Late Night USA Und Joe Biden antwortet trocken: «Das ist Amerika!»

Philipp Dahm

13.9.2019

Demokraten während der TV-Debatte: Vorwahl mit einem Hauch von Humor.
Demokraten während der TV-Debatte: Vorwahl mit einem Hauch von Humor.
Screenshot: YouTube

Vorwahl-Debatten sind für den gemeinen Europäer eher öde – es sei denn, man hat einen Late-Night-Host, der die Diskussion übersetzt, einordnet  – und das Kind beim Namen nennt, auch wenn es nervt. 

«Die Debatte heute Abend ist ein grosser Schritt nach vorn in den Vorwahlen, denn sie hat die Demokraten auf die Top-Ten-Kandidaten runtergebrochen … », so beginnt Stephen Colbert den Live-Monolog seiner «Late Show».

Und mit Blick auf die schier endlose Kandidatenkür, an deren Anfang mal sage und schreibe 24 Bewerber standen, lästert Colbert, der New Yorker: «Das heisst, wir sind der Fantasy-Suite schon sooooo nahe.» Sprich: dem finalen Bewerber der Demokraten.

Trinkt sich die Debatte schön und lustig: Stephen Colbert.
Trinkt sich die Debatte schön und lustig: Stephen Colbert.
Screenshot: YouTube

Ein starkes Statement zu Beginn der Diskussion habe der millionenschwere Kandidat Andrew Yang abgeliefert. «Im heutigen Amerika dreht sich alles um den allmächtigen Dollar», tönt jener. «Genau, und jetzt wirst du etwas zu sagen haben, was diesen Punkt nicht total unterwandert», grätscht Colbert dazwischen, bevor wieder Yang eingespielt wird.

Multimillionär Yang spielt den Gönner

«Deswegen werde ich heute etwas nie Dagewesenes tun. Mein Wahlkampfteam wird jetzt eine Freiheitsdividende von 1'000 Dollar monatlich für ein Jahr an je zehn Familien verschenken.» Colberts Reaktion auf die Ankündigung: «Wow, Papa hat die Taschen voll. Ich habe jede Menge Cash.»

Etwas nie Dagewesenes? Andrew Yang spendet 120'000 Dollar für Familien.
Etwas nie Dagewesenes? Andrew Yang spendet 120'000 Dollar für Familien.
Screenshot: YouTube

Kamala Harris wiederum habe versprochen, sich um die Bedürfnisse der Menschen zu kümmern. «Ich möchte heute Abend mit euch über die Probleme sprechen, die euch nachts nicht schlafen lassen» – Colbert wirkt darob verstört: «Du willst mit mir über jene Zeit in der dritten Klasse reden, als ich meine Lehrerin ‹Mom› genannt habe?»

Ab Minute 2:25 sehen wir dann Bernie Sanders, der Donald Trump den gefährlichsten Präsidenten der US-Geschichte nennt. «Fast so gefährlich wie die Hummel, die ich vor dieser Debatte verschluckt habe», imitiert Colbert den heiseren Senior.

Joe Biden, der Fehlerteufel

Und apropos Pensionär: «Ich bin nicht bereit, auch nur eine Minute länger herauszuzögern ...», poltert Joe Biden ins Mikrofon – «... denn ich habe ganz klar nicht mehr viel Zeit übrig», beendet der Moderator dessen Satz.

Immer für einen Versprecher gut: Joe Biden.
Immer für einen Versprecher gut: Joe Biden.
Screenshot: YouTube

Grosses Thema der Debatte war mal wieder die Gesundheitsversorgung: Bernie Sanders unterstrich, dass er das bestehende «verdammte Gesetz» mitgeschrieben habe und diese Krankenversicherung nun einmal der kostengünstigste Ansatz sei. Hierzulande gebe man pro Kopf aber dennoch doppelt so viel aus wie in Kanada oder anderen Industrienationen. Biden antwortet trocken: «Das ist Amerika.»

Colbert erinnert das an die diversen Patzer des einstigen Vizes Barack Obamas: «Wenn ihr glaubt, dass Biden ein Fehlerteufel ist: Er hat gerade korrekt wiedergegeben, in welchem Land er sich befindet. Er ist zurück, Baby!»

Castro verprellt Pensionäre

Aber ganz ohne Aussetzer hat der 76-Jährige auch diese Debatte nicht überstanden: Als er über Bernie Sanders sprechen will, fällt ihm der Name seines Konkurrenten nicht gleich ein, und er referiert kurzerhand über seinen «Freund aus Vermont».

