Schweizer Uno-Vorsitz Uno-Sitzung: Null Vertrauen zwischen Grossmächten

sda

4.5.2023 - 04:30

Als erstes Thema unter Schweizer Vorsitz hat der Uno-Sicherheitsrat am Mittwoch Vertrauensbildung diskutiert. Die Sitzung hat gezeigt, wie tief die Gräben unter den drei Vetomächten China, Russland und den USA verlaufen.

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Vertrauen könne nur aufgebaut werden, wenn man die Regeln, die man selber gemacht habe, auch einhalte, sagte Aussenminister Ignazio Cassis am Mittwoch an der Uno in New York mit Blick auf die russische Invasion in der Ukraine.

«Lassen Sie uns den Mut haben, das System gemeinsam zu hinterfragen und neu zu überdenken, mit dem Ziel, es besser zu machen*, sagte der Bundesrat in seiner kurzen Rede zu Beginn des Treffens.

«Produktiver Monat» unter Schweizer Vorsitz?

Der stellvertretende US-Botschafter Richard Mills gratulierte Cassis zur Ratspräsidentschaft. Seine Delegation freue sich auf einen produktiven Monat in Zusammenarbeit mit der Schweiz.

Der Zeitpunkt sei reif für grosses unkonventionelles Denken und eine neue Agenda für den Frieden. Dass eine solche Agenda, wie sie Uno-Generalsekretär Antonio Guterres nächste Woche vorstellen will, im gegenwärtigen Klima aber kaum umzusetzen ist, zeigte sich im Verlauf des Tages.

In der siebenstündigen Debatte, die allen Uno-Mitgliedern offen stand, haben sich über 70 Staaten zu Wort gemeldet. Viele verurteilten Russland für die empörenden Verletzungen der Uno-Charta in der Ukraine.

Russische Verdrehung der Tatsachen

Der russische Botschafter Vasily Nebenzya gratulierte Cassis zwar ebenfalls zur Ratspräsidentschaft, donnerte dann aber los: «Die Wahrheit ist wertlos. Wir leben in einer Welt, in der uns die vom Westen kontrollierten Medien schwarz als weiss verkaufen wollen», sagte Nebenzya.

Er kritisierte die «verräterischen Aktivitäten früherer westlicher Partner». In den letzten 15 bis 20 Jahren sei es diesen gelungen, die grünen Triebe des gegenseitigen Verständnisses, die nach dem Ende des Kalten Krieges aufkeimten, Schritt für Schritt zu zerstören.

Die Ukraine sei zu einem Spielball in der geopolitischen Konfrontation zwischen Russland und dem Westen geworden. «Sie haben an unseren Grenzen acht Jahre lang eine russophobe Neonazi-Diktatur installiert, die allem Russischen den Krieg erklärt hat», sagte Nebenzya. Die Situation sei so weit aus dem Ruder gelaufen, dass die Nato nun einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führe.

China beschuldigt «arroganten» Westen

Ohne sie beim Namen zu nennen gab auch der chinesische Botschafter Zhang Jun den USA und der Nato Schuld für die Vertrauenskrise. «Nichts beschädigt leichter das gegenseitige Vertrauen im Bereich der Sicherheit als die Bildung exklusiver Militärblöcke, das Schüren regionaler Spannungen und das Streben nach absoluter Sicherheit für sich selbst auf Kosten der Sicherheit anderer Länder», sagte Zhang.

In den westlichen Verhaltensweisen spiegele sich die selbstgefällige und herrische Mentalität derjenigen wider, die mit anderen Ländern aus einer Position der Stärke und der Verfolgung engstirniger Eigeninteressen handelten.

Broschüre als Resultat

Die erste Sitzung des Rates unter Schweizer Vorsitz hat weder in einer Resolution oder Erklärung des Rates gemündet. Das war auch nicht vorgesehen. Die Schweizer Vertretung wird die Äusserungen der Uno-Mitgliedschaft analysieren und Guterres laut Cassis ein «Broschüre» vorlegen, die Eingang in dessen neue Agenda für Frieden finden soll.

Die Sticheleien zwischen den drei Grossmächten werden darin weniger Platz finden, als die dringenden Aufrufe aus afrikanischen, asiatischen und südamerikanischen Ländern, Friedensbildung in die Hände von Frauen, Jungen und bisher Unterprivilegierten zu legen und die Bemühungen um Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele bis 2030.

Genau darin liegt die Macht, die die Schweiz als Ratsvorsitzende hat. Sie beschliesst in diesem kurzen Monat Mai, wer am Ende zu Wort kommt.