Afghanistan USA und Taliban vor Abkommen über Reduzierung von Gewalt

dpa

21.2.2020

In Dschalalabad werden Dorfbewohner beerdigt, die bei einem US-Dohnenangriff ums Leben kamen. 
In Dschalalabad werden Dorfbewohner beerdigt, die bei einem US-Dohnenangriff ums Leben kamen. 
Source: Saifurahman Safi / dpa

US-Präsident Trump will seit langem die amerikanischen Truppen aus Afghanistan abziehen. Nun ist ein erster Schritt in diese Richtung getan. Aber gibt es nun auch bald Frieden in Afghanistan?

Mehr als eineinhalb Jahre lang haben die USA und die Taliban über Wege zu Frieden in Afghanistan verhandelt – nun scheint eine Vereinbarung näher denn je.

«Nach Jahrzehnten des Konflikts haben wir uns mit den Taliban auf eine signifikante Reduzierung der Gewalt in ganz Afghanistan geeinigt», teilte US-Aussenminister Mike Pompeo am Freitag mit. Ist diese erfolgreich, soll am 29. Februar ein USA-Taliban-Abkommen unterzeichnet werden.

Doch der Weg dahin birgt noch viele Unwägbarkeiten. Und eine Vereinbarung zwischen den USA und den Taliban ist nur ein erster Schritt zu Frieden in Afghanistan – die danach folgenden innerafghanischen Gespräche dürften weitaus schwieriger werden.

Seit Juli 2018 sprechen die USA und die militant-islamistischen Taliban über eine politische Lösung des Afghanistan-Konflikts. Ursprünglich waren die USA mit der Forderung eines umfassenden Waffenstillstands in die Verhandlungen gegangen. Den konnten sie den Taliban, die Gewalt als ihren wichtigsten Hebel sehen und militärisch immer aggressiver auftraten, allerdings nicht abringen.

Keine konkreten Vorstellungen

Die nun vereinbarte «Reduzierung der Gewalt» wird als Test angesehen, dass die Taliban ihre Reihen kontrollieren können. US-Verteidigungsminister Mark Esper hatte vergangene Woche in Brüssel erklärt, aus seiner Sicht reiche eine Woche, um beurteilen zu können, wie ernst es den Taliban mit Frieden sei. Der wiedergewählte afghanische Präsident Aschraf Ghani sagte in einer Fernsehansprache am Freitag, in der Nacht zum Samstag solle um Mitternacht die Gewaltverringerung beginnen.

Wie sich die USA und die Taliban weniger Gewalt konkret vorstellen, ist unklar. Beobachtern zufolge könnte ein Ende der Taliban-Angriffe in Städten und auf Überlandstrassen gemeint sein. Die USA sollen zudem eine Einstellung der Überfälle auf Kontrollposten von Polizei und Armee gefordert haben. Diese waren in den vergangenen Jahren die grössten Todesfallen für die Sicherheitskräfte.

Im Gegenzug dürften die USA ihre Offensivoperationen und Luftschläge gegen die Taliban reduzieren oder stoppen. Ghani erklärte, die afghanische Polizei und Armee würden in der Woche nur Angriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat, auf Al-Kaida und andere Terrorgruppen weiterführen, aber nicht gegen die Taliban.

Beobachter warnen

Beobachter warnten aber, dass es bei einem komplexen Konflikt wie in Afghanistan schwierig werden könnte, Angriffe zuzuordnen. Neben den Taliban sind Dutzende weitere bewaffnete Gruppen in dem Land aktiv. Auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist dort präsent – und ein erklärter Feind der Taliban. Die Taliban waren in der Vergangenheit für Angriffe oder gezielte Tötungen beschuldigt worden. Von einer gänzlich gewaltfreien Zeit gehe man aber ohnehin nicht aus, heisst es aus US-Kreisen.

Unklar ist zudem, was nach den sieben Tagen passiert. Im vierten Quartal 2019 gingen Nato-Angaben zufolge im Schnitt 90 Angriffe am Tag auf das Konto der Taliban und anderer bewaffneter Gruppen. Bei mehr als einem Drittel gab es Verletzte oder Tote. Manche hoffen, dass die Gewalt nach diesen sieben Tagen nicht mehr auf das vorherige Niveau zurückgeht. Beobachter gehen davon aus, dass einer der ersten Punkte bei den innerafghanischen Verhandlungen ein umfassender Waffenstillstand sein wird.

Ein USA-Taliban-Abkommen soll einen Zeitplan für den Abzug von US-Truppen sowie Garantien der Taliban beinhalten, dass Afghanistan kein Rückzugsort für Terroristen wird. Es soll zudem innerafghanische Verhandlungen, die eigentlichen Friedensgespräche zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung und anderen politischen Parteien, einleiten, in denen es um eine Neuverteilung der politischen Macht im Land geht.

Längster Krieg

Der Krieg in Afghanistan ist der längste in der Geschichte der USA. Seit 2001 sind US-Soldaten in dem Land. Nach den Anschlägen vom 11. September waren von den USA angeführte Truppen dort einmarschiert. Die Taliban hatten Al-Kaida-Chef Osama bin Laden beherbergt. US-Präsident Donald Trump verfolgt seit langem das Ziel, die Zahl der US-Truppen in Afghanistan zu senken oder sie abzuziehen.

Pompeo sagte, innerafghanische Verhandlungen sollten «bald» nach der Unterzeichnung des USA-Taliban-Abkommens beginnen. Die Herausforderungen sind mannigfaltig, etwa wie die Ansichten der erzkonservativen Taliban mit viel liberaleren Gesellschaftsschichten unter einen Hut gebracht werden sollen.

Gleichzeitig wird Afghanistan von schweren innenpolitischen Turbulenzen erschüttert, seit diese Woche die Wahlkommission Amtsinhaber Ghani zum Sieger der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom September erklärte. Sein wichtigster Herausforderer Abdullah Abdullah erkannte das Resultat nicht an und will eine Gegenregierung aufstellen.

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