AustralienUSA: Waffenruhe in Gaza hängt an Hamas-Chef Sinwar
SDA
7.8.2024 - 05:16
Während die USA auf eine Deeskalation im Konflikt zwischen dem Iran und Israel drängen, erschwert die Ernennung von Israels Staatsfeind Nummer Eins zum Anführer der Hamas die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg.
Keystone-SDA
07.08.2024, 05:16
SDA
Die Ernennung von Jihia al-Sinwar sei ein «weiterer zwingender Grund, ihn schnell zu beseitigen und diese abscheuliche Organisation vom Antlitz der Erde zu tilgen», schrieb Israels Aussenminister Israel Katz auf der Plattform X.
Nach Ansicht von US-Aussenminister Antony Blinken hängt es jedoch massgeblich von Sinwar ab, ob ein Abkommen über eine Waffenruhe in Gaza gelingt. Der bisherige Anführer der Islamisten im Gazastreifen sei schon vor seiner Ernennung zum Nachfolger des getöteten Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija der wesentliche Entscheider der Hamas in dieser Frage gewesen, sagte Blinken. «Das unterstreicht nur die Tatsache, dass es wirklich an ihm liegt, zu entscheiden, ob ein Waffenstillstand vorangetrieben wird.»
Sinwar gilt als Drahtzieher des Terrorangriffs der Hamas und anderer Gruppen in Israel vom 7. Oktober 2023. Dabei wurden rund 1.200 Menschen getötet und 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt. Der beispiellose Überfall löste den Gaza-Krieg aus.
Bericht: Sinwar für enge Abstimmung mit dem Iran
Die Hamas vermittele mit Sinwars Ernennung zu ihrem alleinigen Anführer die Botschaft, «dass sie strategisch hinter dem Ansatz des bewaffneten Widerstands steht», zitierte das «Wall Street Journal» Jehad Harb, politischer Analyst beim Palestinian Center for Policy and Survey Research, einer im Westjordanland ansässigen Denkfabrik. Das bedeute, dass sich die Hamas von der Rolle als politische Einheit, die regieren will, entferne, schrieb die US-Zeitung. Sinwar befürworte zudem eine enge Abstimmung mit dem Hamas-Unterstützer Iran, der das Existenzrecht Israels bestreitet. Er scheine jene Stimmen in der Hamas übertrumpft zu haben, die dem Ansatz skeptisch gegenüberstanden.
Sinwars vor knapp einer Woche in Teheran getöteter Vorgänger Hanija residierte in Katars Hauptstadt Doha und galt als Chefdiplomat der Hamas. Der Iran und die Hamas machen Israel für Hanijas Tod verantwortlich und drohen mit einem harten Vergeltungsschlag gegen den jüdischen Staat.
Blinken warnt vor Eskalation
Blinken warnte mit eindringlichen Worten vor einer Eskalation des Konflikts. Jeder in der Region sollte verstehen, «dass weitere Angriffe nur das Risiko gefährlicher Folgen erhöhen, die niemand vorhersagen und niemand vollständig kontrollieren kann», sagte der US-Aussenminister bei einem gemeinsamen Auftritt vor der Presse mit seiner australischen Kollegin Penny Wong sowie den Verteidigungsministern beider Länder im US-Bundesstaat Maryland.
Bei den indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe in Gaza, bei denen Katar, Ägypten und die USA vermitteln, sei der «entscheidende Moment» erreicht, sagte Blinken. «Wir sind der festen Überzeugung, dass sie sehr, sehr bald zum Abschluss kommen sollten», sagte er. Sinwar habe wie bisher schon die Macht, darüber zu entscheiden, ob die Hamas einwilligt.
Bericht: Sinwar setzt auf Sieg
Es wird vermutet, dass sich Sinwar in einem der Tunnel der Hamas unter dem von Israel abgeriegelten Gazastreifen versteckt hält. Er setze darauf, dass die Hamas den Sieg erringt, indem sie als Gruppe überlebt, schrieb das «Wall Street Journal». Sinwar habe sich denn auch dem Druck widersetzt, einer Waffenruhe und einem Geiselabkommen zuzustimmen und habe den Vermittlern erklärt, dass der Tod palästinensischer Zivilisten ihm zum Vorteil gereiche. «Wir haben die Israelis genau da, wo wir sie haben wollen», habe Sinwar Hamas-Vertretern gesagt, die mit katarischen und ägyptischen Vertretern ein Abkommen aushandeln wollten.
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag beantragte im Mai Haftbefehl gegen Sinwar, Hanija und Sinwars früheren Stellvertreter Mohammed Deif. Er warf ihnen unter anderem «Ausrottung» sowie Mord, Geiselnahme, Vergewaltigungen und Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.
Sinwars früherer Stellvertreter Deif, Chef des militärischen Flügels der Hamas, wurde im Juli zum Ziel eines israelischen Raketenangriffs. In der vergangenen Woche erklärte ihn die israelische Armee für tot. Zum Tod Hanijas in der iranischen Hauptstadt Teheran hat sich die israelische Führung bislang nicht geäussert.
Blinken: Niemand will eine Eskalation
Angesichts drohender Vergeltungsschläge des Irans und seiner Verbündeten gegen Israel ist die Sorge vor einer Eskalation in der ganzen Region gross. Die USA arbeiteten weiterhin intensiv an einer Entschärfung der Lage und stünden dazu in ständigem Kontakt mit Partnern in der Region und darüber hinaus, sagte Blinken. «Ich glaube, dass eigentlich niemand eine Eskalation will, niemand will eine Ausweitung des Konflikts, aber es ist sehr wichtig, dass es dazu kommen könnte, selbst wenn es unbeabsichtigt ist.»
Zugleich bekräftigte Blinken die «eiserne» Unterstützung Israels bei der Selbstverteidigung. Auch das US-Militär ergreife weiterhin Schritte, eine Eskalation durch den Iran und seine Verbündeten abzuwehren, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin.
Austin wies auf den jüngsten Angriff auf einen Militärstützpunkt im Irak hin, bei dem mehrere US-Soldaten verwundet worden seien. «Täuschen Sie sich also nicht: Die Vereinigten Staaten werden keine Angriffe auf unser Personal in der Region dulden», betonte der US-Verteidigungsminister. Man habe die militärische Präsenz in der Region angepasst, um den Schutz der eigenen Streitkräfte zu stärken und für alle denkbaren Szenarien vorbereitet zu bleiben. Auch Austin betonte dabei die Unterstützung der USA für Israels Verteidigung.
Auch Biden vermittelt
US-Präsident Joe Biden telefonierte derweil separat mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und dem katarischen Emir Tamim bin Hamad al-Thani. In den Gesprächen sei es auch um die Verhandlungen zu einem Geisel-Deal zwischen Israel und der Hamas gegangen, die «nun eine letzte Phase erreicht» hätten, teilte das Weisse Haus mit. Die Gesprächspartner seien sich einig gewesen, dass dieser Prozess «so schnell wie möglich» abgeschlossen werden müsse.
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