Strasse von Hormus US-Patrouillen im Persischen Golf bergen viele Risiken

Jon Gambrell, AP

4.9.2019

Ein brennender Öltanker Mitte Juni im Golf von Oman.
Ein brennender Öltanker Mitte Juni im Golf von Oman.
Uncredited/Iranian Students' News Agency, ISNA/dpa

Die von den USA geführte Militärmission zum Schutz des Schiffsverkehrs in der Strasse von Hormus läuft, wie die Washingtoner Regierung betont. Es ist eine Fahrt in unsichere Gewässer – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die USA suchen Koalitionspartner für ihre neue Militärmission im Persischen Golf, die «Operation Sentinel». Es geht um den Schutz der Schifffahrt vor dem Hintergrund wachsender Spannungen mit dem Iran – buchstäblich eine Fahrt in unsichere Gewässer. So sehen Experten angesichts des angeheizten Klimas das Risiko, dass «die Kräfte im Golf in eine unbeabsichtigte Eskalation stolpern», wie es Politikanalystin Becca Wasser von der Denkfabrik Rand Corporation formuliert.

Seit Jahrzehnten betrachten die USA die Gewässer des Persischen Golfes als kritisch für ihre nationale Sicherheit. 20 Prozent der Rohöltransporte für den Weltmarkt laufen durch die enge Strasse von Hormus. Kommt es zu Störungen, kann das massive Preisanstiege nach sich ziehen. Um sicherzustellen, dass so etwas nicht passiert, sind die USA notfalls auch zum Einsatz von Feuerkraft bereit – das haben sie in der Vergangenheit bereits demonstriert.

Jetzt sind die USA wieder in der Region engagiert. Sie sehen eine maritime Bedrohung durch Teheran und setzen ihr die «Operation Sentinel» entgegen – im Kern Seepatrouillen, um den Iran von potenziellen Provokationen und Übergriffen abzuschrecken.

Denn die Spannungen haben die Sicherheitslage im Persischen Golf drastisch verschlechtert. In der jüngsten Vergangenheit ist es in der Strasse von Hormus wiederholt zu Angriffen auf Schiffe gekommen, und die USA machen den Iran dafür verantwortlich. Die Führung in Teheran weist die Vorwürfe zurück.

Die «Operation Sentinel» erinnert an die 1980er Jahre, als die Amerikaner im sogenannten Tankerkrieg Schiffe in der Region begleiteten. Das war während des irakisch-iranischen Krieges: Damals griff der Irak iranische Öltransporte aus der Luft an, und der Iran attackierte als Vergeltung Schiffe irakischer Handelspartner und anderer Unterstützer der Bagdader Führung. 1988 bestritt die US-Marine ihren bislang letzten grösseren Kampfeinsatz im Persischen Golf gegen den Iran.

Hintergrund der derzeitigen massiven Spannungen ist der einseitige US-Ausstieg im vergangenen Jahr aus dem multinationalen Atomabkommen mit Teheran von 2015. Als Antwort darauf und nach neuen massiven Wirtschaftssanktionen der USA hat der Iran die im Vertrag festgesetzte Obergrenze für Uranvorräte deutlich überschritten. Und Teheran will diesen Weg offenbar in den kommenden Tagen fortsetzen. Es sieht sich in die Enge getrieben und scheint auf einen möglichen Konflikt vorbereitet zu sein.

Schiffe des US-Militärs im persischen Golf. 
Schiffe des US-Militärs im persischen Golf. 
Jon Gambrell/AP (Archivbild)

Die «Operation Sentinel» folgt einer mehrschichtigen Strategie und umfasst die Überwachung der Strasse von Hormus und des Bab al-Mandab. Das ist eine Meeresenge, die das Rote Meer und den Golf von Aden zwischen dem Horn von Afrika und der arabischen Halbinsel verbindet. Kleinere Patrouillenboote und andere Wasserfahrzeuge stehen für Soforteingriffe bereit.

Länder können Kräfte zur Begleitung ihrer eigenen Schiffe in das Gebiet entsenden. Die in Bahrain stationierte 5. Flotte der USA ist für die Region zuständig, begleitet ihrem Sprecher Joshua Frey zufolge bislang aber keine unter der US-Flagge fahrenden Schiffe im Golf. Das bleibe jedoch eine Möglichkeit für die Zukunft.

Nur Grossbritannien, Australien und Bahrain dabei

Andere Länder reissen sich nicht gerade um eine Teilnahme an der Operation: Nur Grossbritannien, Australien und Bahrain haben sich bislang dazu bereit erklärt. Indien hat unabhängig von der Koalition damit begonnen, seine eigene Schiffe zu schützen. China erwägt, sich ebenfalls zu engagieren.

Einige der im Rahmen der Mission vorgesehenen Aktionen fallen bereits unter die Routineoperationen der 5. Flotte in der Region. US-Marineschiffe werden bei Fahrten in und aus dem Persischen Golf oft von Schiffen der iranischen Revolutionsgarde beschattet. Es ist vorgekommen, dass die Amerikaner Warnschüsse abgaben oder iranische Kräfte in der Nähe Testraketen abfeuerten.

Aber die «Operation Sentinel» und der wachsende Druck auf den Iran durch die US-Sanktionen hätten das Konfliktpotenzial verschärft, meinen Experten wie Michael Stephens vom Royal United Services Institute für Defense and Security Studies, einer Londoner Forschungseinrichtung. «Wenn du das Schachbrett änderst, dann änderst du dauerhaft die Bedingungen, unter denen du operierst. Da fragt man sich, wie man das nicht als eine Eskalation darstellen kann, denn es ist eine Eskalation.»

Experten warnen vor Überreaktionen

Der Iran selber ist nicht untätig. Die direkt dem Obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei unterstellte paramilitärische Garde steuert Schnellboote durch die Strasse von Hormus und übt, wie man provoziert, indem man sich in Schwärmen grösseren Kriegsschiffen nähert. US-Vertretern zufolge verfügt sie auch über Spezialeinheiten, die sich auf Schiffe schleichen können, um dort Minen zu deponieren.

Experten warnen auch vor der Gefahr von Überreaktionen auf tatsächliche oder vermeintliche iranische Provokationen. Und die Koalitionskräfte haben bei ihrer Überwachung ein beachtliches Gebiet abzudecken, auch wenn die Strasse von Hormus an ihrem engsten Punkt nur 33 Kilometer breit ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Schnellboote der Revolutionsgarde im regen Verkehr kleiner und grosser Schiffe in der Strasse leicht zu übersehen sind. Auch könnten die Patrouillen reguläre Gütertransporte verlangsamen.

Nach US-Angaben haben Schiffsbesatzungen wiederholt von anscheinend gezielten Störungen ihrer GPS-Systeme berichtet. Das könnte dazu führen, dass Schiffe versehentlich in iranische Gewässer geraten - und damit iranischen Kräften einen Vorwand zum Entern liefern.

Für Seefahrer in der Region ist die Strasse von Hormus bereits zu einer vorübergehenden Risikozone erklärt worden. Das heisst, sie haben Anspruch auf eine Lohnzulage – und höhere Versicherungsleistungen im Fall von Tod oder Berufsunfähigkeit.


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