Volle Bars und blühende GeschäfteDubai boomt dank hoher Impfrate
Von Isabel Debre, AP
25.12.2021 - 00:00
Die Impfrate in Dubai ist hoch, die Zahl der Krankenhausaufenthalte und Todesfälle niedrig. So herrscht denn verbreitet das Gefühl, dass man aus dem Schneider ist. Das Leben wogt, Geschäfte blühen. Aber bleibt es so?
DPA, Von Isabel Debre, AP
25.12.2021, 00:00
dpa
Viele Länder rund um die Welt setzen neue Beschränkungen in Kraft, rüsten sich für einen rasanten Anstieg der Corona-Neuinfektionen wegen der Virusvariante Omikron. Aber Donna Sese in Dubai bereitet sich auf eine ganz andere Welle vor: Zahllose Restaurant-Buchungen und meterlange Getränke-Rechnungen. «Wir sind wieder da und so beschäftigt wie wir es gewohnt waren», sagt die Managerin des Restaurants Jalumba im Fünf-Sterne-Hotel Le Meridien, wo Gäste für das illustre Freitagsbrunch 250 Dollar (220 Euro) hinblättern.
Tatsächlich scheint der Stadtstaat in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) einen neuen Boom zu erleben – ausgelöst durch hohe Impfraten und Schritte der Regierung, Unternehmen anzulocken und Spannungen mit regionalen Rivalen abzumildern.
Auf den Tanzböden herrscht wieder – maskenloser – Überschwang, Brunch-Gäste trinken im Überfluss. Hauskäufer strömen auf den Markt, Touristen reissen sich um Hotelsuiten, Millionäre aus dem Ausland ziehen in die Emirate. Corona-Infektionen nehmen zwar wieder zu, aber die Zahlen liegen unter früheren Höchstständen.
Politik der offenen Türen rächte sich
Es ist ähnlich wie im Dezember vergangenen Jahres, als Dubai Touristen umwarb und die, die es sich leisten konnten, vor Lockdowns und Winterwetter in ihrer Heimat in die glitzernde Metropole flüchteten. Aber die Politik der offenen Türen rächte sich, die Zahl der Infektionen schnellte Anfang 2021 rasch auf Rekordhöhen, Krankenhäuser füllten sich.
Jetzt, ein Jahr später und nach Massenimpfungen, herrscht in Dubai das Gefühl, dass man freie Bahn hat. Die Zahl der Krankenhausaufenthalte und Todesfälle im Zusammenhang mit Covid ist verschwindend klein – auch wenn Omikron lauert und die täglichen Neuinfektionen am vergangenen Mittwoch die 600-Marke überschritten, nachdem sie wochenlang bei unter 100 gelegen hatten.
Erleben viele westliche Länder mittlerweile, dass sich ihre Impfraten nur noch langsam nach oben bewegen, haben in den VAE laut staatlichen Angaben 99 Prozent aller Impfberechtigten – jeder im Alter von über zwölf Jahren – zumindest eine Dosis erhalten. Bei manchen waren es fünf.
Anpassungen an den Westen
Die Hochstimmung in Dubai nach monatelanger Beklommenheit ist überall zu spüren. Im November wurden – auch dank niedriger Zinsen – mehr Immobilien verkauft als in jedem anderen Monat in den vergangenen acht Jahren, wie aus Statistiken der Webseite Property Finder hervorgeht. Die Verkaufspreise liegen höher als vor Beginn der Pandemie.
Marktanalysten führen die Entwicklung auf eine Pause bei Villen-Bauten und den Zustrom europäischer, chinesischer und indischer Kapitalgeber zurück, die durch die hohen Impfraten und niedrigen Steuersätze angezogen werden. Eine grosse Konferenz in Sachen Kryptowährungen im Oktober lockte Dutzende junger Millionäre an, die Immobilienmaklern zufolge im Voraus Bargeld für Villen am Strand hinblätterten.
Die Regierung der Emirate hat Pläne gefördert, das Scheichtum noch attraktiver für ausländische Investoren und Besucher zu machen. Der Bogen reicht von Zehn-Jahres-Visa, Optionen für freiberufliche Tätigkeiten und Ruhestand bis hin zu Reformen der islamischen rechtlichen Vorschriften im Land. Und vor dem Hintergrund wachsenden Wettbewerbs mit dem benachbarten Saudi-Arabien soll die Arbeitswoche von Sonntag bis Donnerstag auf Montag bis Freitag verlagert werden, wie es im Westen üblich ist.
Geschäfte mit Langzeit-Rivalen
Derweil sind die Hotels in Dubai gefüllt, Mitte November waren sie zu 90 Prozent ausgelastet. Die Langstrecken-Airline Emirates schätzte die Zahl ankommender Passagiere in ihrem Dubai-Terminal im Vorfeld der Feiertage auf 1,1 Millionen. Der Andrang spiegelt sich auch in verstopften Strassen wider, und freie Taxis werden rar. Und es fliesst reichlich Alkohol, insgesamt sind die Verkäufe in den Emiraten dem Volumen nach dieses Jahr auf 117,5 Millionen Liter gestiegen, 7,5 Prozent mehr als 2020, wie die Marktforschungsfirma Euromonitor berichtet.
Der Boom erstreckt sich sogar auf Geschäfte mit den Langzeit-Rivalen der VAE, der Türkei und dem Iran. Politik hatte in den vergangenen Jahren den Handel zwischen den Ländern vergiftet, aber im Zuge jüngster diplomatischer Aktivitäten der Emirate ist das Klima besser geworden.
So sind Irans Importe aus den Emiraten Teheraner Regierungsstatistiken zufolge zwischen März und September dieses Jahres um 70 Prozent auf 5,4 Milliarden Dollar gewachsen. Emiratische Einfuhren werden Umfänge erreichen, wie es sie nicht gegeben hat, seit die USA 2018 scharfe Sanktionen gegen den Iran verhängten. Der Handel zwischen den Emiraten und der Türkei stieg in der ersten Hälfte 2021 ebenfalls um mehr als 100 Prozent auf 7,2 Milliarden Dollar, wie die offizielle emiratische Nachrichtenagentur WAM vermeldet.
Iranische und türkische Geschäftsleute in Dubai berichten übereinstimmend von gelockerten Restriktionen für ihre Lizenzen und Visa. Die türkische Unternehmensexpertin Fatma Nilgun Emrem von der Beraterfirma Tamimi Consulting ist beispielsweise mit Anfragen türkischer Schönheitssalons, Einzelhändler und Restaurants überflutet worden, die in Dubai Betriebe eröffnen wollen. «Der Kurs und die Perspektiven der VAE ändern sich», sagt sie.
Spielverderber Omikron?
Aber Experten warnen, dass politische Unwägbarkeiten die Spannungen im Nahen Osten wieder verschärfen könnten. Auch werden Industrien vielleicht unter Überkapazitäten leiden, wenn die derzeitige Weltausstellung in Dubai im kommenden Frühjahr zu Ende geht, wie etwa Volkswirtschaftler James Swanston von der Beraterfirma Capital Economics sagt.
Und dann könnte Omikron vielleicht schon bald zum Spielverderber werden. Aber im Augenblick herrscht in Dubai Optimismus. «Das Geld ist zurückgekehrt», sagt Said Sakari, ein Kapitän, der jetzt regelmässig über den Persischen Golf segelt – sein Boot beladen mit Haushaltsgeräten für iranische Abnehmer.
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