Es ist also nicht verwunderlich, dass etwa der Kandidat Julian Castro noch eine Ladung Öl in Bidens Fauxpas-Feuer giessen will, als es um Pflichtversicherungen im Gesundheitswesen geht. «Du hast das gerade gesagt. Du hast es vor zwei Minuten gesagt. Du hast vor zwei Minuten gesagt, dass es eine Pflichtversicherung sein wird. Vergisst du etwa, was du vor zwei Minuten gesagt hast?»

Auf Konfrontationskurs: Joe Biden vs. Julian Castro.
Auf Konfrontationskurs: Joe Biden vs. Julian Castro.
Screenshot: YouTube

Colbert glaubt, das Publikum würde nicht goutieren, dass Castro die «alte-Männer-Karte» ausspielte. «Na ja, mach dir keinen Kopf, Julian. Es ist ja nicht so, dass ältere Menschen zur Wahl gehen», so sein ironischer Kommentar.

Willkommen zu den Herkunftsspielen

Es war übrigens nicht der letzte Fehler Bidens: Er bekundet noch, dass «niemand für ein Verbrechen ohne Gewalt ins Gefängnis» gehen müsse. «Oh, Gott sei Dank», greift Colbert dies auf und äfft dabei Donald Trumps Stimme nach. «Joe für 2020! Ich bin viel zu hübsch für den Knast!»

Kommen wir zu den Wurzeln der Kandidaten: Andrew Yang berichtet ab Minute 8:40, dass sein Vater auf einer Erdnussfarm in Asien aufgewachsen und dieser auf dem blanken Boden geschlafen habe – und nun kandidiere sein Sohn für den Präsidentenjob. «Damit sind die freundlichen Herkunftsspiele eröffnet», lästert Colbert. Und: «Geht hier heute Abend jemand über blanken Boden einer ‹Erdnussfarm›? Ich brauche mindestens ein ‹schlief hinter den Hahnenkampf-Halle im Korb›. Höre ich ein ‹Mutter wuchs unter einem Herdäpfelhof auf – ohne Dach›? Irgendjemand?»

Pete Buttigieg alias «Mayor Pete» ist Bürgermeister der Stadt South Bend.
Pete Buttigieg alias «Mayor Pete» ist Bürgermeister der Stadt South Bend.
Screenshot: YouTube

Themenwechsel: Pete Buttigieg wird dann danach gefragt, wie die USA den Truppenabzug aus Afghanistan bewerkstelligen könnten. «Die beste Art, nicht in einen endlosen Krieg hineingezogen zu werden, ist: gar nicht erst einen anzufangen.» Colbert schreit auf: «Moment mal! Du wirst gefragt, wie du aus Afghanistan herauskommst, und du schlägst vor, den Krieg nicht anzufangen? Hast du eine Zeitmaschine?»

Urkomisches Ende

Dann besinnt sich der 55-Jährige: «Na ja, es würde Sinn machen. Doc Brown ist auch schon da», witzelt Colbert – und zeigt ein Bild von Bernie Sanders: «Das oberste ein Prozent besitzt 1.21 Gigawatt», parodiert er den 78-jährigen Sozialisten.

Bernie Sanders: Die Ähnlichkeit mit «Back to the Future»-Figur Doc Brown ist rein zufällig.
Bernie Sanders: Die Ähnlichkeit mit «Back to the Future»-Figur Doc Brown ist rein zufällig.
Screenshot: YouTube

Zum guten Schluss sehen wir noch, wie lustig der Kandidat Corey Booker ist, der gefragt wird, ob mehr Amerikaner vegan leben sollten wie er.

Der Kahlkopf verneint – und sagt, er werde das auch nochmal auf Spanisch wiederholen: «No!» Ein kleiner Seitenhieb gegen den Konkurrenten Beto Rourke, der sich in der Vordebatte blamierte, als er versuchte, Spanisch zu reden. «Alles Teil seiner neuen Comedy-Tour», kaspert Colbert, «drücken Sie die Eins für Englisch, drücken Sie die Zwei für urkomisch.»

Cory Bookers imaginäres Comedy-Tour-Plakat.
Cory Bookers imaginäres Comedy-Tour-Plakat.
Screenshot: YouTube

Und auch wenn der Monolog da noch nicht ganz zu Ende ist, soll es das gewesen sein. Das Schlusswort ist einfach zu gut, denn was für Corey Booker gilt, trifft wohl überhaupt auf die kommenden US-Wahlen zu: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. 

Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

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