Erdogan im Visier Türkische Opposition kündigt Stärkung der Demokratie an

AP/tpfi

30.1.2023

Sollten die sechs Oppositionsparteien bei der bevorstehenden Wahl gewinnen, dann wollen sie ein liberaleres und demokratischeres System auf den Weg bringen. 
Sollten die sechs Oppositionsparteien bei der bevorstehenden Wahl gewinnen, dann wollen sie ein liberaleres und demokratischeres System auf den Weg bringen. 
Bild: Burhan Ozbilici/AP/dpa

Das Sechserbündnis will gemeinsam Präsident Erdogan von der Macht verdrängen. Eine wichtige Entscheidung steht jedoch noch aus.

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Eine Koalition aus sechs türkischen Oppositionsparteien hat für den Fall ihres Wahlsieges eine Rückkehr zur parlamentarischen Demokratie bekräftigt. Die Parteien legten am Montag in Ankara ihr gemeinsames Wahlprogramm für die Zukunft des Landes nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vor, die wahrscheinlich am 14. Mai stattfinden werden. Sie nannten allerdings keinen gemeinsamen Kandidaten, der Präsident Recep Tayyip Erdogan herausfordern soll.

«Wir werden zu einem gestärkten parlamentarischen System übergehen, um ein starkes, liberales, demokratisches und gerechtes System zu schaffen, in dem die Gewaltenteilung etabliert ist», sagte der stellvertretende Vorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, Faik Öztrak. Er kündigte eine striktere Gewaltenteilung an, einschliesslich einer grösseren Rolle für das Parlament und einer unabhängigen Justiz.

«Tisch der Sechs»

Erdogan ist seit 2003 im Amt - zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident. Er führte 2018 ein Präsidialsystem ein und schaffte das Amt des Ministerpräsidenten ab. Die meisten Befugnisse sind seitdem in den Händen des Präsidenten konzentriert. Bis dahin war das Amt des Präsidenten ein weitgehend zeremonielles.

Die sechs Parteien, bekannt auch als «Tisch der Sechs», entwickelten in den vergangenen Monaten einen gemeinsamen Plan, um Erdogan von der Macht zu verdrängen und eine Rückkehr zu einem demokratischeren System zu ermöglichen. Ihre Anhänger zeigten sich jedoch frustriert darüber, dass die Koalition immer noch keinen gemeinsamen Kandidaten nominiert hat. Der CHP-Vorsitzende Kemal Kilicdaroglu hat eine Kandidatur angedeutet, obwohl die Bürgermeister von Istanbul und Ankara äusserst populär sind und bei den Kommunalwahlen 2019 gegen die Regierungspartei gewannen.

Erdogan unter Druck

Der langjährige türkische Staatschef hat aufgrund wirtschaftlicher Instabilität und steigender Inflation an Unterstützung eingebüsst. Mit höheren Ausgaben, unter anderem für die Renten, versucht er, Stimmen zurückzugewinnen.

In der Aussenpolitik kündigten die sechs Parteien an, sich für den Abschluss des Beitrittsprozesses zur Europäischen Union einzusetzen. Ausserdem wollen sie die angespannten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten verbessern und sich um die Rückkehr in das von den USA geführte F-35-Kampfjetprogramm bemühen. Die Türkei wurde aus dem Projekt ausgeschlossen, nachdem die Regierung Raketenabwehrsysteme aus russischer Produktion gekauft hatte.

Neben Kilicdaroglus CHP gehören zu dem Oppositionsbündnis die nationalistische Gute Partei, die Partei der Glückseligkeit, die liberale Demokratische Partei, die Partei für Demokratie und Fortschritt und die Zukunftspartei. Nicht Teil der Allianz ist die prokurdische Demokratische Volkspartei (HDP), die zweitgrösste Oppositionspartei. Ihr droht wegen mutmasslicher Verbindungen zu verbotenen militanten kurdischen Gruppen die Schliessung.