Grossbritannien Liz Truss macht Wirtschaftselite für Sturz verantwortlich

AP/toko

5.2.2023 - 14:42

Die ehemalige britische Premierministerin Liz Truss macht das «Wirtschafts-Establishment» für ihren Sturz verantwortlich.
Die ehemalige britische Premierministerin Liz Truss macht das «Wirtschafts-Establishment» für ihren Sturz verantwortlich.
Alberto Pezzali/AP/dpa (Archivbild)

Die ehemalige Premierministerin beklagt mangelnden Rückhalt ihrer Tories. Ihre Deregulierungspläne hält sie weiterhin für das richtige Rezept zur Ankurbelung der Wirtschaft.

AP/toko

Die ehemalige britische Premierministerin Liz Truss hat ein «mächtiges wirtschaftliches Establishment» für ihr Scheitern im Amt der Regierungschefin verantwortlich gemacht. Truss schrieb im «Sunday Telegraph» vom Sonntag, auch parteiinterne Opposition in den Reihen der Konservativen habe zu ihrem Sturz nur sechs Wochen nach ihrer Vereidigung beigetragen. Ihre geplanten Steuersenkungen, die zu einem Chaos an den Finanzmärkten geführt hatten, halte sie nach wie vor für richtig.

Seit ihrem Rücktritt im Oktober hatte sich Truss nicht öffentlich geäussert, in dem Interview brach sie nun ihr Schweigen. Sie habe den Widerstand unterschätzt, auf den ihre marktwirtschaftliche Politik im «System» stossen würde, erklärte Truss. «Ich behaupte nicht, dass ich keine Schuld an den Geschehnissen trage, aber im Grunde genommen wurde mir von einem sehr mächtigen wirtschaftlichen Establishment in Verbindung mit einem Mangel an politischer Unterstützung keine realistische Chance gegeben, meine Politik umzusetzen», schrieb sie.

In dem Artikel erklärte Truss, sie glaube immer noch, dass ihre Agenda für niedrige Steuern und einen kleinen Staat das Richtige sei, aber die Kräfte dagegen seien zu gross. Sie behauptete, grosse Teile der Medien und der Öffentlichkeit seien linkslastig. Kritik richtete sie an US-Präsident Joe Biden, der ihren Plan einen Fehler genannt hatte.

Truss trat ihr Amt im September an, nachdem sie aus einem innerparteilichen Wahlkampf um die Führung der Konservativen Partei als Siegerin hervorgegangen war. Sie trat die Nachfolge von Boris Johnson an, der nach einer Serie von Skandalen zurückgetreten war. Ihr Versprechen, das Wirtschaftswachstum durch Steuersenkungen und Deregulierung anzukurbeln, begeisterte Tory-Mitglieder, die Finanzmärkte reagierten allerdings verschreckt. Truss entliess daraufhin zunächst ihre Finanzminister und trat schliesslich zurück.

Kritiker warfen der ehemaligen Premierministerin vor, sie versuche, die Geschichte umzuschreiben und bediene sich populistischer Methoden. Der ehemalige Stabschef von Ex-Premierministerin Theresa May, Gavin Barwell, twitterte an Truss gerichtet: «Sie wurden zu Fall gebracht, weil Sie innerhalb weniger Wochen das Vertrauen der Finanzmärkte, der Wählerschaft und Ihrer eigenen Abgeordneten verloren haben.» Mitten in einer tiefgreifenden Krise der Lebenshaltungskosten habe sie es zur Priorität macht, die Steuern für die reichsten Menschen im Land zu senken.

Der Wirtschaftswissenschaftler Charles Read von der Universität Cambridge sagte, er habe das Finanzministerium Anfang September gewarnt, dass ein Wirtschaftspaket finanzielle Instabilität und eine Finanzkrise nach sich ziehen könne. «Die Mini-Haushaltskrise im vergangenen Herbst war vorhersehbar und vermeidbar», schrieb er auf Twitter.

Truss' Artikel könnte den Druck auf Premierminister Rishi Sunak erhöhen, der von den Konservativen eingesetzt wurde, um die Märkte zu beruhigen und die Regierung nach ihrem Ausscheiden zu stabilisieren. Sunak hat die Bekämpfung der zweistelligen Inflation für wichtiger erklärt als Steuersenkungen. Doch angesichts der nach wie vor schwierigen Wirtschaftslage – der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass Grossbritannien als einzige grosse Volkswirtschaft in diesem Jahr schrumpfen wird – und der Tatsache, dass die Partei in den Meinungsumfragen weit hinter Labour zurückliegt, werden einige konservative Abgeordnete unruhig.

Eine Gruppe innerhalb der Partei drängt weiterhin auf sofortige Steuersenkungen, trotz des Schadens, den die «Trussonomics» anrichteten. Der Abgeordnete Jake Berry, ein ehemaliger Parteivorsitzender, sagte, dass Truss' Agenda zwar nicht auf die richtige Art und Weise umgesetzt worden sie, die Regierungschefin habe aber den richtigen Instinkt gehabt. «Ihr Standpunkt, dass wir die Steuern senken und eine wachsende Wirtschaft schaffen müssen, ist das, was die Menschen wollen», sagte er der BBC.