Die USA erklärt – Blick in die Late-Night-Shows Trumps TV-Rede: «Jede Ähnlichkeit mit der Realität ist rein zufällig»

Philipp Dahm

9.1.2019

Fakt oder Fake? Nach (und vor) Donald Trumps jüngster Rede zerpflücken die grossen US-Talkmaster genüsslich die präsidiale Ansprache. Es gibt aber auch seriöse Auseinandersetzungen.

Wo bin ich hier? Seth Meyers macht im TV-Studio einen auf Trump im Oval Office.
Wo bin ich hier? Seth Meyers macht im TV-Studio einen auf Trump im Oval Office.
Screenshot: YouTube

«Präsident Trump hat heute Abend seine erste live übertragene Ansprache aus dem Oval Office gehalten», beginnt der Moderator seine zurückliegende «Late Show with Seth Meyers». Erst am folgenden Witz merkt der Zuschauer, dass die Sendung aufgezeichnet worden ist. «Sie hätte vielleicht mehr Gewicht gehabt, wenn er nicht so begonnen hätte: Das ist also das Oval Office, hä??? Wow … So viel Geschichtliches …»



Es darf gemutmasst werden: Hätten Meyers und seine Redaktoren Trumps Ansprache wirklich gesehen, hätte der Talkmaster die Steilvorlagen aufgenommen, die der Republikaner in seiner Rede serviert hat.

Meyers TV-Kollege Stephen Colbert ist da schon ehrlicher. «Wir zeichnen um 17.40 Uhr auf», gesteht der frühere Weisse-Haus-Berichterstatter. «Wenn das gesendet wird, haben wir entweder einen Notstand – oder bleiben bei dem [Notstand], den wir seit November 2016 haben», sagt er in seiner «Late Show» – Colbert spielt auf den damaligen Wahlsieg des aktuellen US-Präsidenten an.

Krise, Krise, Krise

Der Kabelsender CBS habe für die Rede seine Serie «F.B.I.» unterbrechen müssen. Und: «Nicht das erste Mal, dass Trump bei einer FBI-Ermittlung dazwischenfunkt», kalauert Colbert mit Blick auf die Untersuchungen Robert Muellers. Doch tatsächlich gelingt dem Mann auch das Kunststück, eine Taktik Trumps richtig zu antizipieren: Es geht darum, wer die Verantwortung für den aktuellen Shutdown trägt, der die US-Regierung finanziell trockenlegt.

Hände in der Tasche, Herz auf der Zunge: Stephen Colbert.
Hände in der Tasche, Herz auf der Zunge: Stephen Colbert.
Screenshot: YouTube

Zur Erinnerung: Trump hat in seiner Ansprache den Demokraten deswegen schwere Vorwürfe gemacht. «Es gibt die humanitäre Krise, eine Krise der Herzen und eine Krise der Seele», so hat es der 72-Jährige ausgedrückt. Weil der politische Gegner kein Geld für den von Trump versprochenen Grenzwall gebe, würden immer mehr Drogen ins Land kommen. «Jede Woche sterben allein durch Heroin 300 unserer Bürger. 90 Prozent davon (gemeint ist: Heroin) fluten über unsere südliche Grenze. Es werden mehr Amerikaner in diesem Jahr durch diese Drogen sterben als im gesamten Vietnamkrieg.»



Dann zeigt Colbert einen Clip, der gut einen Monat zuvor aufgenommen worden ist. Darin droht Trump im Weissen Haus dem Demokraten Chuck Schumer: «Ich bin stolz darauf, für die Grenzsicherheit den Shutdown der Regierung durchzuziehen. Ich werde derjenige sein, der den Shutdown macht. Ich werde nicht euch dafür verantwortlich machen.» Das sei jedoch durch Trumps «grössten Gegenspieler» vereitelt worden: «seinen Mund».

Und der Talkmaster Jimmy Kimmel? Er kann als Einziger seiner Zunft direkt auf das eingehen, was gesagt wurde. Denn Kimmel hat einen Zeit-Vorteil: Er zeichnet seine Show an der Pazifikküste auf, wartet dort bis zum Ende der Rede – und schlägt dann noch zurück.

Kimmel teilt aus

«Der Präsident hat das Programm auf allen Kanälen unterbrochen, um uns vor etwas komplett Erfundenem zu warnen. Seine Rede war etwa zehn Minuten lang. Laut Stormy Daniels waren das acht mehr als sonst», beginnt Kimmel. Die Sender hätten zuvor sogar einen Disclaimer ausstrahlen müssen, der natürlich erfunden, aber auch ziemlich deutlich ist:



«Die folgende Präsidentenrede ist ein fiktives Werk. Alle Personen, Vorfälle, Anlässe, Orte und Fakten wurden dem Präsidenten direkt aus dem Allerwertesten gezogen. Jede Ähnlichkeit mit der Realität ist rein zufällig.»

Die Frage jedoch bleibt: Was ist real, was ist fake? «PBS»hat die Aussagen überprüft. Die folgenden Punkte sind laut dem öffentlichen US-Sender nicht haltbar:

– Es gibt keinen allgemeinen Anstieg des Drogenschmuggels an der Grenze zu Mexiko. Zwar wurden in den Fiskaljahren 2017 und 2018 dort mehr Methamphetamin und mehr Fentanyl beschlagnahmt, doch der überwältigende Teil der Betäubungsmittel für den US-Markt kommt über die Häfen ins Land.
– Trump sagte, über die Grenze kämen zudem jede Menge Kriminelle. Es gehe um 17'000 Personen. Tatsächlich beziehen sich die Zahlen jedoch auf Einreiseversuche im gesamten Land, die abgeschmettert wurden.
– 3'000 Einreisewillige, die als Terroristen eingestuft sind, wurden vor allem an Flughäfen abgewiesen.
– Trump behauptet, Terroristen würden Lager an der Grenze aufschlagen. Das Aussenministerium hat eine solche Aussage 2017 noch ins Reich der Fabeln verwiesen.

Die Bildergalerie «Trumps Personalkarussell»:

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