerischer Rhetorik auf

Ben-Ghiat ist Autorin eines Buches mit dem Titel «Strongmen», was sich mit Muskelmann, Kraftmensch oder auch Diktator übersetzen lässt, und sie meint, dass Trump gut in diese Kategorie passt. Seine jüngste Äusserung etwa über Schüsse auf Ladendiebe erinnert an Machthaber wie den früheren philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte, dessen Krieg gegen Drogen «aussergerichtliche Tötungen» Tausender Verdächtiger ohne Prozess beinhaltete.

Trump weist bereits eine fast zehnjährige Geschichte hetzerischer und von Gewalt geprägter Äusserungen auf – oft, ohne das Gesagte in die Tat umzusetzen. Er hat darüber sinniert, Menschen, die illegal über die Grenze kommen, in die Beine zu schiessen, und angeboten, die Anwaltskosten für Leute zu übernehmen, die lautstarke Störer bei seinen Wahlkundgebungen 2016 tätlich angegriffen hatten.

Donald Trump kennt während seinem Wahlkampf kein (verbales) Pardon.
Donald Trump kennt während seinem Wahlkampf kein (verbales) Pardon.
Bild: Mark Humphrey/AP/dpa

Trumps Rhetorik kann auch seine Unterstützer anstacheln und direkte Folgen haben – wie sich am deutlichsten am 6. Januar 2021 zeigte, als seine Lügen über seine Wahlniederlage 2020 Gefolgsleute zum Sturm auf das Kapitol ermutigten. Sie können auch Trumps eigene Partei anheizen, die dann Rachefeldzüge und Impulse des Ex-Präsidenten in ihre Agenda übernimmt.

Trump spekuliert über Bombardierung von Drogenlaboren

So haben Trumps Klagen über angebliche politische Verfolgung durch das FBI Rufe von Republikanern nach einer Auflösung dieser Behörde ausgelöst, und das von den Konservativen kontrollierte Repräsentantenhaus hat einen Ausschuss damit beauftragt, den «Einsatz der Regierung als Waffe» zu untersuchen.

Und nachdem Trump öffentlich darüber nachgedacht hatte, Drogenlabore in Mexiko zu bombardieren, warteten seine damaligen Rivalen im Vorwahlrennen um die republikanische Spitzenkandidatur mit zunehmend aggressiven eigenen Vorschlägen auf, das US-Militär gegen Kartelle im Nachbarland einzusetzen.

Die Gewalt und der Rachedurst in Trumps Äusserungen haben in den vergangenen Wochen spürbar zugenommen – parallel zur Verfestigung seiner klaren Führung im bisherigen Vorwahlkampf und im Zuge der ständig gewachsenen Herausforderungen durch vier strafrechtliche Verfahren und einen zivilen Betrugsprozess.

Trump wirft Ex-Generalstabschef «Akt des Verrats» vor

So hat der – just in den Ruhestand getretene – Ex-Generalstabschef Mark Milley nach eigenen Angaben Schritte zu seinem eigenen Schutz und dem seiner Familie ergriffen, nachdem Trump ihm in einem Social-Media-Post einen «Akt des Verrats» vorgeworfen hatte, für den «in vergangenen Zeiten die Strafe TOD gewesen wäre!», wie er schrieb. 

Trumps Äusserung löste Befürchtungen aus, dass Unterstützer dadurch angestachelt werden könnten, Milley zu attackieren. Hintergrund von Trumps verbalem Angriff waren Telefonanrufe des seinerzeitigen US-Topgenerals bei seinem chinesischen Amtskollegen gegen Ende der Trump-Präsidentschaft, etwa nach dem Sturm auf das Kapitol – Telefonate, die dazu gedacht waren, der anderen Seite «Rückversicherung» zu geben, dass es aussenpolitisch keinen Grund zur Beunruhigung gebe.

Trump legt im laufenden New Yorker Betrugsfall Berufung ein

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Die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James wirft Ex-US-Präsident Donald Trump unter anderem vor, sein Vermögen um Milliarden aufgebläht zu haben, um günstiger an Kredite zu kommen.

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Selbst Republikaner reagierten bestürzt auf Trumps Ausfälle

Haben die meisten in der Partei sogar zu Trumps schlimmsten Ausfällen geschwiegen, so auch der grösste Teil seiner Rivalen im derzeitigen Vorwahlkampf, hat seine Attacke gegen Milley dann doch bei einigen Republikanern Entsetzen ausgelöst.

So bei Trumps früherem Stabschef im Weissen Haus, John Kelly, selbst ein pensionierter General, der in einer dem Sender CNN zugeleiteten Erklärung zugleich andere schwere verbale Fehltritte des Ex-Präsidenten auflistete – die nach seinen Worten zeigen, dass Trump «nichts als Verachtung für unsere demokratischen Institutionen, unsere Verfassung und unsere Rechtsstaatlichkeit hat». 

Bei einem Parteitag der kalifornischen Republikaner in der vergangenen Woche in Anaheim fügte Trump dieser Liste ein weiteres Beispiel hinzu. Bei seiner Ankunft stürmisch von seinen Anhängern gefeiert, witzelte er in seiner Rede über eine Hammerattacke auf Paul Pelosi, den 80-jährigen Mann der früheren demokratischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im vergangenen Jahr im Haus der Familie in San Francisco. Der Angreifer, ein Anhänger von Verschwörungstheorien, fügte Paul Pelosi eine schwere Schädelverletzung zu.

«Wir bieten der verrückten Nancy Pelosi die Stirn», sagte Trump und fügte spürbar spöttisch hinzu: «Wie geht es ihrem Mann, weiss das jemand?» Die Menge lachte lauthals und jubelte.